Friedberger Allgemeine

Raus aus der Corona‰Umklammeru­ng

Die übliche Herbstbele­bung fällt in diesem Jahr stärker aus als in den Vorjahren. Wie die Krise den Arbeitsmar­kt deutlich verändert hat, warum nicht alle profitiere­n und was in Zukunft nötig sein wird

- Michael Donhauer, dpa

Nürnberg Dank einer kräftigen Herbstbele­bung schüttelt der deutsche Arbeitsmar­kt die Folgen der Corona-Pandemie allmählich ab. Nur noch etwa 200 000 der im September 2465000 Arbeitslos­en seien auf die Krise zurückzufü­hren, sagte Vorstandsm­itglied Daniel Terzenbach von der Bundesagen­tur für Arbeit in Nürnberg. Die Vergleichs­zahl hatte schon einmal bei 650000 gelegen. Terzenbach machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Krise den Arbeitsmar­kt verändert habe.

Die Zahl der Langzeitar­beitslosen – vor allem Ältere mit weniger Bildung – sei stark gestiegen. Mit knapp über einer Million liege sie um 40 Prozent über dem VorkrisenN­iveau. Dagegen sei die Jugendarbe­itslosigke­it so niedrig wie nie seit der Wiedervere­inigung. „Der Erholungsp­rozess ist erheblich, erreicht aber nicht alle in gleichem Ausmaß“, sagte Terzenbach. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) betonte, die Tendenz sei insgesamt vielverspr­echend. Die Langzeitar­beitslosig­keit brauche jedoch besonderes Augenmerk. Die Auswirkung­en der Pandemie zeigten sich dort besonders deutlich.

Im Vergleich zum August sank die Zahl der Arbeitslos­en im September um 114000 - ein Absinken

diesem Monat ist wegen des Endes der Sommerferi­en, des Beginns der Ausbildung­sverhältni­sse und mehrerer anderer saisonaler Faktoren üblich. „Der Rückgang fällt in diesem Jahr deutlicher aus als üblicherwe­ise in den Vorjahren“, sagte Terzenbach. Grund sei, dass nach dem Ende vieler Corona-Restriktio­nen Aufholproz­esse in Gang gesetzt worden seien.

Die Zahl der Menschen ohne Job lag im September um 382000 niedriger als im September 2020 – damals waren die Folgen der Pandemie noch deutlicher spürbar. Die Quote sank seit August um 0,2 Punkte auf 5,4 Prozent. Zum Verin gleich: Im Vor-Corona-September 2019 lag sie bei 4,9 Prozent.

Im September setzte sich damit ein Trend fort, der in den Sommermona­ten bereits zu beobachten war: Das Ende des Corona-Lockdowns führt zu teils saisonübli­chen Belebungse­ffekten. So hat sich auch im September die Zahl der gemeldeten freien Stellen wieder erhöht – auf 799000, das sind 209000 mehr als vor einem Jahr – und auch mehr als vor Beginn der Corona-Krise, wie Terzenbach erklärte: „Wir sehen, dass die hohe Nachfrage nach Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn voll angezogen hat.“

In einigen Branchen – vom Handwerk über das Gesundheit­swesen bis zur Gastronomi­e – mache sich bereits ein eklatanter Fachkräfte­mangel bemerkbar, der durch die Transforma­tion der Industrie verschärft wird – weniger qualifizie­rte Jobs würden weniger gebraucht, dafür herrsche ein Mangel an besser Qualifizie­rten. Um die Lücke zu schließen, müssten die Ressourcen im Inland – etwa bei der Qualifizie­rung von Arbeitslos­en und gering qualifizie­rten Beschäftig­ten – ausgeschöp­ft werden, forderte der Experte.

Hinzu müsse vermehrte Zuwanderun­g kommen. „Wir müssen als Gesellscha­ft akzeptiere­n, dass wir dafür werben müssen“, sagte er auch an die Adresse einer neuen Bundesregi­erung gerichtet. VisaProzes­se müssten vereinfach­t, Sprachförd­erung intensivie­rt und die Anerkennun­g berufliche­r Qualifikat­ion beschleuni­gt werden.

Terzenbach forderte mehr finanziell­e Anreize für Umschulung und Qualifizie­rung von Langzeitar­beitslosen sowie weniger Regulierun­g im Umgang mit Hartz-IV-Empfängern. Derzeit seien fast so viele Kräfte gebunden, um die Höhe des Arbeitslos­engeldes zu berechnen, wie in der Vermittlun­g von Arbeitslos­en. „Das Rückforder­n von Beträgen in Höhe von 1,60 Euro entspricht nicht mehr der gesellscha­ftlichen Realität 2021“, sagte er.

Entspannun­g meldet die Bundesagen­tur bei der Kurzarbeit. Bis zum 26. September gingen Anzeigen für Kurzarbeit von 70 000 Personen ein. Corona sei inzwischen nicht mehr der Hauptgrund, sondern eher die Lieferengp­ässe in der Industrie. Daten, wie viel Kurzarbeit tatsächlic­h in Anspruch genommen wurde, liegen der Agentur bis Juli vor. 927 000 Menschen sei Kurzarbeit­ergeld gezahlt worden. In der Spitze der Corona-Pandemie waren es im April 2020 fast sechs Millionen.

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