Raus aus der CoronaUmklammerung
Die übliche Herbstbelebung fällt in diesem Jahr stärker aus als in den Vorjahren. Wie die Krise den Arbeitsmarkt deutlich verändert hat, warum nicht alle profitieren und was in Zukunft nötig sein wird
Nürnberg Dank einer kräftigen Herbstbelebung schüttelt der deutsche Arbeitsmarkt die Folgen der Corona-Pandemie allmählich ab. Nur noch etwa 200 000 der im September 2465000 Arbeitslosen seien auf die Krise zurückzuführen, sagte Vorstandsmitglied Daniel Terzenbach von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Die Vergleichszahl hatte schon einmal bei 650000 gelegen. Terzenbach machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Krise den Arbeitsmarkt verändert habe.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen – vor allem Ältere mit weniger Bildung – sei stark gestiegen. Mit knapp über einer Million liege sie um 40 Prozent über dem VorkrisenNiveau. Dagegen sei die Jugendarbeitslosigkeit so niedrig wie nie seit der Wiedervereinigung. „Der Erholungsprozess ist erheblich, erreicht aber nicht alle in gleichem Ausmaß“, sagte Terzenbach. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, die Tendenz sei insgesamt vielversprechend. Die Langzeitarbeitslosigkeit brauche jedoch besonderes Augenmerk. Die Auswirkungen der Pandemie zeigten sich dort besonders deutlich.
Im Vergleich zum August sank die Zahl der Arbeitslosen im September um 114000 - ein Absinken
diesem Monat ist wegen des Endes der Sommerferien, des Beginns der Ausbildungsverhältnisse und mehrerer anderer saisonaler Faktoren üblich. „Der Rückgang fällt in diesem Jahr deutlicher aus als üblicherweise in den Vorjahren“, sagte Terzenbach. Grund sei, dass nach dem Ende vieler Corona-Restriktionen Aufholprozesse in Gang gesetzt worden seien.
Die Zahl der Menschen ohne Job lag im September um 382000 niedriger als im September 2020 – damals waren die Folgen der Pandemie noch deutlicher spürbar. Die Quote sank seit August um 0,2 Punkte auf 5,4 Prozent. Zum Verin gleich: Im Vor-Corona-September 2019 lag sie bei 4,9 Prozent.
Im September setzte sich damit ein Trend fort, der in den Sommermonaten bereits zu beobachten war: Das Ende des Corona-Lockdowns führt zu teils saisonüblichen Belebungseffekten. So hat sich auch im September die Zahl der gemeldeten freien Stellen wieder erhöht – auf 799000, das sind 209000 mehr als vor einem Jahr – und auch mehr als vor Beginn der Corona-Krise, wie Terzenbach erklärte: „Wir sehen, dass die hohe Nachfrage nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voll angezogen hat.“
In einigen Branchen – vom Handwerk über das Gesundheitswesen bis zur Gastronomie – mache sich bereits ein eklatanter Fachkräftemangel bemerkbar, der durch die Transformation der Industrie verschärft wird – weniger qualifizierte Jobs würden weniger gebraucht, dafür herrsche ein Mangel an besser Qualifizierten. Um die Lücke zu schließen, müssten die Ressourcen im Inland – etwa bei der Qualifizierung von Arbeitslosen und gering qualifizierten Beschäftigten – ausgeschöpft werden, forderte der Experte.
Hinzu müsse vermehrte Zuwanderung kommen. „Wir müssen als Gesellschaft akzeptieren, dass wir dafür werben müssen“, sagte er auch an die Adresse einer neuen Bundesregierung gerichtet. VisaProzesse müssten vereinfacht, Sprachförderung intensiviert und die Anerkennung beruflicher Qualifikation beschleunigt werden.
Terzenbach forderte mehr finanzielle Anreize für Umschulung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sowie weniger Regulierung im Umgang mit Hartz-IV-Empfängern. Derzeit seien fast so viele Kräfte gebunden, um die Höhe des Arbeitslosengeldes zu berechnen, wie in der Vermittlung von Arbeitslosen. „Das Rückfordern von Beträgen in Höhe von 1,60 Euro entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Realität 2021“, sagte er.
Entspannung meldet die Bundesagentur bei der Kurzarbeit. Bis zum 26. September gingen Anzeigen für Kurzarbeit von 70 000 Personen ein. Corona sei inzwischen nicht mehr der Hauptgrund, sondern eher die Lieferengpässe in der Industrie. Daten, wie viel Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen wurde, liegen der Agentur bis Juli vor. 927 000 Menschen sei Kurzarbeitergeld gezahlt worden. In der Spitze der Corona-Pandemie waren es im April 2020 fast sechs Millionen.