Friedberger Allgemeine

„Ich stand plötzlich im Abseits“

Patricia Riekel war 20 Jahre lang die Chefredakt­eurin der Bunten, lernte den Papst, Bill Clinton oder Angela Merkel kennen. Jahrelang stand sie im Mittelpunk­t. Wie der Ruhestand sie kalt erwischte und was sie daraus lernte

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Riekel, Sie waren von 1996 bis 2016 Chefredakt­eurin des Magazins „Bunte“. Sie haben das Blatt aus den roten Zahlen geholt und vermutlich unfassbar viele Prominente getroffen. Nun haben Sie das Buch „Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin?“verfasst. Wie sehr litten Sie daran, dass Sie nicht mehr im Mittelpunk­t waren – wo Sie ja als Chefredakt­eurin so lange Zeit standen?

Patricia Riekel: Ich würde zwar nicht sagen, dass ich gelitten habe, das wäre mir zu dramatisch. Aber ich musste tatsächlic­h mit der Stille kämpfen, die entstanden war. Plötzlich brachen viele Kontakte ab, ich wurde nicht mehr so gehört wie zuvor. Ich hatte kein Forum mehr, in dem ich mich ausdrücken konnte. So wie früher in meinem wöchentlic­hen Editorial bei der Bunten. Es brach viel Struktur weg. Ich hatte das Gefühl: Die Welt dreht sich weiter – aber ich stand plötzlich im Abseits. Das war schwierig für mich.

Wie fühlten Sie sich am ersten Tag nach dem Ausscheide­n aus Ihrer Position? Was haben Sie konkret gemacht? Riekel: Ich weiß es noch, das war ein schöner Tag. Ich habe lange gefrühstüc­kt, lange Zeitung gelesen, bin lange mit dem Hund spazieren gegangen. Aber innerlich saß ich irgendwie wie auf Kohlen: Niemand rief mich an.

Das war wohl ein ziemliches Kontrastpr­ogramm. Schließlic­h waren sie es gewohnt, Menschen wie Bill Clinton, den Sie im Weißen Haus besuchten, Angela Merkel oder auch dem Papst persönlich zu begegnen – um nur einige Namen zu nennen. Welche Zukunftspl­äne haben Sie dann entwickelt und wie haben Sie diese umgesetzt? Riekel: Ich habe mich gefragt: Was mache ich gern? Nun, ich habe gerne Gäste. Da dachte ich: Ich mache ein Café auf, ein Hotel. Habe mir in München, wo ich lebe, sogar Pensionen angeschaut, mit Hoteliers gesprochen. Aber daraus wurde nichts. Dann habe ich euphorisch einen Malkurs belegt. Überlegte, ob ich mich bei der Tiertafel engagieren, Hundefutte­r verteilen soll. Doch ich stellte dann fest: Das alles entspricht mir ja gar nicht.

Klingt ein bisschen nach einer Sackgasse. Wie sind Sie da heraus gekommen?

Riekel: Ich habe mich auf das besonnen, was mich schon als Kind, als Jugendlich­e angetriebe­n hat. Sozusagen die Wiederentd­eckung meines früheren Ichs. Ich wollte schon früher schreiben, Schriftste­llerin, Dichterin werden. Und das war es dann. Ich habe festgestel­lt, dass ich weiter schreiben sollte.

Sie haben also den Journalist­innenFrau

Kugelschre­iber nicht ganz beiseitege­legt?

Riekel: Nein, ich schreibe auch heute noch als freie Journalist­in immer wieder Artikel, etwa für die Weltwoche. Oder eben das Buch, das ich nun veröffentl­icht habe. Es ist übrigens nicht so sehr als Ratgeber zu verstehen, sondern eher als Inspiratio­n für Menschen zum Thema Ruhestand.

Früher machten vor allem Männer Karriere, heute machen das auch viele Frauen. Inwiefern unterschei­den sich Ihrer Ansicht nach die beiden Geschlecht­er beim Ausscheide­n aus einer markanten berufliche­n Position? Riekel: Ich glaube, da gibt es einen gewaltigen Unterschie­d. Frauen sind in der Regel sozial besser aufgestell­t als Männer und haben ein Netzwerk aus Freundinne­n, haben mehr die Familie, auch die Nachbarn im Blick. Männer dagegen legen oft ihre ganze Energie darauf, ihre Karriere voranzutre­iben. Das ist aus meiner Sicht auch ein Grund dafür, dass Männer oft weiter kommen als Frauen. Frauen sind neben der Karriere auch andere Dinge wichtig. Darum verteilen sie ihre Energie anders. Wobei sich das insgesamt zu ändern scheint. Heute gibt es viele Männer, die einen ähnlichen Blick wie Frauen entwickeln. Als ich 20 war, hat man keinen Mann gesehen, der einen Kinderwage­n schiebt. Das ist heute zum Glück anders.

Riekel: Ich hatte damals beruflich viel in Mainz zu tun, aber eine große Sehnsucht nach Bayern. Ich hatte eine Freundin in Friedberg und besuchte eines Tages Augsburg. Ich bin dann einfach ins Verlagshau­s, das war damals noch mitten in der Stadt, hineingega­ngen und habe mich einfach bis zum Chefredakt­eur, das war damals Günter Holland, durchgefra­gt.

Und was geschah dann?

Riekel: Ich habe ihm gesagt, dass ich unbedingt in Augsburg für diese Zeitung arbeiten will und ob er einen Job für mich hat. Und er hatte einen. Eine Woche später durfte ich in der Stadtredak­tion anfangen. Ich blieb etwa ein Jahr, dann wurde ich abgeworben.

Abgeworben?

Riekel: Ja, das ist eine kleine Anekdote. Ich wurde zu einem Presseterm­in der Bundeswehr geschickt, wo man mit einer Maschinenp­istole schießen sollte. Das gehörte zum Programm des Termins. Ich hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehabt und war überrascht, wie schnell das Magazin leer war. Plötzlich sagte von hinten eine Stimme: Können Sie eigentlich auch etwas anderes als herumballe­rn?

Und was passierte dann?

Riekel: Ich drehte mich um und da stand ein Kerl, der glotzte mich unverhohle­n an. Ich sagte zu ihm: Hey Sie, ich schreibe nicht mit meinem Busen, ich schreibe mit meinen Händen. Das beeindruck­te den Mann offenbar sehr. Es war Heinz van Nouhuys, vormals Chefredakt­eur der Zeitschrif­t Quick und zu diesem Zeitpunkt Redaktions­direktor des Bauer Verlages, in dem die Quick erschien. So kam ich nach München. Das gab meiner Karriere eine völlig andere Richtung.

Haben Sie schon ein nächstes Projekt? Riekel: Ich möchte einen Beziehungs­ratgeber darüber schreiben, wie man ein Leben lang in einen Mann verliebt sein kann und wie man es schafft, dass er ein Leben lang in die Partnerin verliebt ist. Ich glaube, dass das sehr von der Frau abhängt. Für Männer ist eine Ehe eine Art Lebensgerü­st. Für Frauen geht es eher um die großen Gefühle.

Sie haben 1980 den Journalist­en Helmut Markwort kennengele­rnt, der in den Neunzigerj­ahren das Nachrichte­nmagazin Focus schuf, und sind seit vielen Jahren mit ihm liiert. Werden Sie für dieses Projekt aus den Erfahrunge­n dieser Beziehung schöpfen? Riekel: Ja, das möchte ich. Gleichzeit­ig möchte ich dazu noch sagen: Es ist für eine Frau auch wichtig, autark gegenüber dem Mann zu bleiben. Das war ich die ganzen Jahre. Ich habe immer mein eigenes Geld verdient. Interview: Markus Bär

● Patricia Riekel, 72, wuchs in Tutzing am Starnberge­r See auf. Nach der Schule volontiert­e sie von 1968 bis 1970 beim „Münchner Merkur“. Von 1996 bis 2016 war sie Chefredakt­eurin des Boulevard‰ magazins „Bunte“.

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Ein Porträtbil­d von Patricia Riekel, aktuell aufgenomme­n in ihrem Haus in München‰ Bogenhause­n.
Sie haben das Journalist­innen-Handwerk von der Pike auf gelernt und Anfang der 1970er Jahre auch bei unserer Zeitung gearbeitet. Wie kam es dazu?
Foto: Tobias Hase, dpa Ein Porträtbil­d von Patricia Riekel, aktuell aufgenomme­n in ihrem Haus in München‰ Bogenhause­n. Sie haben das Journalist­innen-Handwerk von der Pike auf gelernt und Anfang der 1970er Jahre auch bei unserer Zeitung gearbeitet. Wie kam es dazu?

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