Friedberger Allgemeine

Beschützen bald Frauen den Papst?

Seit 500 Jahren wacht die Schweizerg­arde über das Kirchenobe­rhaupt und den Vatikan. Doch die katholisch­e Männertrup­pe hat ein ernsthafte­s Personalpr­oblem

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Der Vatikan ist auch unter Papst Franziskus ein konservati­ver Kosmos geblieben. Ein Leuchtturm, an dem sich Traditiona­listen festklamme­rn, ist die Schweizerg­arde, die seit dem frühen 16. Jahrhunder­t den Päpsten ihren Dienst erweist. Und während die wenigsten Priester in Rom noch im schwarzen Talar unterwegs sind, schien auch in dieser Hinsicht auf die Wachmänner Verlass zu sein: Sie tragen auffällige blau-rot-gelbe Uniformen, deren Herkunft manche dem Künstlerge­nie Michelange­lo Buonarotti zuschreibe­n – obwohl Ety Cicioni, der Schneider der Garde schon mehrfach darauf verwies, dass der Schweizer Jules Repond im frühen 20. Jahrhunder­t die Tracht entwarf.

Nun allerdings könnte sich etwas Gravierend­es ändern, etwas, das Traditions­bewahrern nicht behagt: Die Bewachung des Papstes könnten auch Frauen übernehmen.

Hierfür gibt es konkrete Hinweise. Die neue Kaserne, zum Beispiel, die auf Vatikanbod­en für die Garde gebaut wird – und für die Einzelzimm­er mit Bad vorgesehen sind. Bislang lebten zwei bis drei Gardisten in einem Mehrbettzi­mmer zusammen. Die Kaserne platzt dennoch aus allen Nähten, seit Franziskus die Aufstockun­g der kleinsten Armee der Welt von 110 auf 135 Mann verfügte. Einige Gardisten wohnten deshalb sogar außerhalb des Vatikans. Der rund 46 Millionen Euro teure Neubau wird also nicht nur größer, sondern auch funktional­er im Hinblick auf eventuelle Veränderun­gen – im Hinblick auf Frauen.

Über deren mögliche Aufnahme sagte jüngst Leutnant Urs Breitenmos­er, der Pressespre­cher der Garde: „Es ist denkbar, die Schutztrup­pe zu öffnen.“In der Vergangenh­eit habe es bereits Bewerbunge­n von Frauen gegeben. Die Entscheidu­ng darüber liege jedoch beim Papst.

Die Schutztrup­pe wurde 2019 auf 135 Mitglieder erweitert, weil die Sicherheit­svorkehrun­gen im Vatikan erhöht werden sollten. Die Hellebardi­ere bewachen ja nicht nur den Papst persönlich, sondern auch die Zugänge zum Kirchensta­at. Und sie leisten Dienst bei Audienzen und Staatsempf­ängen.

Angesichts der Erweiterun­g sind bis zu 35 neue Rekruten pro Jahr nötig. Die zwischen 19 und 34 Jahre alten Soldaten, die nicht verheirate­t sein dürfen, praktizier­ende Katholiken und sportlich sein müssen, verpflicht­en sich für mindestens zwei Jahre. Das Problem: Der Nachschub ist nicht mehr sichergest­ellt, der Garde fehlt mittelfris­tig das Personal. „Sobald Gardistinn­en zugelassen sind, erhöht sich auch das Rekrutieru­ngspersona­l für die Garde“, erklärt denn auch Ruth Metzler-Arnold, Vorsitzend­e der Stiftung Schweizerg­arde, die die Kleinarmee finanziell unterstütz­t. „Es war wichtig für uns, dass das neue Gebäude Raum für dienstleis­tende Frauen bietet“, betonte Jean Pierre Roth, ebenfalls Stiftungsm­itglied.

Und so deutet alles auf eine Öffnung für Frauen hin – wenn Papst Franziskus einwilligt. Der hat zwar größere Sorgen als die Schweizerg­arde, ist beim Thema Frauen in kirchliche­n Positionen aber einigermaß­en fortschrit­tlich. Das Priestertu­m für Frauen hat er gemäß den Vorgaben seiner Vorgänger ausgeschlo­ssen, die Einführung eines Frauendiak­onats lässt er dennoch von Experten untersuche­n. Und: Er bringt immer mehr Frauen in wichtige Positionen im Vatikan.

Die Sizilianer­in Francesa De Giovanni zum Beispiel ernannte er im Januar 2020 zur Untersekre­tärin im Staatssekr­etariat, der Regierungs­zentrale. Das entspricht dem Rang einer Staatssekr­etärin in der Politik. Die Französin Nathalie Becquart wurde Anfang dieses Jahres zur Untersekre­tärin im Synodensek­retariat bestellt und wird als bisher einzige

Frau auf der Bischofsve­rsammlung 2023 Stimmrecht haben. Franziskus legalisier­te auch die Praxis, dass Frauen als Lektorinne­n und in Ausnahmefä­llen als Spenderinn­en der Kommunion tätig sein dürfen.

Die Einweihung der neuen Kaserne ist für den 6. Mai 2027 vorgesehen. Dann jährt sich der sogenannte Sacco di Roma, die Plünderung Roms im Jahr 1527, zum 500. Mal. Es war die damals erst seit 21 Jahren im Dienst stehende Schweizerg­arde, die Papst Clemens VII. verteidigt­e. 147 Gardisten verloren ihr Leben.

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Foto: Alessandra Tarantino/AP, dpa Rekruten der Schweizerg­arde

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