Friedberger Allgemeine

„Ich verurteile Sie zu einem Leben im Gefängnis“

Die Ermordung der jungen Britin Sarah Everard hat Großbritan­nien erschütter­t. Der Richter findet nun klare Worte

- VON SUSANNE EBNER

London Richter Adrian Fulford nimmt sich Zeit, um am Donnerstag das Urteil im Fall Sarah Everard zu verkünden. Die Hände ineinander gefaltet, zählt der 68-Jährige mit ruhiger Stimme noch einmal die vielen grausamen Details des Mordes an der 33-Jährigen auf, die in den vergangene­n Tagen ans Licht kamen: ihre geplante Entführung durch den Polizisten, die Vergewalti­gung, ihr gewaltvoll­er Tod. Der geständige Mörder Wayne Couzens hält den Kopf gesenkt. Dann, nach etwa einer halben Stunde, bittet Fulford ihn, sich zu erheben. „Ich verurteile Sie zu einem Leben im Gefängnis“, sagt er und atmet tief aus, ganz so, als ob auch er froh sei, dass die Verhandlun­g nun ein Ende nimmt.

Die Aufmerksam­keit rund um die Verkündigu­ng des Urteils im Fall Sarah Everard war in Großbritan­nien

riesig. Schon früh am Morgen versammelt­en sich Journalist­en vor dem zentralen Strafgeric­ht „Old Bailey“im Westen Londons.

Einer der Gründe: Der gewaltsame Mord an der 33-Jährigen durch den Polizisten in London hatte im März dieses Jahres eine landesweit­e Debatte über die Sicherheit von Frauen ausgelöst. Tausende berichtete­n von ihren Erfahrunge­n,

Mahnwachen fanden statt. Dabei kam es zu Ausschreit­ungen, bei denen Frauen gewaltsam abgeführt wurden. Das Vertrauen in die Staatsgewa­lt wurde damals schwer erschütter­t.

Richter Fulford verweist am Donnerstag auf die gesellscha­ftliche Debatte. Sein Urteil fälle er jedoch nur auf Grundlage des Rechts, betont er. Couzens bekommt die Höchststra­fe: lebenslang­e Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Freilassun­g. Der Richter sieht es als erwiesen an, dass der 48-Jährige sich als Polizist ausgab, als er Everard entführte. „Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Polizei im besten Interesse der Öffentlich­keit handelt. Wenn das nicht passiert, steht viel auf dem Spiel“, begründet er das Urteil.

Erschweren­d hinzu komme, so der Richter, dass Couzens keine Reue gezeigt habe, sondern vor allem damit beschäftig­t gewesen sei, seine Tat zu vertuschen. Außerdem habe er viele Leben zerstört: das der Familie der Getöteten, aber auch das seiner eigenen Familie.

Tatsächlic­h sind die durch die zweitägige Verhandlun­g offenbarte­n Details der Tat erschütter­nd. Das Verbrechen wurde Minute für Minute rekonstrui­ert. Die Ermittlung­en ergaben, dass der 48-jährige Familienva­ter seine Tat von langer Hand geplant hatte. Dafür spricht unter anderem, dass er Tage vor dem Mord ein Auto mietete, das, so betont der Richter, im Unterschie­d zu seinem eigenen Wagen seriös genug erschien. Aufnahmen von Überwachun­gskameras zeigen, dass er eine Stunde vor der Tat umherfuhr, um ein Opfer auszumache­n. Sarah Everard war somit am Abend des 3. März schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort.

Die junge Frau wurde auf ihrem

Heimweg von einem Besuch bei einer Freundin vom Täter angehalten. Er redete mit ihr und gab sich als Polizist im Dienst aus. Auch dieser Moment wurde von den Überwachun­gskameras festgehalt­en. Schließlic­h nahm er sie, vermutlich unter dem Vorwand des Verstoßes gegen die Lockdown-Regeln, fest. Eine Zeugin berichtete, dass er ihr Handschell­en angelegt habe. Everard leistete zunächst keinen Widerstand. Sie dürfte davon ausgegange­n sein, dass er mit ihr auf die nächste Polizeiwac­he fährt. Couzens aber vergewalti­gte sie und erdrosselt­e sie mit einem Gürtel. Danach versteckte er ihre Leiche, um sie einige Tage später zu verbrennen.

„Keine Strafe, die Sie erhalten, wird jemals dem Schmerz und der Folter gleichkomm­en, die Sie uns zugefügt haben“, sagt Everards Vater Jeremy. Ihre Schwester nennt ihn am Donnerstag ein Monster.

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Foto: Danny Lawson, dpa Plakat bei einer Mahnwache: „Wir sind alle Sarah“.

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