Bach gedankentief
Linus Roth mit Solo-Violinsonaten
Man muss Corona nicht kleinreden wollen, um wahrzunehmen, dass die Zeit des Lockdowns bei einigen Künstlern auch Positives hervorbrachte. Der Geiger Linus Roth etwa hat die Phase untersagter Livekonzerte dazu genutzt, ein Projekt zu realisieren, das man nicht so einfach aus dem Handgelenk schüttelt, für das man Ruhe und Konzentration braucht: die Aufnahme der Bach’schen Solo-Violinsonaten. Eine Musik von unerschöpflicher Gedankentiefe, deren Realisation dem Interpreten geradezu die Quadratur des Kreises abverlangt: Konzipierte Bach doch polyphone Musik, die auf einem Instrument herzustellen ist, das für lineare Einstimmigkeit vorgesehen ist. Was nicht nur das berüchtigt heikle Akkordspiel auf der Violine erfordert, sondern auch das kaum weniger schwierige Herausarbeiten jener innerlich mitzuhörenden Mehrstimmigkeit, die Bach auch in die rein linearen Abschnitte eingeflochten hat. Linus Roth, neben seiner Konzerttätigkeit auch ViolinProfessor in Augsburg, weiß um all diese Anforderungen, er ist von Kindesbeinen an mit diesen Werken vertraut. Das merkt man seinen bis ins Detail durchgeformten Interpretationen der drei Sonaten an, und die Vertrautheit verschafft dem Geiger Souveränität. Roth denkt gar nicht daran, die gerade für moderne Instrumente immensen Schwierigkeiten glätten zu wollen. Er transformiert das künstlerische Ringen zum Spiegel musikalischer Gedankenhöhe, konzeptionell durchgeführt auch an weiteren Parametern wie der kraftvoll-sehnigen Tonbildung, die Schönheit selbst dort in sich trägt, wo sie herb anmutet. Ein überzeugendes Album, auch in der Aufnahmequalität und der Booklet-Beigabe. Auf Teil zwei der „Sei solo“, der Bach’schen Solo-Violinmusik, auf Roths Interpretation der drei Partiten (enthaltend die berühmte d-Moll-Chaconne), wird man nicht lange warten müssen. ★★★★✩
(Evil Penguin)