Was darf’s sein: Natur, Kultur oder Städtetrip?
Bei Herbstwetter lässt sich wunderbar die Region erkunden. Etwa bei einem Spaziergang entlang des Lechs mit abschließender Einkehr, auf den Spuren berühmter Kirchenbaumeister oder bei einem Abstecher in die schöne Nachbarstadt Friedberg
Einen schönen Herbsttag sollte man sich hierfür schon reservieren: Wer an den meist grünen Lech und in das grüne Band der ihn umgebenden Flussaue möchte, braucht Zeit und gutes Wetter. Die „An- und Abreise“funktioniert ökologisch korrekt mit Tram und Bus. Tour-Ouvertüre ist die mit der 6er-Tram zu erreichende Hochzoller Lechbrücke, von deren nicht immer friedlichen Historie eine Info-Stele erzählt. Auf die Ostseite des Lech sich orientierend, ist man bald am Hochablass, der nach einem schlimmen Hochwasser 1910 wiedererrichtet wurde und der zu Augsburg gehört wie der Perlachturm und das Rathaus. Er symbolisiert ein Stück unserer heimatlichen Identität.
Den Hochablass überquerend, geht man jetzt den unmittelbaren westlichen Uferweg, der einen – nach Süden gehend – zum Alten Floßhafen führt. Eine Info-Tafel weist auf dessen frühere Bedeutung hin. Großartig war diese aber nicht: Es wurde damals nämlich recht viel Geld in den Sand gesetzt. Mit dem HochablassNeubau ab 1910 wurde er im Grunde genommen gar nicht mehr gebraucht, denn nach dem Ersten Weltkrieg kam die Flößerei in Augsburg völlig zum Erliegen. Gegen die aufkommenden Eisenbahnen kam sie nicht mehr an. Doch zurück zur Sommertour: Nach dem Erreichen der zweiten Lechschwelle biegt man auf den Dammweg ab.
Nach etwa einem halben Kilometer erreicht man den beschilderten Wirtschaftsweg nach Haunstetten und kommt bald an eine für die Stadt noch im 19. Jahrhundert wichtige strategische Stelle: den SebastianAnstich. Sein Lech-Auslauf war sozusagen ein Bruder des Lochbaches, der schon seit dem Mittelalter aus dem Lech im Bereich der heutigen Staustufe 23 abgeleitet wird. Auch hier wird man durch eine Info-Tafel aufgeklärt. Am Sebastiantag des Jahres 1823 wurde dieser Anstich fertiggestellt und das kostbare Nass nach Augsburg geleitet. Doch immer mehr mäanderte der Lech nach Osten, so dass er nach mehreren Anpassungen 1924 stillgelegt werden musste.
Weiter westlich gehend und recht beeindruckend am Weg gelegen, kommt ein ökologisches Highlight in Sicht: Es ist die Siebenbrunner Schießplatzheide, eine der bedeutendsten Heideflächen Süddeutschlands. Das 65 Hektar große Freiareal war über 100 Jahre lang – bis 1983 – als Schießplatz in den Händen der Militärs. Vom königlich-bayerischen Infanteristen bis zum GI aus Texas oder Alabama war hier alles vertreten. Besonders angetan ist der Augsburger Naturforscher Eberhard Pfeuffer von den sich hier wohlfühlenden Spitzorchideen: „Sie blühen sonst nirgends in ganz Europa so dunkel wie hier.“Die „Lech-Expedition“endet schließlich an der Haunstetter Pfarrkirche St. Georg, von wo der 24er-swa-Bus wieder zur Endhaltestelle der 2er-Tram fährt. Es sind knapp zehn Kilometer, die man jetzt per pedes gemütlich in drei Stunden genießen konnte. Im Übrigen ist zum Ausklang der Wanderung eine Einkehr im Haunstetter Traditions-Wirtshaus „Settele“durchaus zu empfehlen...
Auf einem nicht einmal zwei Kilometer langen Fußmarsch eröffnet sich beinahe lehrbuchmäßig ein durch die Jahrhunderte gehender Weg entlang der deutschen Kirchenarchitektur. Alles beginnt mit einem berühmten Namen: Es war der Urgroßonkel des „Halb-Augsburgers“Amadé Mozart, der Barockbaumeister Hans Georg Mozart, der sich 1682 bis 1685 sich beim Neubau von St. Michael im Herzen des alten Pfersee verewigte. Der Herr Bischöfliche Oberbaudirektor konnte sich aber nicht um alles kümmern. Nur den schwierigsten Bauabschnitt übernahm der Chef selbst: Die vom Vorgängerkirchlein übriggebliebene romanische Turmbasis wurde von ihm in den neuen achteckigen Barockturm integriert. Den „Rest“musste dann die liebe Kollegenschaft erledigen. Fleißig war er aber schon, der Chef der hohen Augsburger Domkapitel-Bauadministration, was bei einem Kirchenrundgang durch die Stadt deutlich wird.
So trug jener Mozart auch die Verfür den Umbau der Fuggerei und von Schloss Wellenburg. Und er errichtete unter anderem Gut Mergenthau, das Konventgebäude von St. Georg und das Stadtberger Bräuhaus. Es mag gut sein, dass sein künstlerisches Esprit seinem genialen Nachfahren zugutekam. Einen guten Steinwurf von der „Mozartturmkirche“entfernt, kommen wir zur 1907 bis 1910 erbauten Herz-Jesu-Kirche, die das zu klein gewordene St. Michael ablöste. Dieses durfte aber als Filialkirche weiter seine frommen Dienste anbieten. Jedenfalls ging 1910 eine ortshistorische Epoche zu Ende. Immerhin gehörte bis 1746 selbst Stadtbergen zu seinem Sprengel. Mit dem Neubau von Herz Jesu wurde der in Göggingen ansässige Architekt Michael Kurz beauftragt. Er zählte zu den führenden Kirchenarchitekten des 20. Jahrhunderts in
Deutschland. Bis zum Professor der Bildenden Künste brachte es der Gastwirtssohn aus Außernzell bei Deggendorf. Zur Avantgarde eines neuen Kirchenbaustils gehörend, gestaltete er - die damals vorherrschende und das Außenschiff von Herz Jesu noch prägende Neuromanik verlassend - den Innenraum bereits mit Elementen des neu aufkommenden Jugendstils, die ihresgleichen wohl in ganz Süddeutschland suchen. Eine gute Idee hatte übrigens vor einigen Jahren der Gögginger Geschichtskreis: Er veranlasste, dass der Grabstein der auf dem Gögginger Friedhof aufgelassenen Ruhestätte des 1947 verstorbenen Architekten ein gutes Plätzchen auf der Nordseite „seiner“Kirche fand. Einen Namen machte sich Michael Kurz auch durch den Neubau des niederbayerischen Klosters Schweiklberg. Auch konziantwortung pierte er den Jugendstil-Erweiterungsflügel von Kloster St. Ottilien.
Allein in Augsburg verantwortete er zehn kirchliche Neu- bzw. Erweiterungsmaßnahmen. Gleichsam den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens erreichte er mit dem Bau von St. Anton im an Pfersee angrenzenden Thelottviertel und fast in Sichtweite von Herz Jesu. Viel Aufsehen - aber auch Kritik - fand die Verwendung von Klinkersteinen norddeutscher Herkunft und von Eisenbeton. Gewöhnungsbedürftig war alles: Selbst die Fassadenmaurer kamen aus Hamburg. Doch heute besteht Einigkeit darüber, dass der Sakralbau am Wittelsbacher Park auch wegen des gediegene Festlichkeit ausstrahlenden Innenraumes bahnbrechend für die moderne deutsche Kirchenarchitektur ist. So schließt sich der Kreis: von der mit romanischen Wurzeln versehenen Barockkirche zur Moderne. Ein „Luxus“, der uns eine kleine Stadttour wert sein sollte.
Zuletzt im Zuge der LandkreisGebietsreform 1972 versuchten die Augsburger es nochmals: Die alte Wittelsbacher Herzogstadt Friedberg nach Augsburg „einzuverleiben“. Bescheidener – aber ebenso erfolglos – waren sie in der NS-Zeit und gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenigstens das direkt an Augsburg angrenzende FriedbergWest sollte unter die rot-grün-weiße Zirbelnussfahne kommen. Die Begehrlichkeiten der Augsburger, der schönen Nachbarin vom Lechrain sozusagen ganz nahe zu kommen, sind ein klein wenig nachvollziehbar. Im Übrigen gibt es ja schon ein wenig Augsburgerisches in Friedberg.
Die kleine barocke Wallfahrtskapelle
Maria Alber unweit der Stadtgrenze ist bereits – wenigstens kirchlich – mit Hochzoll liiert. Und dann erfreuen wir uns an einem netten interkommunalen Zusammenspiel: Von der Brüstung oberhalb des Friedberger Berges hat man den schönsten Blick auf Augsburg. Viele Gründe sind es also, die zu einem Besuch Friedbergs einladen. Es müssen ja nicht immer Möbelhäuser und Einkaufszentren sein. Ein echter Hingucker ist das gerade wieder auf Vordermann gebrachte Wittelsbacher Schloss im Spätrenaissance-Stil aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. 23 Millionen Euro war dessen Sanierung den Friedbergern wert. Der Besuch des dort neu konzipierten Museums sollte ein Muss sein.
Echte Pretiosen sind hier auszumachen. Ganz vorne weg kostbare Fayenceunikate und kunstvolle Uhren. Alles Made in Friedberg. Und dann besuchen wir eines der bedeutendsten Werke des Bayerischen Rokoko. Es geht um die 1731 bis 1753 errichtete Wallfahrtskirche Herrgottsruh. Die damals besten Künstler des Landes verewigten sich dort: die Stuckateure Franz und Johann Feichtmayer, der Freskenmaler Cosmos Asam und der Architekt Johann Ettl. Schlau waren sie schon, die Friedberger: Als die Kurbaiern 1802/1803 im Zuge der Säkularisation die Kirche dem Erdboden gleichmachen wollten, widmeten sie diese um in eine Friedhofskapelle und rückten zudem in der Residenzstadt mit einem Sack voller Geld an.
Geholfen wird vor allem letzteres haben. Und jedenfalls wird Herrgottsruh zur schönsten Friedhofskapelle des Landes geworden sein. Bei unserer Stadttour dürfen wir die anfangs der 1870er-Jahre entstandene neoromanische St.-Jakobs-Kirche inmitten der vorbildlich gestalteten Altstadt nicht vergessen. Sie ist baugleich mit San Zeno in Verona und mit Apollinare in Classe zu Ravenna. Italienisches Flair lässt am Lechrain grüßen. Auch haben die verehrtesten Stadträtinnen und Stadträte ein standesgemäßes Domizil: Sie residieren in einem imposanten Renaissancebau des 17. Jahrhunderts. Diesen erdachte ein gelehriger Schüler des Augsburger Stadtbaumeisters Elisas Holl, was natürlich nie und nimmer dazu führen wird, dass über irgendwelche territorialen Gedankenspiele zu sinnieren wäre. . .
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Zur Person: Autor Heinz Münzenrieder war in der Stadtverwaltung als Stadtdi rektor tätig. Hier präsentiert er in loser Rei henfolge Herbsttouren durch Augsburg und die Region – zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln.