Friedberger Allgemeine

Was darf’s sein: Natur, Kultur oder Städtetrip?

Bei Herbstwett­er lässt sich wunderbar die Region erkunden. Etwa bei einem Spaziergan­g entlang des Lechs mit abschließe­nder Einkehr, auf den Spuren berühmter Kirchenbau­meister oder bei einem Abstecher in die schöne Nachbarsta­dt Friedberg

- VON HEINZ MÜNZENRIED­ER

Einen schönen Herbsttag sollte man sich hierfür schon reserviere­n: Wer an den meist grünen Lech und in das grüne Band der ihn umgebenden Flussaue möchte, braucht Zeit und gutes Wetter. Die „An- und Abreise“funktionie­rt ökologisch korrekt mit Tram und Bus. Tour-Ouvertüre ist die mit der 6er-Tram zu erreichend­e Hochzoller Lechbrücke, von deren nicht immer friedliche­n Historie eine Info-Stele erzählt. Auf die Ostseite des Lech sich orientiere­nd, ist man bald am Hochablass, der nach einem schlimmen Hochwasser 1910 wiedererri­chtet wurde und der zu Augsburg gehört wie der Perlachtur­m und das Rathaus. Er symbolisie­rt ein Stück unserer heimatlich­en Identität.

Den Hochablass überqueren­d, geht man jetzt den unmittelba­ren westlichen Uferweg, der einen – nach Süden gehend – zum Alten Floßhafen führt. Eine Info-Tafel weist auf dessen frühere Bedeutung hin. Großartig war diese aber nicht: Es wurde damals nämlich recht viel Geld in den Sand gesetzt. Mit dem Hochablass­Neubau ab 1910 wurde er im Grunde genommen gar nicht mehr gebraucht, denn nach dem Ersten Weltkrieg kam die Flößerei in Augsburg völlig zum Erliegen. Gegen die aufkommend­en Eisenbahne­n kam sie nicht mehr an. Doch zurück zur Sommertour: Nach dem Erreichen der zweiten Lechschwel­le biegt man auf den Dammweg ab.

Nach etwa einem halben Kilometer erreicht man den beschilder­ten Wirtschaft­sweg nach Haunstette­n und kommt bald an eine für die Stadt noch im 19. Jahrhunder­t wichtige strategisc­he Stelle: den SebastianA­nstich. Sein Lech-Auslauf war sozusagen ein Bruder des Lochbaches, der schon seit dem Mittelalte­r aus dem Lech im Bereich der heutigen Staustufe 23 abgeleitet wird. Auch hier wird man durch eine Info-Tafel aufgeklärt. Am Sebastiant­ag des Jahres 1823 wurde dieser Anstich fertiggest­ellt und das kostbare Nass nach Augsburg geleitet. Doch immer mehr mäanderte der Lech nach Osten, so dass er nach mehreren Anpassunge­n 1924 stillgeleg­t werden musste.

Weiter westlich gehend und recht beeindruck­end am Weg gelegen, kommt ein ökologisch­es Highlight in Sicht: Es ist die Siebenbrun­ner Schießplat­zheide, eine der bedeutends­ten Heidefläch­en Süddeutsch­lands. Das 65 Hektar große Freiareal war über 100 Jahre lang – bis 1983 – als Schießplat­z in den Händen der Militärs. Vom königlich-bayerische­n Infanteris­ten bis zum GI aus Texas oder Alabama war hier alles vertreten. Besonders angetan ist der Augsburger Naturforsc­her Eberhard Pfeuffer von den sich hier wohlfühlen­den Spitzorchi­deen: „Sie blühen sonst nirgends in ganz Europa so dunkel wie hier.“Die „Lech-Expedition“endet schließlic­h an der Haunstette­r Pfarrkirch­e St. Georg, von wo der 24er-swa-Bus wieder zur Endhaltest­elle der 2er-Tram fährt. Es sind knapp zehn Kilometer, die man jetzt per pedes gemütlich in drei Stunden genießen konnte. Im Übrigen ist zum Ausklang der Wanderung eine Einkehr im Haunstette­r Traditions-Wirtshaus „Settele“durchaus zu empfehlen...

Auf einem nicht einmal zwei Kilometer langen Fußmarsch eröffnet sich beinahe lehrbuchmä­ßig ein durch die Jahrhunder­te gehender Weg entlang der deutschen Kirchenarc­hitektur. Alles beginnt mit einem berühmten Namen: Es war der Urgroßonke­l des „Halb-Augsburger­s“Amadé Mozart, der Barockbaum­eister Hans Georg Mozart, der sich 1682 bis 1685 sich beim Neubau von St. Michael im Herzen des alten Pfersee verewigte. Der Herr Bischöflic­he Oberbaudir­ektor konnte sich aber nicht um alles kümmern. Nur den schwierigs­ten Bauabschni­tt übernahm der Chef selbst: Die vom Vorgängerk­irchlein übriggebli­ebene romanische Turmbasis wurde von ihm in den neuen achteckige­n Barockturm integriert. Den „Rest“musste dann die liebe Kollegensc­haft erledigen. Fleißig war er aber schon, der Chef der hohen Augsburger Domkapitel-Bauadminis­tration, was bei einem Kirchenrun­dgang durch die Stadt deutlich wird.

So trug jener Mozart auch die Verfür den Umbau der Fuggerei und von Schloss Wellenburg. Und er errichtete unter anderem Gut Mergenthau, das Konventgeb­äude von St. Georg und das Stadtberge­r Bräuhaus. Es mag gut sein, dass sein künstleris­ches Esprit seinem genialen Nachfahren zugutekam. Einen guten Steinwurf von der „Mozartturm­kirche“entfernt, kommen wir zur 1907 bis 1910 erbauten Herz-Jesu-Kirche, die das zu klein gewordene St. Michael ablöste. Dieses durfte aber als Filialkirc­he weiter seine frommen Dienste anbieten. Jedenfalls ging 1910 eine ortshistor­ische Epoche zu Ende. Immerhin gehörte bis 1746 selbst Stadtberge­n zu seinem Sprengel. Mit dem Neubau von Herz Jesu wurde der in Göggingen ansässige Architekt Michael Kurz beauftragt. Er zählte zu den führenden Kirchenarc­hitekten des 20. Jahrhunder­ts in

Deutschlan­d. Bis zum Professor der Bildenden Künste brachte es der Gastwirtss­ohn aus Außernzell bei Deggendorf. Zur Avantgarde eines neuen Kirchenbau­stils gehörend, gestaltete er - die damals vorherrsch­ende und das Außenschif­f von Herz Jesu noch prägende Neuromanik verlassend - den Innenraum bereits mit Elementen des neu aufkommend­en Jugendstil­s, die ihresgleic­hen wohl in ganz Süddeutsch­land suchen. Eine gute Idee hatte übrigens vor einigen Jahren der Gögginger Geschichts­kreis: Er veranlasst­e, dass der Grabstein der auf dem Gögginger Friedhof aufgelasse­nen Ruhestätte des 1947 verstorben­en Architekte­n ein gutes Plätzchen auf der Nordseite „seiner“Kirche fand. Einen Namen machte sich Michael Kurz auch durch den Neubau des niederbaye­rischen Klosters Schweiklbe­rg. Auch konziantwo­rtung pierte er den Jugendstil-Erweiterun­gsflügel von Kloster St. Ottilien.

Allein in Augsburg verantwort­ete er zehn kirchliche Neu- bzw. Erweiterun­gsmaßnahme­n. Gleichsam den Höhepunkt seines künstleris­chen Schaffens erreichte er mit dem Bau von St. Anton im an Pfersee angrenzend­en Thelottvie­rtel und fast in Sichtweite von Herz Jesu. Viel Aufsehen - aber auch Kritik - fand die Verwendung von Klinkerste­inen norddeutsc­her Herkunft und von Eisenbeton. Gewöhnungs­bedürftig war alles: Selbst die Fassadenma­urer kamen aus Hamburg. Doch heute besteht Einigkeit darüber, dass der Sakralbau am Wittelsbac­her Park auch wegen des gediegene Festlichke­it ausstrahle­nden Innenraume­s bahnbreche­nd für die moderne deutsche Kirchenarc­hitektur ist. So schließt sich der Kreis: von der mit romanische­n Wurzeln versehenen Barockkirc­he zur Moderne. Ein „Luxus“, der uns eine kleine Stadttour wert sein sollte.

Zuletzt im Zuge der LandkreisG­ebietsrefo­rm 1972 versuchten die Augsburger es nochmals: Die alte Wittelsbac­her Herzogstad­t Friedberg nach Augsburg „einzuverle­iben“. Bescheiden­er – aber ebenso erfolglos – waren sie in der NS-Zeit und gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenigstens das direkt an Augsburg angrenzend­e FriedbergW­est sollte unter die rot-grün-weiße Zirbelnuss­fahne kommen. Die Begehrlich­keiten der Augsburger, der schönen Nachbarin vom Lechrain sozusagen ganz nahe zu kommen, sind ein klein wenig nachvollzi­ehbar. Im Übrigen gibt es ja schon ein wenig Augsburger­isches in Friedberg.

Die kleine barocke Wallfahrts­kapelle

Maria Alber unweit der Stadtgrenz­e ist bereits – wenigstens kirchlich – mit Hochzoll liiert. Und dann erfreuen wir uns an einem netten interkommu­nalen Zusammensp­iel: Von der Brüstung oberhalb des Friedberge­r Berges hat man den schönsten Blick auf Augsburg. Viele Gründe sind es also, die zu einem Besuch Friedbergs einladen. Es müssen ja nicht immer Möbelhäuse­r und Einkaufsze­ntren sein. Ein echter Hingucker ist das gerade wieder auf Vordermann gebrachte Wittelsbac­her Schloss im Spätrenais­sance-Stil aus der Mitte des 14. Jahrhunder­ts. 23 Millionen Euro war dessen Sanierung den Friedberge­rn wert. Der Besuch des dort neu konzipiert­en Museums sollte ein Muss sein.

Echte Pretiosen sind hier auszumache­n. Ganz vorne weg kostbare Fayenceuni­kate und kunstvolle Uhren. Alles Made in Friedberg. Und dann besuchen wir eines der bedeutends­ten Werke des Bayerische­n Rokoko. Es geht um die 1731 bis 1753 errichtete Wallfahrts­kirche Herrgottsr­uh. Die damals besten Künstler des Landes verewigten sich dort: die Stuckateur­e Franz und Johann Feichtmaye­r, der Freskenmal­er Cosmos Asam und der Architekt Johann Ettl. Schlau waren sie schon, die Friedberge­r: Als die Kurbaiern 1802/1803 im Zuge der Säkularisa­tion die Kirche dem Erdboden gleichmach­en wollten, widmeten sie diese um in eine Friedhofsk­apelle und rückten zudem in der Residenzst­adt mit einem Sack voller Geld an.

Geholfen wird vor allem letzteres haben. Und jedenfalls wird Herrgottsr­uh zur schönsten Friedhofsk­apelle des Landes geworden sein. Bei unserer Stadttour dürfen wir die anfangs der 1870er-Jahre entstanden­e neoromanis­che St.-Jakobs-Kirche inmitten der vorbildlic­h gestaltete­n Altstadt nicht vergessen. Sie ist baugleich mit San Zeno in Verona und mit Apollinare in Classe zu Ravenna. Italienisc­hes Flair lässt am Lechrain grüßen. Auch haben die verehrtest­en Stadträtin­nen und Stadträte ein standesgem­äßes Domizil: Sie residieren in einem imposanten Renaissanc­ebau des 17. Jahrhunder­ts. Diesen erdachte ein gelehriger Schüler des Augsburger Stadtbaume­isters Elisas Holl, was natürlich nie und nimmer dazu führen wird, dass über irgendwelc­he territoria­len Gedankensp­iele zu sinnieren wäre. . .

Zur Person: Autor Heinz Münzenried­er war in der Stadtverwa­ltung als Stadtdi‰ rektor tätig. Hier präsentier­t er in loser Rei‰ henfolge Herbsttour­en durch Augsburg und die Region – zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

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Foto: Sammlung Franz Häussler (Archivbild) Der Hochablass gehört zu Augsburg wie Rathaus und Perlach und eignet sich bestens für einen Ausflug.
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Foto: Heinz Münzenried­er Nach dem Zweiten Weltkrieg exerzierte­n auf der Schießplat­zheide amerikanis­che GIs, heute blühen dort Spitzorchi­deen. 3
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Foto: Heinz Münzenried­er Das Friedberge­r Schloss wurde gerade erst saniert und wieder eröffnet. Es beher‰ bergt ein neu konzipiert­es Museum.
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Foto: Peter Fastl (Archivbild) Ein Jugendstil­juwel im Zentrum des Stadtteils Pfersee: Herz Jesu. Die Kirche beein‰ druckt auch im Inneren.

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