Staatsanwaltschaft ermittelt in Seniorenheim
Grund ist eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die einstige Leitung. Der neue Chef hat jetzt Bewohner aus einem zwangsgeschlossenen Heim in Schliersee aufgenommen
Die Seniorenresidenz Schliersee steht seit Langem in den Schlagzeilen. Unter anderem ermittelt die Staatsanwaltschaft München dort wegen des Verdachts auf Körperverletzung in 88 Fällen. Jetzt schließt das oberbayerische Pflegeheim seine Pforten. Informationen des Bayerischen Rundfunks, dass ein Teil der Bewohnerinnen und Bewohner in Augsburg eine neue Bleibe gefunden hat, bestätigt Ulrich van Heugten. Er ist Leiter des Seniorenheims Ebnerstraße im Stadtteil Oberhausen. Nach seinen Worten hat das Haus 14 pflegebedürftige Frauen und Männer aus Schliersee aufgenommen, jedoch kein Personal von dort. In seiner Einrichtung mit rund 140 Plätzen in Vollauslastung habe es dafür Kapazitäten gegeben. Das dürfte allerdings
der einzige Grund für die Aufnahme gewesen sein.
Beide Häuser haben denselben Träger, die S.O. Nursing Homes GmbH, die wiederum zu einem italienischen Konzern gehört, der vor allem im Norden des Landes zahlreiche Senioreneinrichtungen betreibt. Der gelernte Krankenpfleger van Heugten kennt das Heim in Schliersee, weil er dort Mitte 2020 nach Bekanntwerden der Missstände für einige Monate interimsweise als freiberuflicher Heimleiter tätig war. Nun sei er beim Träger angestellt und habe im Februar 2021 die Einrichtung in Augsburg übernommen.
Dass das Haus ebenfalls seit einigen Monaten im Visier der Staatsanwaltschaft steht, hängt mit einem Vorfall vor seiner Zeit zusammen. Die Augsburger Staatsanwaltschaft bestätigt ein Ermittlungsverfahren gegen eine ehemalige Heimleitung und eine einstige Pflegedienstleitung in dem Oberhauser Heim wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Wie Andreas Dobler, Pressesprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft, auf Nachfrage berichtet, wurde im März vergangenen Jahres aus dem familiären Umfeld einer damaligen Heimbewohnerin Anzeige erstattet. Offenbar ging es um Hygieneund Pflegemängel während des Aufenthaltes der Seniorin. Die betagte Frau, die im Jahr 1929 geboren war, ist inzwischen außerhalb des Heims gestorben. Laut Oberstaatsanwalt Dobler war die Anzeige bereits vor ihrem Tod eingegangen. Die Ermittler prüfen, ob zu der Zeit, in der die Seniorin im Heim lebte, auf strafrechtlich relevante Weise gegen Hygiene- und Pflegevorgaben verstoßen wurde. Bei der Staatsanwaltschaft wird damit gerechnet, dass die Ermittlungen bis zum Ende des Jahres
abgeschlossen werden können. Ulrich van Heugten kann zu dem konkreten Fall nichts sagen. Er betont jedoch, dass er mit der städtischen Heimaufsicht im regelmäßigen Austausch stehe und die erforderliche Fachkräftequote von mindestens 50 Prozent in seiner Einrichtung erfüllt werde. Den „engen Kontakt mit der Hausleitung“bestätigt auch Augsburgs Gesundheitsreferent Reiner Erben, dem aktuell „keine Auffälligkeiten“in dem Pflegeheim bekannt sind. Neben der Stadt ist auch der Medizinische Dienst Bayern (MD) regelmäßig in der Ebnerstraße zu Besuch. Im öffentlich einsehbaren Bericht der jüngsten Regelprüfung vom vergangenen Herbst sind keine größeren Mängel festgehalten. In drei Kategorien habe es teilweise moderate Qualitätsdefizite gegeben, so der MD. Anders als bei erheblichen oder schwerwiegenden Qualitätsdenicht fiziten habe man hier keine Maßnahmen veranlassen müssen.
Ganz im Gegensatz von vor zehn Jahren. Damals ergaben Prüfungen der Heimaufsicht Missstände in der Pflege und eklatanten Personalmangel. Das städtische Gesundheitsamt erließ daraufhin Auflagen für das erst 2009 eröffnete Haus, nämlich einen Aufnahmestopp, eine Reduzierung der Plätze und Einstellung von Personal. Dass es nicht einfach ist, Personal zu finden, räumt auch van Heugten ein. Das sei allerdings ein trägerübergreifendes Problem.
Die Einrichtung in der Ebnerstraße bietet günstige Heimgebühren, die teilweise erheblich unter denen anderer Träger liegen. Generell gehen Branchenkenner davon aus, dass sich derartige Konditionen in der einen oder anderen Weise auf die Qualität des Heimaufenthalts auswirken müssen.