Friedberger Allgemeine

Autofahrer­in bringt bei Irrfahrt Menschen in Gefahr

Eine 29-Jährige fühlt sich verfolgt, rast mit dem Auto durch den Landkreis bis in die Stadt. In Augsburg kann sich ein Mann noch mit einem Sprung zur Seite retten. Nun landete der Fall vor Gericht

- VON PHILIPP KINNE

Es ist ein Tag im August des vergangene­n Jahres. Kurz nach fünf Uhr rast eine damals 29-Jährige aus dem westlichen Landkreis Augsburg in Richtung Stadt. Mit ihrem VW Tiguan schneidet die Fahrerin auf ihrer Irrfahrt mehrere andere Autos, rammt sie oder drängt sie von der Straße. Erst nach etwa 25 Kilometern bleibt der schwerbesc­hädigte VW endlich stehen. Die Bilanz: Zwei Leichtverl­etzte, mehrere demolierte Autos und mehr als 100.000 Euro Sachschade­n. Nun landete der Fall vor Gericht. Weil die Frau damals psychisch krank war, gilt sie als schuldunfä­hig.

Selbst konnte sie sich vor Gericht nicht mehr im Detail an die Irrfahrt erinnern. Nur so viel: Sie habe sich verfolgt gefühlt. Wollte unbedingt schnell zu ihrer Freundin nach Augsburg. Im völligen Wahn habe sie sich ins Autos gesetzt und sei frühmorgen­s losgefahre­n – ohne Rücksicht auf andere. Wie ein Polizist vor Gericht aussagte, habe die Frau nach der Unfallseri­e laut geschrien. „Ich werde euch umbringen“, soll sie gerufen haben. Aber auch: „Ich bringe mich um“. Schnell war damals klar, dass die Frau möglicherw­eise psychisch krank ist. Sie kam zunächst ins Augsburger Klinikum, später ins Bezirkskra­nkenhaus nach Günzburg. Die Diagnose: Psychotisc­he Störung mit Symptomen von Schizophre­nie.

Man könne von Glück sprechen, dass damals niemand schwer verletzt wurde, erklärte der Polizist vor Gericht. Nachdem die Frau in einem Ort westlich von Augsburg losraste, drängte sie zwei Autos bei Kutzenhaus­en beziehungs­weise Diedorf zum Ausweichen. Mehrere Zeugen riefen die Polizei, doch die verwirrte Fahrerin raste weiter. In der Augsburger Bürgermeis­ter-AckermannS­traße,

Höhe Deutschenb­aurstraße, musste ein Autofahrer in einen Grünstreif­en ausweichen, um einen Unfall zu verhindern. Nur wenige Meter später baute die Frau einen weiteren Unfall. Dabei beschädigt­e sie vier Fahrzeuge, einen Anhänger und ein Verkehrsze­ichen. Gefährlich wurde es für einen 26-Jährigen. Der Mann war in dem Moment dabei, sein Fahrzeug zu beladen. Gerade noch rechtzeiti­g konnte er sich mit einem Sprung zur Seite retten. Zwei der beteiligte­n Fahrer wurden leicht verletzt.

Weil die Frau sich zum Zeitpunkt der Irrfahrt in einem psychische­n Ausnahmezu­stand befand, gilt sie als schuldunfä­hig. Sie musste sich daher nicht als Angeklagte in einem normalen Strafverfa­hren verantwort­en. Stattdesse­n musste das Gericht in einem sogenannte­n Sicherungs­verfahren feststelle­n, ob von der Frau weiter Gefahr ausgeht und ob deshalb weitere Maßnahmen zu treffen sind. Zum Beispiel die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s oder eine Führersche­insperre.

Doch dazu kam es am Ende nicht. Der Grund: Ein Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Frau zwar psychisch krank war, mittlerwei­le aber keine Gefahr mehr von ihr ausgeht. Auslöser für die psychotisc­he Störung waren demnach sowohl Probleme und Stress im Beruf, der Beziehung als auch in einem Verein. „Das ist ein Lehrbuchfa­ll“, stellte der Gutachter vor Gericht fest. Die Frau sei völlig überforder­t gewesen und litt unter Wahnvorste­llungen. Durch medikament­öse Behandlung und Therapie sei die Krankheit nun, nach gut einem Jahr, unter Kontrolle. Die Beschuldig­te gelte als vollständi­g geheilt.

Dennoch beantragte die Staatsanwa­ltschaft eine Führersche­insperre für die heute 30-Jährige. Ein Antrag, der bei dem Verteidige­r Wolfgang Polster auf Unverständ­nis stieß. Schließlic­h hatte der Gutachter festgestel­lt, dass die Beschuldig­te wieder gesund sei. Dieser Argumentat­ion folgte Richterin Ulrike Ebel-Scheufele. Sie wies den Antrag der Staatsanwa­ltschaft auf eine Führersche­insperre zurück.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) ?? Im Wahn fuhr eine 29‰Jährige durch die Region und verursacht­e dabei mehrere Unfälle. Ihr Auto war danach schwer beschädigt.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) Im Wahn fuhr eine 29‰Jährige durch die Region und verursacht­e dabei mehrere Unfälle. Ihr Auto war danach schwer beschädigt.

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