Autofahrerin bringt bei Irrfahrt Menschen in Gefahr
Eine 29-Jährige fühlt sich verfolgt, rast mit dem Auto durch den Landkreis bis in die Stadt. In Augsburg kann sich ein Mann noch mit einem Sprung zur Seite retten. Nun landete der Fall vor Gericht
Es ist ein Tag im August des vergangenen Jahres. Kurz nach fünf Uhr rast eine damals 29-Jährige aus dem westlichen Landkreis Augsburg in Richtung Stadt. Mit ihrem VW Tiguan schneidet die Fahrerin auf ihrer Irrfahrt mehrere andere Autos, rammt sie oder drängt sie von der Straße. Erst nach etwa 25 Kilometern bleibt der schwerbeschädigte VW endlich stehen. Die Bilanz: Zwei Leichtverletzte, mehrere demolierte Autos und mehr als 100.000 Euro Sachschaden. Nun landete der Fall vor Gericht. Weil die Frau damals psychisch krank war, gilt sie als schuldunfähig.
Selbst konnte sie sich vor Gericht nicht mehr im Detail an die Irrfahrt erinnern. Nur so viel: Sie habe sich verfolgt gefühlt. Wollte unbedingt schnell zu ihrer Freundin nach Augsburg. Im völligen Wahn habe sie sich ins Autos gesetzt und sei frühmorgens losgefahren – ohne Rücksicht auf andere. Wie ein Polizist vor Gericht aussagte, habe die Frau nach der Unfallserie laut geschrien. „Ich werde euch umbringen“, soll sie gerufen haben. Aber auch: „Ich bringe mich um“. Schnell war damals klar, dass die Frau möglicherweise psychisch krank ist. Sie kam zunächst ins Augsburger Klinikum, später ins Bezirkskrankenhaus nach Günzburg. Die Diagnose: Psychotische Störung mit Symptomen von Schizophrenie.
Man könne von Glück sprechen, dass damals niemand schwer verletzt wurde, erklärte der Polizist vor Gericht. Nachdem die Frau in einem Ort westlich von Augsburg losraste, drängte sie zwei Autos bei Kutzenhausen beziehungsweise Diedorf zum Ausweichen. Mehrere Zeugen riefen die Polizei, doch die verwirrte Fahrerin raste weiter. In der Augsburger Bürgermeister-AckermannStraße,
Höhe Deutschenbaurstraße, musste ein Autofahrer in einen Grünstreifen ausweichen, um einen Unfall zu verhindern. Nur wenige Meter später baute die Frau einen weiteren Unfall. Dabei beschädigte sie vier Fahrzeuge, einen Anhänger und ein Verkehrszeichen. Gefährlich wurde es für einen 26-Jährigen. Der Mann war in dem Moment dabei, sein Fahrzeug zu beladen. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich mit einem Sprung zur Seite retten. Zwei der beteiligten Fahrer wurden leicht verletzt.
Weil die Frau sich zum Zeitpunkt der Irrfahrt in einem psychischen Ausnahmezustand befand, gilt sie als schuldunfähig. Sie musste sich daher nicht als Angeklagte in einem normalen Strafverfahren verantworten. Stattdessen musste das Gericht in einem sogenannten Sicherungsverfahren feststellen, ob von der Frau weiter Gefahr ausgeht und ob deshalb weitere Maßnahmen zu treffen sind. Zum Beispiel die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder eine Führerscheinsperre.
Doch dazu kam es am Ende nicht. Der Grund: Ein Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Frau zwar psychisch krank war, mittlerweile aber keine Gefahr mehr von ihr ausgeht. Auslöser für die psychotische Störung waren demnach sowohl Probleme und Stress im Beruf, der Beziehung als auch in einem Verein. „Das ist ein Lehrbuchfall“, stellte der Gutachter vor Gericht fest. Die Frau sei völlig überfordert gewesen und litt unter Wahnvorstellungen. Durch medikamentöse Behandlung und Therapie sei die Krankheit nun, nach gut einem Jahr, unter Kontrolle. Die Beschuldigte gelte als vollständig geheilt.
Dennoch beantragte die Staatsanwaltschaft eine Führerscheinsperre für die heute 30-Jährige. Ein Antrag, der bei dem Verteidiger Wolfgang Polster auf Unverständnis stieß. Schließlich hatte der Gutachter festgestellt, dass die Beschuldigte wieder gesund sei. Dieser Argumentation folgte Richterin Ulrike Ebel-Scheufele. Sie wies den Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Führerscheinsperre zurück.