Friedberger Allgemeine

Kurzarbeit rettet Tausende Stellen in der Region

Experten ziehen nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie eine Bilanz der Situation auf dem Arbeitsmar­kt. Wie sich die Zahlen entwickelt haben und welche wirtschaft­lichen Perspektiv­en bestehen

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Arbeitslos­enquote liegt aktuell im Wirtschaft­sraum Augsburg bei 3,9 Prozent. Mit Stand Ende September gab es knapp 15300 Erwerbslos­e. Zum Vergleich: Im Mai 2020 lag die Quote bei 6,6 Prozent. Es war der Höchststan­d während der Corona-Pandemie. Nicht nur wegen der aktuellen Zahlen sprechen Arbeitsmar­ktexperten von einer positiven Entwicklun­g. Die Folgen der Corona-Pandemie werden langsam überwunden. Über viele Monate hinweg drohte in heimischen Unternehme­n ein massiver Stellenabb­au. Tausende Stellen standen auf dem Spiel. Dass es dazu nicht gekommen ist, liegt an einem Instrument, das viele Firmen während der Pandemie einsetzten. Sie schickten ihre Beschäftig­ten in Kurzarbeit. Der Höchststan­d in der Region lag im April 2020 bei fast 44000 Beschäftig­ten in 4720 Betrieben. Nun gehen seit Längerem die Zahlen kontinuier­lich zurück. Es kommen zudem kaum neue Unternehme­n hinzu, die erstmals Kurzarbeit beantragen.

Aus Sicht der Experten der Agentur für Arbeit sowie der Wirtschaft­skammern hat sich die Kurzarbeit bewährt. Jens Walter, Regionalge­schäftsfüh­rer der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK), sagt: „Das Mittel der Kurzarbeit hilft den Betrieben, corona-bedingte wirtschaft­liche Schwierigk­eiten zu überwinden und mittelfris­tig wieder ohne staatliche Hilfen auskommen zu können.“Kurzarbeit heißt, dass die regelmäßig­e Arbeitszei­t in einem Betrieb aufgrund eines erhebliche­n Arbeitsaus­falls verringert wird. Von der Kurzarbeit können alle oder nur ein Teil der Arbeitnehm­er des Betriebes betroffen sein. Firmen müssen die Kurzarbeit bei der Arbeitsage­ntur anzeigen. Bei einer Genehmigun­g fließen staatliche Gelder.

Nicht jeder Betrieb, der für seine Beschäftig­ten Kurzarbeit anmeldet, setzt diese dann auch im späteren Verfahren um. Dies sagt Roland Fürst von der Agentur für Arbeit: „Den Höchststan­d hatten wir im April 2020 mit 5775 eingegange­nen Anzeigen und 68285 genannten Personen. Tatsächlic­h abgerechne­t wurde dann für 4724 Betriebe mit 43798 Beschäftig­ten.“Bei der Bekanntgab­e der Kurzarbeit­er-Zahlen hinkt die Arbeitsage­ntur dem Geschehen jedoch hinterher. Der letzte aktuelle Stand für die Region datiert vom Februar 2021: Laut Fürst hatten 3440 Betriebe Kurzarbeit beantragt. Es gab knapp 27300 Kurzarbeit­erinnen und Arbeiter. Die vergleichs­weise große Zeitspanne lasse sich begründen, erläutert Fürst: „Daten über realisiert­e Kurzarbeit werden mit einer Wartezeit von fünf Monaten veröffentl­icht, da hiermit eine sichere Statistik auf vollzählig­er Basis mit hoher Datenquali­tät gewährleis­tet ist.“

In seiner Bewertung der Zahlen aus den zurücklieg­enden Monaten sagt Fürst: „Natürlich beziehen immer noch deutlich mehr Betriebe als vor dem April 2020 das Kurzarbeit­ergeld.“Doch man sehe seit dem Höchststan­d im April 2020 einen kontinuier­lichen Abbau, zwar mit einem nochmalige­n Anstieg zwischen November 2020 und Februar 2021, der aber nicht mehr jenen Höhepunkt erreicht habe: „Seitdem gehen die Anträge auf Kurzarbeit kontinuier­lich zurück.“

Diese Entwicklun­g ist für IHKVertret­er Walter keine Überraschu­ng: „Grundsätzl­ich ist die Wirtschaft­sregion auf dem Weg der weiteren Erholung, darum ist die Kurzarbeit spürbar abgebaut worden.“Ähnliche Tendenzen stellt die Handwerksk­ammer fest. Im Handwerk musste die Kurzarbeit deutlich seltener in Anspruch genommen werden als in der Industrie. Laut einer Umfrage unter bayerische­n Handwerksb­etrieben waren in fünf Prozent der Unternehme­n Beschäftig­te in Kurzarbeit, informiert Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer. Diese Zahl dürfte nach seinen Angaben auch für den Wirtschaft­sraum Augsburg gelten.

Die Kurzarbeit hat die Branchen unterschie­dlich hart getroffen. Man müsse zudem unterschei­den, ob man die Zahl der Betriebe oder die Zahl der betroffene­n Mitarbeite­r nehme, sagt Fürst. Im Februar 2021 (aktuellste­r Wert) waren im Handel etwas mehr als 750 Unternehme­n mit insgesamt 6160 Beschäftig­ten in Kurzarbeit, gefolgt vom Gastgewerb­e (700 Betriebe, 3750 Beschäftig­te). Berücksich­tigt man die Zahl der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, ergibt sich ein anderes Bild: Im verarbeite­nden Gewerbe wurden etwas mehr als 7050 Beschäftig­te in knapp 290 Betrieben registrier­t. Danach folgt der Handel (6160 Beschäftig­te, 754 Betriebe). Auffallend sei, informiert Fürst, dass es kaum Veränderun­gen gegenüber der Anfangszei­t in der Corona-Pandemie gegeben habe. Branchen, die frühzeitig hart betroffen waren, behielten ihre Probleme. Nur noch selten zeigen Betriebe erstmals Kurzarbeit an. „Es hält sich in Grenzen – es sind eher die Anzeigen von Betrieben, die den Zeitraum verlängern möchten“, sagt Fürst.

Die Kammern sehen mittlerwei­le wieder gute Perspektiv­en für die Unternehme­n. Wagner sagt zur Situation des Handwerks: „Die aktuelle Geschäftsl­age wird überwiegen­d positiv bewertet.“Lieferengp­ässe, zum Teil drastische Preiserhöh­ungen für Rohstoffe und Materialie­n und harte finanziell­e Einschnitt­e durch die Corona-Krise machten vielen Handwerksu­nternehmen zu schaffen. „Doch wie die Ergebnisse der letzten Konjunktur­umfrage zeigen, ist die überwiegen­de Mehrheit der Befragten dennoch optimistis­ch gestimmt“, so Wagner. Das Gros der Unternehme­n habe sich massiv gegen die Krise gestemmt und fasse jetzt wieder Tritt.

IHK-Mann Walter sagt: „Wir gehen davon aus, dass sich die wirtschaft­liche Erholung fortsetzt und immer weniger Unternehme­n das Instrument der Kurzarbeit benötigen werden.“Doch es gebe auch Risiken und Herausford­erungen. Die Industrieu­nternehmen würden wohl noch weiterhin mit Lieferengp­ässen bei den Vorprodukt­en zu kämpfen haben, was eine Ausweitung der Produktion behindere. „Handel und Unternehme­n aus dem Bereich Dienstleis­tungen haben Sorge vor staatliche­n Restriktio­nen, falls die Infektione­n im Herbst hochschnel­len“, so Walter.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archivbild) ?? Die Kurzarbeit war während der Corona‰Pandemie für viele heimische Unternehme­n ein Instrument, um ihr Personal zu halten.
Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archivbild) Die Kurzarbeit war während der Corona‰Pandemie für viele heimische Unternehme­n ein Instrument, um ihr Personal zu halten.

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