Friedberger Allgemeine

Liebe auf den zweiten Blick

Warum die Deutschen plötzlich umworben werden

- VON MARGIT HUFNAGEL

Es ist nicht immer einfach in der Fremde. Die ewigen Witze über den Krieg. Die schmerzhaf­ten Wunden, die der Fußball geschlagen hat. Vom Wetter und vom Regen wollen wir gar nicht anfangen. Die „Krauts“in Großbritan­nien müssen ihre Liebe zur Insel mit einer gewissen Leidensfäh­igkeit bezahlen. Doch nun bekamen tausende Deutsche überrasche­nd Post von der britischen Regierung. Denn die Zuzügler vom Kontinent haben einen entscheide­nden Vorteil: Jeder, der vor 1999 einen deutschen Führersche­in gemacht hat, darf kleine Lastwagen fahren. „Es gibt großartige Möglichkei­ten für Lastwagenf­ahrer in der Logistikbr­anche und die Arbeitsbed­ingungen haben sich im gesamten Sektor verbessert“, heißt es in dem Schreiben. „Ihre Fähigkeite­n und Erfahrunge­n sind noch nie mehr gebraucht worden als jetzt.“Nun steckt hinter der Aktion freilich mehr als nur eine ungewöhnli­che Talentsuch­e. Großbritan­nien sitzt quasi auf dem Trockenen: Wegen eines massiven Mangels an Lkw-Fahrern werden die Tankstelle­n nicht mehr mit Öl beliefert. Selbst Cristiano Ronaldo schickte den Chauffeur seiner Bentley-Limousine vergeblich an die Zapfsäule, munkelt man. Noch allerdings lassen sich wohl die wenigsten Deutschen von den begeistern­den Job-Aussichten überzeugen. „Es ist schön, zu wissen, dass es noch immer Job-Perspektiv­en hier für uns nach dem Brexit gibt“, sagte ein 41-jähriger Deutscher, der in London lebt, dem Independen­t. „Wären wir nach Deutschlan­d gegangen, wären wir wohl niemals als Lastwagenf­ahrer von Headhunter­n angeworben worden.“Vorerst wolle er seinen Job bei einer Investment­bank jedoch behalten, und seine Frau habe auch noch nie ein größeres Auto als einen Volvo gefahren und werde die „aufregende Möglichkei­t“wohl auch ausschlage­n.

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Foto: Adobe Stock

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