Friedberger Allgemeine

Alle Zeichen stehen auf Grün

Robert Habeck denkt schon ans Regieren. Die Grünen greifen nach der Macht – wenn die Basis sie lässt

- VON STEFAN LANGE

Berlin So viel Selbstbewu­sstsein war schon lange nicht mehr bei den Grünen. Wer ihr Spitzenper­sonal dieser Tage zu den Sondierung­sgespräche­n gehen sieht, beobachtet große Schritte und breites Kreuz. Da darf es dann auch mal eine saloppe Wortwahl sein. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimm­en“, sagte der Vorsitzend­e Robert Habeck. Hätte seine Co-Chefin Annalena Baerbock im Wahlkampf einen solchen Ausdruck verwendet, wäre ihr das mit hoher Wahrschein­lichkeit sofort wieder um die Ohren geflogen. Aber was soll’s, mögen einige in der Grünen-Spitze denken – die Bundestags­wahl ist Geschichte, der Traum von der grünen Kanzlersch­aft ist ausgeträum­t, aber der Blick geht Richtung Zukunft.

Habeck jedenfalls sieht sich offenbar schon am Kabinettst­isch sitzen, egal ob in einer Ampel-Koalition oder einem Jamaika-Bündnis. „Ab jetzt, ab Weihnachte­n vielleicht, ist jede Krise unsere Krise, ist jede Herausford­erung unsere Herausford­erung“, sagte er am Wochenende staatsmänn­isch auf dem sogenannte­n Kleinen Parteitag der Grünen.

Doch bei dem Treffen waren auch andere Töne zu hören. Aus Reihen der Hamburger Delegierte­n erinnerten einige an das Jahr 2015. In der Hansestadt ging damals eine rot-grüne Regierung an den Start – Chef war Olaf Scholz, der jetzt als Kanzler mit den Grünen gemeinsame Sache machen will. Scholz bezeichnet­e die Koalition seinerzeit als „ein rotes Haus mit einem grünen Anbau“. Das nehmen ihm viele in der Ökopartei heute noch krumm, dementspre­chend gebremst ist die Euphorie über eine mögliche Ampel

– zumindest im Norden. Doch vieles läuft auf ein solches Dreierbünd­nis hinaus. Es wäre die erste rot-grüngelbe Koalition im Bund. Die SPDSpitze beriet am Sonntag getrennt mit FDP und Grünen über mögliche Inhalte. Ein Selbstläuf­er sind die Verhandlun­gen nicht.

Denn die Grünen-Spitze muss nicht nur die potenziell­en Regierungs­partner, sondern auch die eigene Basis überzeugen. Die Mitglieder pochen erneut darauf, dass ein Koalitions­vertrag von ihnen abgesegnet werden muss. Während die FDP-Führung an dieser Stelle deutlich entspannte­r in die Verhandlun­gen gehen kann, müssen Habeck und Baerbock bei ihren Gesprächen stets überlegen, ob sie ihren Leuten die notwendige­n Kompromiss­e am Ende auch wirklich verkaufen können. Einen ersten großen Trugschlus­s gab es schon: In der GrünenLeit­ung wurde laut darüber nachgedach­t, dass in einer möglichen Jamaika-Koalition

Katrin GöringEcka­rdt mit Unterstütz­ung der Union neue Bundespräs­identin werden könnte. Doch die Basis, auch das wurde am Rande des Parteitags deutlich, schert sich nicht um einzelne Posten und Ämter, die in der Verhandlun­gsmasse eventuell für eine der Ihren herausspri­ngen könnten. Sie setzen auf Inhalte, auf Themen wie den Klimaschut­z und das Wohnen beispielsw­eise.

FDP-Chef Christian Lindner gibt sich als zweiter Kanzlermac­her dennoch betont entspannt. „Grüne und FDP trennt manches. Aber uns verbindet, dass wir uns aus unterschie­dlichen Perspektiv­en gegen den Status quo gewendet haben“, sagte er der Bild am Sonntag. Geeint sind die Verhandlun­gsteilnehm­er immerhin in dem Wunsch, dass es schnell gehen soll. „Die FDP will eine zügige Regierungs­bildung bis Mitte Dezember. Die Welt wartet nicht auf uns“, sagte Lindner.

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Foto: dpa Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen möglichst viel für die Grünen he‰ rausholen.

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