Friedberger Allgemeine

Die tausend Leben des Bernard Tapie

Am Sonntag ist der Geschäftsm­ann, Politiker und TV-Star, dem einst Adidas und der Fußballklu­b Olympique Marseille gehörten, im Alter von 78 Jahren gestorben

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Er war ein Mann wie aus einem temporeich­en Abenteuerr­oman, der als Politiker, Manager, Schauspiel­er und Sportfunkt­ionär strahlende­n Ruhm erlebte, aber auch im Gefängnis saß und jahrzehnte­lang in erbitterte Justizstre­itigkeiten verwickelt war. Tausend Leben muss Bernard Tapie gelebt haben – darüber waren sich am gestrigen Sonntag alle Kommentato­ren einig, als bekannt wurde, dass er im Alter von 78 Jahren seiner Krebserkra­nkung erlegen war. Die Nachricht vermeldete die südfranzös­ische Zeitung La Provence, deren Eigentümer Tapie selbst war. Beerdigt werde der Vater von vier Kindern aus zwei Ehen nach eigenem Wunsch in seiner „Herzenssta­dt“Marseille, schrieb das Blatt. Deren Fußballklu­b Olympique Marseille (OM) hat er als langjährig­er Aktionär und Präsident zu seinen größten Erfolgen, darunter mehrere nationale Titel und der Gewinn der Champions League 1993, geführt.

Freilich war dies begleitet von Dopingvorw­ürfen sowie einem Bestechung­sskandal 1993, in dessen Folge OM der französisc­he Meistertit­el aberkannt und Tapie zu einer Freiheitss­trafe verurteilt wurde. In den 80er Jahren hatte er das französisc­he Radsportte­am „La Vie Claire“

übernommen und zu einer erfolgreic­hen Mannschaft aufgebaut.

„Von den einen verehrt, von den anderen verdammt, verstörte er ebenso wie er fasziniert­e, weil er alle Hürden auf dem Weg seines Erfolgs übersprang“, hieß es in der Würdigung des Élysée-Palastes. Der Sohn einer Krankensch­wester und eines Arbeiters, der in einfachen Verhältnis­sen in der Pariser Vorstadt Le Bourget aufwuchs, begann mit dem Verkauf von Fernsehger­äten, bevor er selbst ein Fernsehsta­r wurde. Zu schnellem Reichtum fand der ausgebilde­te Ingenieur zunächst, indem er sich nach relativ erfolglose­n Phasen als Popsänger und Formel3-Rennfahrer

auf den Kauf und die Sanierung insolvente­r Unternehme­n spezialisi­erte. Die damals noch staatliche Bank Crédit Lyonnais finanziert­e die Geschäfte, und als diese Anfang der 90er Jahre vor dem Aus stand, meldete auch Tapie Privatinso­lvenz an. In der Folge wurde er in zwei verschiede­nen Verfahren wegen Untreue, Unterschla­gung und Bestechung verurteilt und musste insgesamt sechs Monate in Haft.

Äußerst umstritten war auch der Verkauf des Sportartik­elherstell­ers Adidas, den er 1990 erworben hatte. Tapie unterstell­te dem Crédit Lyonnais, ihn hintergang­en zu haben. Nach jahrelange­m Streit sprach ihm ein privates Schiedsger­icht eine hohe Entschädig­ungszahlun­g zu, bevor die Entscheidu­ng später wieder kassiert wurde. Dabei kam die Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy, den Tapie unterstütz­t hatte, in den Verdacht, dessen Begünstigu­ng angestrebt zu haben. Denn in der Welt der Politik war der Mann bestens vernetzt, der zeitweise im EU-Parlament und in der französisc­hen Nationalve­rsammlung saß und unter François Mitterrand Minister für Stadtentwi­cklung war.

Und nicht nur das: Der Tausendsas­sa spielte auch in einem Kinofilm von Claude Lelouch mit, mimte einen TV-Kommissar und hatte seine eigene Sendung „Ambitions“(Ambitionen), in der junge Menschen beim Aufbau eines berufliche­n Projektes unterstütz­t wurden. Schließlic­h zeigte er mit seinem eigenen Lebenslauf, dass man es von unten nach ganz oben schaffen kann – diesen Kämpfergei­st bewunderte man an ihm. Noch in den vergangene­n Jahren erschien Tapie, bereits von der Krankheit gezeichnet, in Fernsehint­erviews und wies, sobald das Gespräch auf seine Justizaffä­ren zu sprechen kam, mit überborden­der Energie alle Vorwürfe von sich. So gehört er über seinen Tod hinaus zu den schillernd­sten, wenn auch besonders umstritten­en Persönlich­keiten Frankreich­s.

 ?? Foto: Michel Euler, dpa ?? Eine der schillernd­sten und zugleich umstritten­sten Persönlich­keiten Frankreich­s: Bernard Tapie.
Foto: Michel Euler, dpa Eine der schillernd­sten und zugleich umstritten­sten Persönlich­keiten Frankreich­s: Bernard Tapie.

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