Bürger wünschen sich Dult und Tram zurück
Innenstadt Die Maximilianstraße soll neu erfunden werden. Ein erster Schritt ist, den Autoverkehr zu reduzieren. Doch darüber hinaus gibt es viele Ideen, über die es sich nachzudenken lohnt. Auch Pflanzen spielen eine Rolle
Mit ihren prächtigen Häusern, den Prachtbrunnen und vor dem Hintergrund ihrer Geschichte war und ist die Augsburger Maximilianstraße einer der schönsten Straßenzüge in Schwaben. Doch sie ist auch einer der problematischsten: Im Lauf der Jahrzehnte zogen immer mehr Anwohnerinnen und Anwohner fort, Clubs siedelten sich an, die Prachtmeile wurde mehr und mehr zur Partymeile. Damit einhergehen Nutzungskonflikte. Auf der einen Seite steht das Ruhebedürfnis derer, die dort leben, auf der anderen der Drang nach Verwirklichung derer, die dort feiern. Die Stadt will diese Konflikte nun ein für alle Mal lösen und deshalb auch die Nutzung der Maximilianstraße neu denken. Welche Möglichkeiten gäbe es und was wünschen sich die Augsburgerinnen und Augsburger? Wir haben nachgefragt.
Italienische Städte schweben Mi chael Ettel aus Bobingen vor, wenn er an die Zukunft der Maximilianstraße denkt, die seiner Ansicht nach „dringend ein Update“braucht. „In Italien sind viele Innenstädte autofrei, die Menschen nutzen den gewonnenen Platz zum Flanieren und Einkaufen, die Gastronomie weitet das Angebot aus. Die Innenstädte werden zum kommunikativen Treffpunkt“, sagt er. Ettel kann sich Bepflanzungen, wechselnde künstlerisch-kreative Events oder Themenmärkte vorstellen. Zulieferer bekämen in seiner Vision nur noch zeitlich begrenzten Zugang, die Anwohner behalten ihr Zufahrtsrecht, soweit dies notwendig ist. Ettel sieht jedoch auch die Notwendigkeit für neue Verkehrskonzepte: In den ihm bekannten europäischen Städten wurden auch alternative Platzkonzepte und zentrumsnahe Anfahrtsmöglichkeiten geschaffen, um den Zugang in die Innenstädte attraktiv zu machen. Sein Vorschlag: „Das Plärrergelände und die umliegenden Straßenbahnknotenpunkte müssten ausgebaut und verkehrstechnisch attraktiv umgebaut werden, auch für auswärtige Besucher und Besucherinnen.“
Gedanken um Augsburgs Prachtmeile hat sich auch Prof. Karin Thie me gemacht, die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Humangeografie und Transformationsforschung der Universität Augsburg ist. „Bei der Augsburger Maximilianstraße handelt es sich um einen sehr bedeutenden Straßenraum, von europäischer Geltung. Ihn deshalb ,besser zu behandeln‘ gebietet sich quasi von selbst“, sagt sie. Sie kann sich noch erinnern, dass sie bereits Anfang der 1990er Jahre die ersten praktischen Arbeiten mit Studierenden der Geografie zu diesem Thema durchgeführt hat. Auch im vergangenen Wintersemester widmete sie sich wieder einem stadtgeografischen Projekt zum Thema. Eines der Hauptergebnisse sei gewesen, die Maximilianstraße nicht komplett autofrei zu gestalten, sondern sie zu einem sogenannten „Shared Space“(deutsch: geteilter Raum) umzuwidmen. In diesem öffentlichen Raum sollen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer gleichberechtigt sein, das schnellste Verkehrsmittel müsse sich am langsamsten, also am Fußgänger, orientieren.
Durch Verbote wird das Zentrum Augsburgs nicht attraktiver, davon ist der Augsburger Architekt Erwin Frey überzeugt. Die Stadt müsse sich deshalb rechtzeitig überlegen, was sie durch eine „Verbannung“der Autos aus der Maximilianstraße erreichen wolle. „Dass die relativ wenigen Anwohner einen ungestörteren Mittagsschlaf halten können, reicht nicht zur Begründung“, sagt Frey ironisch. Er hält es für zwingend notwendig, dass die Stadt sich Gedanken macht, wie sie die „kleineren, spezialisierten Geschäfte“in der Maximilianstraße halten und unterstützen kann. „Von alleine kommen die flanierenden Menschen nicht, die die breite schöne Straße beleben sollen.“Auch die Gastronomie alleine könne hier nicht helfen. An einem schönen Sommertag möge sie zwar ihre Anziehungskraft haben, „aber es gibt übers Jahr mehr regnerische, kalte Tage als warme“. Frey schlägt vor, mehr attraktive Einkaufsmöglichkeiten in der Maximilianstraße zu schaffen - ganzjährige und zeitlich begrenzte. Er beruft sich unter anderem auf die Dult, die einst in der Maximilianstraße stattgefunden hatte.
Historisch gesehen war die Maximilianstraße ebenfalls keine durchgängige Straße, sondern eine Abfolge von Plätzen, auf denen Märkte stattfanden und verkauft wurde. Frey würde sich daraus auch die Lösung eines anderen „Problems“erhoffen: „Erst seit 1939 sind Georgi- und Michaelidult an die Vogelmauer konzentriert. Mittlerweile sind sie dort – inklusive Sperrungen für An-und Abbau – zu einer wochenlangen Belästigung für die vielen dort Lebenden geworden.“
Einen ganzen Katalog möglicher Maßnahmen hat Gerhart Frey aus Königsbrunn zusammengestellt. Einer seiner größten Wünsche: Die Straßenbahn soll wieder durch die autofreie Maximilianstraße fahren, dort vielleicht sogar mehrere Haltestellen haben und bisweilen auch mit historischen Wagen fahren. Die Oberleitungen sollten laut Frey zwischen Dom und Ulrich abgebaut werden, damit die Ansichten dieser Gebäude nicht dadurch gestört werden. Auch die Straßenbeleuchtung könnte sich der Königsbrunner „heimeliger“vorstellen und sieht hier eine Chance für historische Kandelaber.
Ein Thema, das nicht nur er, sondern viele Bürger ansprechen ist eine künftige Begrünung der Maximilianstraße, auch wenn dies historisch vielleicht nicht begründbar sei. Durch Grün könnte aber auch der Überhitzung der Innenstadt entgegengewirkt werden. Um die Maximilianstraße zu beleben, könnte sich Frey die Öffnung ebenerdiger Räume und Geschäfte für Kunst und Kultur vorstellen. Auch kleinere Konzerte könnten in der Straße stattfinden, Massenveranstaltungen aber möchte Frey ausgeschlossen haben: „Dazu gibt es den Plärrer.“