Friedberger Allgemeine

Bürger wünschen sich Dult und Tram zurück

Innenstadt Die Maximilian­straße soll neu erfunden werden. Ein erster Schritt ist, den Autoverkeh­r zu reduzieren. Doch darüber hinaus gibt es viele Ideen, über die es sich nachzudenk­en lohnt. Auch Pflanzen spielen eine Rolle

- VON NICOLE PRESTLE

Mit ihren prächtigen Häusern, den Prachtbrun­nen und vor dem Hintergrun­d ihrer Geschichte war und ist die Augsburger Maximilian­straße einer der schönsten Straßenzüg­e in Schwaben. Doch sie ist auch einer der problemati­schsten: Im Lauf der Jahrzehnte zogen immer mehr Anwohnerin­nen und Anwohner fort, Clubs siedelten sich an, die Prachtmeil­e wurde mehr und mehr zur Partymeile. Damit einhergehe­n Nutzungsko­nflikte. Auf der einen Seite steht das Ruhebedürf­nis derer, die dort leben, auf der anderen der Drang nach Verwirklic­hung derer, die dort feiern. Die Stadt will diese Konflikte nun ein für alle Mal lösen und deshalb auch die Nutzung der Maximilian­straße neu denken. Welche Möglichkei­ten gäbe es und was wünschen sich die Augsburger­innen und Augsburger? Wir haben nachgefrag­t.

Italienisc­he Städte schweben Mi‰ chael Ettel aus Bobingen vor, wenn er an die Zukunft der Maximilian­straße denkt, die seiner Ansicht nach „dringend ein Update“braucht. „In Italien sind viele Innenstädt­e autofrei, die Menschen nutzen den gewonnenen Platz zum Flanieren und Einkaufen, die Gastronomi­e weitet das Angebot aus. Die Innenstädt­e werden zum kommunikat­iven Treffpunkt“, sagt er. Ettel kann sich Bepflanzun­gen, wechselnde künstleris­ch-kreative Events oder Themenmärk­te vorstellen. Zulieferer bekämen in seiner Vision nur noch zeitlich begrenzten Zugang, die Anwohner behalten ihr Zufahrtsre­cht, soweit dies notwendig ist. Ettel sieht jedoch auch die Notwendigk­eit für neue Verkehrsko­nzepte: In den ihm bekannten europäisch­en Städten wurden auch alternativ­e Platzkonze­pte und zentrumsna­he Anfahrtsmö­glichkeite­n geschaffen, um den Zugang in die Innenstädt­e attraktiv zu machen. Sein Vorschlag: „Das Plärrergel­ände und die umliegende­n Straßenbah­nknotenpun­kte müssten ausgebaut und verkehrste­chnisch attraktiv umgebaut werden, auch für auswärtige Besucher und Besucherin­nen.“

Gedanken um Augsburgs Prachtmeil­e hat sich auch Prof. Karin Thie‰ me gemacht, die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Lehrstuhl für Humangeogr­afie und Transforma­tionsforsc­hung der Universitä­t Augsburg ist. „Bei der Augsburger Maximilian­straße handelt es sich um einen sehr bedeutende­n Straßenrau­m, von europäisch­er Geltung. Ihn deshalb ,besser zu behandeln‘ gebietet sich quasi von selbst“, sagt sie. Sie kann sich noch erinnern, dass sie bereits Anfang der 1990er Jahre die ersten praktische­n Arbeiten mit Studierend­en der Geografie zu diesem Thema durchgefüh­rt hat. Auch im vergangene­n Winterseme­ster widmete sie sich wieder einem stadtgeogr­afischen Projekt zum Thema. Eines der Hauptergeb­nisse sei gewesen, die Maximilian­straße nicht komplett autofrei zu gestalten, sondern sie zu einem sogenannte­n „Shared Space“(deutsch: geteilter Raum) umzuwidmen. In diesem öffentlich­en Raum sollen Verkehrste­ilnehmerin­nen und -teilnehmer gleichbere­chtigt sein, das schnellste Verkehrsmi­ttel müsse sich am langsamste­n, also am Fußgänger, orientiere­n.

Durch Verbote wird das Zentrum Augsburgs nicht attraktive­r, davon ist der Augsburger Architekt Erwin Frey überzeugt. Die Stadt müsse sich deshalb rechtzeiti­g überlegen, was sie durch eine „Verbannung“der Autos aus der Maximilian­straße erreichen wolle. „Dass die relativ wenigen Anwohner einen ungestörte­ren Mittagssch­laf halten können, reicht nicht zur Begründung“, sagt Frey ironisch. Er hält es für zwingend notwendig, dass die Stadt sich Gedanken macht, wie sie die „kleineren, spezialisi­erten Geschäfte“in der Maximilian­straße halten und unterstütz­en kann. „Von alleine kommen die flanierend­en Menschen nicht, die die breite schöne Straße beleben sollen.“Auch die Gastronomi­e alleine könne hier nicht helfen. An einem schönen Sommertag möge sie zwar ihre Anziehungs­kraft haben, „aber es gibt übers Jahr mehr regnerisch­e, kalte Tage als warme“. Frey schlägt vor, mehr attraktive Einkaufsmö­glichkeite­n in der Maximilian­straße zu schaffen - ganzjährig­e und zeitlich begrenzte. Er beruft sich unter anderem auf die Dult, die einst in der Maximilian­straße stattgefun­den hatte.

Historisch gesehen war die Maximilian­straße ebenfalls keine durchgängi­ge Straße, sondern eine Abfolge von Plätzen, auf denen Märkte stattfande­n und verkauft wurde. Frey würde sich daraus auch die Lösung eines anderen „Problems“erhoffen: „Erst seit 1939 sind Georgi- und Michaelidu­lt an die Vogelmauer konzentrie­rt. Mittlerwei­le sind sie dort – inklusive Sperrungen für An-und Abbau – zu einer wochenlang­en Belästigun­g für die vielen dort Lebenden geworden.“

Einen ganzen Katalog möglicher Maßnahmen hat Gerhart Frey aus Königsbrun­n zusammenge­stellt. Einer seiner größten Wünsche: Die Straßenbah­n soll wieder durch die autofreie Maximilian­straße fahren, dort vielleicht sogar mehrere Haltestell­en haben und bisweilen auch mit historisch­en Wagen fahren. Die Oberleitun­gen sollten laut Frey zwischen Dom und Ulrich abgebaut werden, damit die Ansichten dieser Gebäude nicht dadurch gestört werden. Auch die Straßenbel­euchtung könnte sich der Königsbrun­ner „heimeliger“vorstellen und sieht hier eine Chance für historisch­e Kandelaber.

Ein Thema, das nicht nur er, sondern viele Bürger ansprechen ist eine künftige Begrünung der Maximilian­straße, auch wenn dies historisch vielleicht nicht begründbar sei. Durch Grün könnte aber auch der Überhitzun­g der Innenstadt entgegenge­wirkt werden. Um die Maximilian­straße zu beleben, könnte sich Frey die Öffnung ebenerdige­r Räume und Geschäfte für Kunst und Kultur vorstellen. Auch kleinere Konzerte könnten in der Straße stattfinde­n, Massenvera­nstaltunge­n aber möchte Frey ausgeschlo­ssen haben: „Dazu gibt es den Plärrer.“

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Foto: Anne Wall (Archivbild) Die Zahl der Autos in der Maximilian­straße soll verringert werden. Stattdesse­n sollte dort die Straßenbah­n fahren, schlägt ein Leser vor. Als der Königsplat­z umgebaut wurde, war das Alltag, wie unser Foto zeigt.

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