Droht im Herbst eine neue, große Infektionswelle?
Wenn die Grippe auf Corona trifft, könnte es in den Kliniken schnell eng werden
Berlin Steht Deutschland vor einer heftigen Dreifach-Infektionswelle? Während das Corona-Virus noch nicht besiegt ist und die Impfkampagne stagniert, beginnt jetzt die Grippe- und Erkältungssaison. Die war vergangenen Winter wegen der Pandemie-Schutzmaßnahmen fast komplett ausgefallen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnt gegenüber unserer Redaktion aber nun: „Wir müssen darauf achten, dass wir nicht durch einen Freedom Day oder ein vorschnelles Ende der Maskenpflicht eine große, kombinierte Infektionswelle bekommen.“
Wenn Corona, die Influenza und die gewöhnlichen Erkältungen gemeinsam massenhaft aufträten, so Lauterbach, könne es zur Überlastung von Krankenhäusern und Intensivstationen kommen. „Das gilt es zu verhindern.“Lauterbach empfiehlt, Infektionsschutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht auf Schulhöfen allenfalls behutsam zu lockern und weiter auf häufige Tests zu setzen. Sonst drohe eine „Durchseuchung“der jüngeren, zum großen Teil noch nicht gegen Covid-19 geimpften Bevölkerung. An die Erwachsenen appellierte Lauterbach: „Wer kann, soll sich gegen Grippe impfen lassen, und wer es noch nicht hat, soll sich gleichzeitig gegen Corona impfen lassen.“
An diesem Mittwoch will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zusammen mit Lothar Wieler, dem Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), die Empfehlungen zur Grippe- und Corona-Lage in Herbst und Winter vorstellen. Spahn will sich vorher noch medienwirksam bei einem Berliner Arzt gegen Grippe impfen lassen. Bereits jetzt rät das RKI zur Grippe-Impfung – gerade auch mit Blick auf die CoronaPandemie. Denn bei älteren Menschen kann eine Grippe schnell lebensbedrohlich werden. Wäre die Lage auf den Intensivstationen durch eine steigende Zahl von Corona-Patienten bereits angespannt, könnten zusätzliche Grippefälle schnell für Überlastung sorgen.
Der Arzt und CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger sagte unserer Redaktion: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kombination Corona plus normale Grippe plus andere Atemwegserkrankungen zu einer starken Belastung des Gesundheitswesens führt.“Nachdem die übliche Grippewelle im vergangenen Jahr durch die Corona-Hygiene-Maßnahmen und die Absage von Großveranstaltungen fast gänzlich ausgefallen sei, könne es nun zu „Nachholeffekten“kommen. Wie stark die Influenza-Welle verlaufe und wie gefährlich sie sei, hänge davon ab, wie viele ältere oder bereits vorerkrankte Menschen sich gegen Grippe impfen lassen.
Bei den üblichen saisonalen Erkältungskrankheiten hat der Nachholeffekt bereits begonnen. Betroffen ist vor allem der jüngste Teil der Bevölkerung. Quer durch die Republik schniefen und husten zahlreiche
Zahl der Infekte bei Kindern steigt
Kinder. Jakob Maske, Bundessprecher des Berufsverbands der Kinderund Jugendärzte, sagte unserer Redaktion: „Wir beobachten gerade vermehrt Infekte, die wir sonst um diese Jahreszeit nicht sehen.“Im vergangenen Winter hätten sich Erreger wie das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) durch Lockdown und Hygienemaßnahmen kaum verbreitet, nun würden die Infekte nachgeholt. Eigentlich sei das eine positive Sache, sagt Maske. Denn dadurch bauten die Kinder eine bessere Immunabwehr auf. Gefährlich werden könne es aber für Frühgeborene oder Kinder mit Vorerkrankungen wie Asthma. So meldet das Robert Koch-Institut einen starken Anstieg der Krankenhauseinweisungen wegen RSV-Infektionen bei Ein- bis Vierjährigen.