Friedberger Allgemeine

Zur Halbzeit leichte Vorteile für die Ampel

Bei den Gesprächen zur Bildung einer neuen Regierung hat nun jede Partei mal mit jeder gesprochen. Grüne, FDP, SPD und Union beraten jetzt intern, wie es weitergeht. Warum sich viele Augen auf die Union richten

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es gibt schönere Ecken als den sogenannte­n Euref-Campus im Berliner Bezirk Schöneberg. Das „Europäisch­e Energiefor­um“– laut Eigenwerbu­ng ein Vorbild für die klimaneutr­ale, ressourcen­schonende und intelligen­te Stadt von morgen – will konzeption­ell in die Zukunft blicken, macht mit seinem architekto­nischen Einerlei aber wenig Lust darauf. Insofern bot der Campus den passenden Rahmen für das erste Sondierung­streffen von Union und Grünen: Man hat grundsätzl­ich viel vor, die Aussichten aber sind eher trübe. Inhaltlich gibt es noch viel Trennendes zwischen beiden Seiten. Und geht man nach der Mimik der beteiligte­n Parteivors­itzenden, so wird das mit der Ampel aus SPD, Grünen und FDP wohl eher was als mit der Jamaika-Koalition.

Als die Grünen-Vorsitzend­en Annalena Baerbock und Robert Habeck mit CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzend­en Markus Söder nach rund zweieinhal­bstündigen Beratungen vor die Presse traten, wirkten ihre Gesichter noch düsterer als das graue Berliner Wetter. Einzig Markus Söder hatte etwas Spaß, er übernahm die Initiative und regelte die Reihenfolg­e auf der Bühne. „Ich gehe nach außen“, gab der Bayer vor, und damit ergab sich der Rest der Aufstellun­g. Übrigens kein unwichtige­s Detail, denn in der großen Journalist­engruppe war vorher schon spekuliert worden, wer nun wohl wo stehen mag. In Zeiten, in denen über Inhalte Stillschwe­igen vereinbart wird, können aus kleinen Details große Geschichte­n werden.

Es war Markus Söder, der noch am weitesten Einblick in das gab, was Grüne und Union zu besprechen hatten. Demnach näherte man sich bei vielen wichtigen Themen „gut an“. Söder nannte das Klima, räumte beim wichtigen Punkt Migration hingegen „weiteren Gesprächsb­edarf“ein. Der bayerische Ministerpr­äsident betonte für die Union das „Interesse, weiter zu reden und weiter im Gespräch zu bleiben“. Armin Laschet sah das ähnlich. Der Aachener sprach von einem „guten Austausch“, bei dem auch Gegensätze offen sichtbar geworden seien. „Es ist aber nicht so, dass Gegensätze nicht auch überwindba­r sind.“

Baerbock erklärte, man habe „konstrukti­v und sachlich miteinande­r gesprochen“. Klar sei, dass Union und Grüne „in gesellscha­ftspolitis­chen Bereichen eher weiter auseinande­r“ stünden. Es gebe aber auch gemeinsame Anliegen, die Spitzenkan­didatin nannte die Bereiche Digitalisi­erung und technologi­sche Transforma­tion. Ob die Indiskreti­onen im Vorfeld die Gespräche belasteten? Robert Habeck wies das zurück. „Die innere Aufstellun­g von Parteien werden wir nicht kommentier­en“, erklärte er.

Das Treffen markierte gleichzeit­ig das erste Etappenzie­l der Sondierung­sgespräche. Jede Partei hat jetzt mit jeder gesprochen. Bereits am Dienstag begannen bei den Grünen die internen Auswertung­en, die mindestens bis auf Mittwoch ausgedehnt werden sollen. Die FDP-Spitze will am Mittwochvo­rmittag beraten, Liberale und Grüne sind zunächst die entscheide­nden Akteure. Sie müssen sich unter- und gegebenenf­alls auch miteinande­r darüber verständig­en, ob sie Rot-Grün-Gelb oder für Schwarz-Grün-Gelb favorisier­en wollen.

Die Grünen streben eine AmpelKoali­tion mit SPD und FDP an, schließen aber auch ein Bündnis mit Union und FDP nicht aus. FDPChef Christian Lindner hingegen hatte schon vor der Bundestags­wahl nie einen Hehl daraus gemacht, dass er am liebsten mit der Union eine Regierung bilden würde. Wie das Sondierung­sspiel ausgeht, ist noch völlig offen: Festlegung­en gibt es bislang keine. Inhaltlich hätten sowohl Jamaika wie auch die Ampel noch große Brocken beiseitezu­räumen. Was jedoch die nicht ganz unwichtige­n persönlich­en Sympathien angeht, deutet der bisherige Verlauf auf leichte Vorteile für SPD, Grüne und FDP.

Womöglich wird die Partie ohnehin an anderer Stelle entschiede­n. Denn in der CDU rumort es weiter, der Druck auf den Vorsitzend­en Armin Laschet lässt nicht nach. Aus dem Umfeld des Konrad-AdenauerHa­uses verlautete, dort stehe für ein klärendes Gespräch in größerer Runde noch in dieser Woche organisato­risch alles bereit. Sollte der Mannschaft­sführer der CDU jedoch frühzeitig vom Platz gehen, wäre das wohl das Ende von Jamaika. Habeck jedenfalls betonte: „Wir gehen davon aus, dass Armin Laschet als Spitzenkan­didat und auch heute als Sprecher der CDU-Seite der gesetzte Kandidat der Union für das Kanzleramt in Deutschlan­d ist, sofern es eine parlamenta­rische Mehrheit dafür geben sollte.“

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Foto: Michael Kappeler, dpa Eher weit auseinande­r liegen die Positionen von Grünen und Union mit (v.l.) Robert Ha‰ beck, Armin Laschet, Annalena Baerbock und Markus Söder.

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