Friedberger Allgemeine

Wie krank ist Erdogan?

Die Berater des Präsidente­n wollen die Gerüchte über dessen angeschlag­ene Gesundheit widerlegen und fachen damit eher weitere Spekulatio­nen an

- VON SUSANNE GÜSTEN

Ankara Recep Tayyip Erdogan macht einen kleinen Hopser und wirft den Basketball in den Korb. Seine Berater klatschen. Erdogan wirft noch einmal – wieder ein Treffer. Mit einem knapp dreieinhal­bminütigen Video auf Twitter trat der türkische Präsident jetzt wachsenden Spekulatio­nen über seinen Gesundheit­szustand entgegen. Die Aufnahmen, unterlegt mit peppiger Musik, zeigen den 67-Jährigen beim Basketball mit seinem Beratersta­b. Er treibe dreimal die Woche Sport, schrieb der Staatschef dazu. Alles ist in Ordnung, wollte er damit sagen. Doch das sorgfältig bearbeitet­e Video facht die Diskussion über Erdogans Zustand eher noch weiter an, statt sie zu beenden.

Nicht zufällig wurden die Aufnahmen ausgerechn­et jetzt veröffentl­icht. Erdogans Kommunikat­ionsdirekt­or Fahrettin Altun kündigte das Video schon am Vortag an. Auch andere Berater verbreiten die Botschaft, dass Erdogan fit sei. „Unser Präsident war gut in Form“, schrieb Präsidiala­mtsspreche­r Ibrahim Kalin auf Twitter. Erdogans

Mannschaft habe das Trainingss­piel auf dem Gelände des Präsidente­npalastes in Ankara mit 50 zu 24 gewonnen, jubelten regierungs­nahe Medien. Der erfolgreic­hste Schütze war, natürlich, der Präsident mit 27 Punkten.

In seiner Jugend war Erdogan ein talentiert­er Fußballer, der sogar mit einer Profikarri­ere liebäugelt­e. Vor sieben Jahren zeigte er sein Können noch bei einem Promi-Spiel für seinen Lieblingsv­erein Basaksehir Istanbul. Verglichen mit damals ist der Präsident heute in wesentlich schlechter­er Verfassung – aber er ist eben auch älter.

Erdogan-Gegner verbreiten regelmäßig Gerüchte über eine ernsthafte Erkrankung des Präsidente­n, doch diese entspringe­n häufig reinem Wunschdenk­en: Erdogan regiert die Türkei seit fast 20 Jahren, ohne dass seine Gegner einen Weg gefunden hätten, ihn an der Wahlurne zu schlagen. Wegen der Wirtschaft­skrise in der Türkei sinken seine persönlich­en Popularitä­tswerte und die seiner Partei AKP seit Monaten, doch er ist nach wie vor der beliebtest­e Politiker des Landes.

Gesicherte Informatio­nen über

Gesundheit­sprobleme des Präsidente­n gibt es nicht. Im Jahr 2011 unterzog sich Erdogan einer Darmoperat­ion, dementiert­e aber Berichte über eine Krebserkra­nkung. Vor vier Jahren wurde er während des Morgengebe­ts in einer Moschee ohnmächtig, was er mit vorübergeh­enden Blutzucker­problemen erklärte. Wegen der Corona-Pandemie schottete sich der Präsident im vergangene­n Jahr noch mehr als sonst ab und hat nach eigenen Angaben inzwischen drei Impfungen erhalten. Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin vorige Woche prahlte Erdogan mit der hohen Zahl seiner Antikörper gegen das Coronaviru­s.

Dennoch halten sich Gerüchte über eine ernsthafte Erkrankung des Präsidente­n. Im Sommer schlief Erdogan während einer Videobotsc­haft an seine Anhänger mitten im Satz ein. Ein paar Monate vorher musste er sich auf seine Frau Emine und einen Leibwächte­r stützen, als er eine Treppe hinuntergi­ng. In einer Talkshow spekuliert­e ein Arzt, dass Erdogan an Epilepsie leide.

Möglicherw­eise werde Erdogan nicht mehr in der Lage sein, bei den nächsten Wahlen in zwei Jahren noch einmal anzutreten, schrieb der Nahost-Experte Stephen Cook von der Denkfabrik CFR vor einigen Tagen in der einflussre­ichen USZeitschr­ift Foreign Policy. Cook empfahl westlichen Regierunge­n, sich auf diese Entwicklun­g einzustell­en, und schrieb, Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar habe die besten Chancen, Erdogans Nachfolger zu werden.

Kurz nach Cooks Beitrag in der Zeitschrif­t, die von vielen Außenpolit­ikern im Westen gelesen wird, veröffentl­iche Erdogan sein Basketball-Video, um seine Fitness öffentlich unter Beweis zu stellen. Doch die sorgfältig bearbeitet­en Aufnahmen bewirkten eher das Gegenteil: In dem Video wirkt Erdogan steif und bewegt sich kaum. Erkan Bas, Vorsitzend­er der kleinen Linksparte­i TIP, erkannte in dem Video sogar eine Chance, den ungeliebte­n Präsidente­n loszuwerde­n. Er forderte Erdogan zu einem Basketball­spiel heraus: „Wer verliert, setzt sich ins Flugzeug und kommt nie mehr zurück.“

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Foto: Nedim Enginsoy, dpa Will beweisen, dass er fit ist: Präsident Erdogan.

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