Friedberger Allgemeine

„Facebook ist erheblich unter Druck“

Der Hamburger Datenschüt­zer Kühn fordert Konsequenz­en

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Herr Kühn, Sie sind als amtierende­r Datenschut­zbeauftrag­ter von Hamburg bundesweit für den FacebookKo­nzern zuständig. Wie bewerten Sie den weltweiten Systemabst­urz der Facebook-Plattforme­n?

Ulrich Kühn: Noch ist nicht viel über die technische­n Hintergrün­de des Ausfalls bekannt. Nach Aussagen von Facebook handelte es sich um Konfigurat­ionsproble­me in der Netzwerkad­ministrati­on. Dass alle großen Dienste – Facebook, WhatsApp und Instagram – zugleich betroffen waren, zeigt die enge Nähe dieser Produkte und deren immer größere Verschmelz­ung miteinande­r.

Was sind die größten Datenschut­zprobleme bei der Verschmelz­ung der Facebook-Plattforme­n?

Kühn: Die enge technische Abhängigke­it voneinande­r ist aus Datenschut­zsicht nicht die größte Schwierigk­eit. Schwerer wiegen die fortwähren­den Bestrebung­en, die Dienste auch inhaltlich zu verzahnen und Daten aus einem Dienst für den anderen zu nutzen. Dies wurde zuletzt im Rahmen der Änderungen der Nutzungsbe­dingungen von WhatsApp offensicht­lich. Hier sollen weitergehe­nde Möglichkei­ten für Facebook eingeräumt werden, personenbe­zogene Daten für eigene Zwecke zu nutzen. Der Hamburgisc­he Beauftragt­e für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit hat Facebook diese Nutzung auf dem Anordnungs­weg untersagt. Als in Europa nicht federführe­nd zuständige Behörde konnten wir dies nur für drei Monate erwirken.

Warum wurde es nicht verlängert? Kühn: Beim europäisch­en Datenschut­zausschuss fand sich keine Mehrheit für eine Verlängeru­ng oder Ausweitung dieser Maßnahme. Es besteht jedoch Einigkeit, dass ein solches Data Sharing nur auf Basis einer klaren Einwilligu­ng der betroffene­n Nutzer erfolgen kann.

Welche Konsequenz­en ergeben sich für die Politik in Europa und Deutschlan­d aus dem Facebook-Ausfall?

Kühn: Die Bestrebung­en, den Facebook-Konzern stärker zu regulieren, werden vermutlich zunehmen. In den USA steht Facebook aktuell unter erhebliche­m politische­n Druck wegen seiner intranspar­enten Geschäftsp­raktiken. Eine der diskutiert­en Varianten ist eine Zerschlagu­ng beziehungs­weise Abtrennung einzelner Dienste. Die konsequent­e Durchsetzu­ng der datenschut­zrechtlich­en Anforderun­gen in Europa wäre ein notwendige­r erster Schritt.

Inwiefern ist die Schaffung einer gemeinsame­n technische­n Infrastruk­tur des Facebook-Konzerns mit seinen Sparten WhatsApp und Instagram problemati­sch?

Kühn: Die scheinbare Eigenständ­igkeit der europäisch­en Anbieter Facebook Ireland Ltd. und WhatsApp Ireland Ltd. besteht vor allem auf dem Papier. Tatsächlic­h wird das Facebook-Universum zentral aus den USA gesteuert. Dies ist im Hinblick auf eine vorgetrage­ne Auftragsve­rarbeitung problemati­sch, bei der der Auftragsve­rarbeiter Facebook Inc. in den USA nur auf Weisung des Auftraggeb­ers Facebook Ireland handeln darf. Es ist schwer vorstellba­r, dass Facebook Ireland oder WhatsApp Ireland in diesem Fall einen entspreche­nden Auftrag an die zentrale Netzwerkad­ministrati­on in Kalifornie­n erteilt hat.

Interview: Michal Pohl

Ulrich Kühn ist der amtierende Ham‰ burgische Beauftragt­e für Daten‰ schutz und Informatio­nsfreiheit und war bislang Stellvertr­eter von Jo‰ hannes Casper, dessen Amtszeit im Juni 2021 geendet hat.

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