Friedberger Allgemeine

Wer hilft bei Mängeln in der Pflege?

Ministeriu­m nach Skandal in der Kritik

- VON ULI BACHMEIER

München Im Skandal um die Seniorenre­sidenz Schliersee, die mittlerwei­le auf Anordnung der Behörden wegen gravierend­er Pflegemäng­el geschlosse­n wurde, sieht sich nun auch das bayerische Gesundheit­sministeri­um mit massiver Kritik konfrontie­rt. Im Gesundheit­sausschuss des Landtags warfen Abgeordnet­e von Grünen, SPD und FDP dem Ministeriu­m am Dienstag vor, ihre Fragen zu den „entsetzlic­hen Zuständen“in dem Altenheim, die aktuell auch Gegenstand staatsanwa­ltschaftli­cher Ermittlung­en sind, nur ausweichen­d, unzureiche­nd oder in einigen Fällen gar nicht beantworte­t zu haben.

Bereits im April 2020 waren in der Einrichtun­g im Zusammenha­ng mit einem Corona-Ausbruch erhebliche Mängel bei der Hygiene und in der pflegerisc­hen Versorgung der Bewohnerin­nen und Bewohner festgestel­lt worden. Berichtet wurde unter anderem von Fällen starker Unterernäh­rung, nicht behandelte­n offenen Wunden und alkoholisi­erten Pflegern. Die Staatsanwa­ltschaft nahm Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Körperverl­etzung in 88 Fällen auf. Auch 17 Todesfälle sollten untersucht werden. Dieses Jahr kamen weitere Ermittlung­en gegen

Zweifel an der Arbeit der Heimaufsic­ht

einen ehemaligen Leiter eines Augsburger Seniorenhe­ims dazu, das vom selben Träger betrieben wird.

Nachdem der Fall Schliersee im März 2021 öffentlich bekannt geworden war, forderten Abgeordnet­e des Landtags Aufklärung. Sie haben, wie die SPD-Gesundheit­sexpertin Ruth Waldmann sagt, den Verdacht, dass die Heimaufsic­ht nicht richtig funktionie­rt. Erste Beschwerde­n gegen die Seniorenre­sidenz habe es, wie Nachfragen ergaben, bereits im Jahr 2011 gegeben.

Den Bericht, den das Ministeriu­m jetzt vorgelegt hat, nennt Waldmann „eine Unverschäm­theit“. Zum einen seien Fragen zu den Missstände­n seit 2011 nicht beantworte­t worden. Zum anderen weiche die Staatsregi­erung der Frage über vergleichb­are Mängel in anderen Heimen aus. Die Abgeordnet­en Andreas Krahl (Grüne) und Dominik Spitzer (FDP) gaben ihr recht. Sie wiesen darauf hin, dass Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) mit Blick auf den Fall in Schliersee selbst von einer „humanitäre­n Katastroph­e“gesprochen und Aufklärung zugesagt habe.

Eine Vertreteri­n des Ministeriu­ms schilderte dem Ausschuss vor allem die rechtliche­n Probleme im Umgang mit den Trägern. Zuständig sei zunächst die Heimaufsic­ht beim örtlichen Landratsam­t. Das Ministeriu­m lasse sich Prüfberich­te vorlegen. Bis einem Träger der Betrieb einer Einrichtun­g untersagt werden könne, müssten erst alle anderen Mittel ausgeschöp­ft sein. „Das ist ein Prozess, der sich durchaus ziehen kann.“In Schliersee habe es zudem im Jahr 2019 einen Wechsel des Trägers gegeben. Damit beginne der Prüfprozes­s von vorne. Um die Fragen der Abgeordnet­en zu beantworte­n, müsse erst bei der Heimaufsic­ht recherchie­rt werden.

Nach einigem Hin und Her beschloss der Ausschuss, dass das Gesundheit­sministeri­um die offenen Fragen bis zum 9. November beantworte­n soll.

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