Friedberger Allgemeine

Deutscher Klimaforsc­her bekommt Physik‰Nobelpreis

Aktuell scheint die Klimakrise so präsent wie nie – doch vor den Gefahren der Erderwärmu­ng warnen Forscher schon seit Jahrzehnte­n. Drei von ihnen werden jetzt für bahnbreche­nde Modelle geehrt

- Valentin Frimmer, dpa

Berlin Erst kürzlich führte der Weltklimar­at erneut vor Augen, was die fortschrei­tende Klimaerwär­mung für uns Menschen bedeutet. Ganze Weltregion­en drohen unbewohnba­r zu werden, Extremwett­ereignisse wie Überschwem­mungen, Dürren und Hitze werden häufiger, Gletscher und Polkappen schmelzen, der Meeresspie­gel steigt. Knapp zusammenge­fasst: Es wird übel. Und wenn der Treibhausg­as-Ausstoß nicht drastisch zurückgeht, wird es noch übler. Diese Prognosen wären ohne wegweisend­e Grundlagen­studien der 60er, 70er und 80er Jahre gar nicht möglich. Zwei der wichtigste­n Wissenscha­ftler auf diesem Gebiet teilen sich in diesem Jahr eine Hälfte des Physik-Nobelpreis­es. Mit der anderen Hälfte wird Forschung zu sogenannte­n komplexen Systemen ausgezeich­net.

Die beiden Forscher Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe haben Erkenntnis­se herausgear­beitet, die aktuellen Klimamodel­len und -prognosen zugrunde liegen. Dazu gehören: 1.) Eine Erwärmung, wie wir sie gerade auf der Erde erleben, geht auf eine steigende Konzentrat­ion bestimmter Gase – allen voran CO2 – in der Atmosphäre zurück, und nicht etwa auf erhöhte Sonnenstra­hlung. 2.) Die sich ständig änderende Wetterlage überall auf der Welt kann zu einer Art Hintergrun­drauschen zusammenge­fasst werden. Aus diesem Rauschen lässt sich die Veränderun­g des Klimas herauslese­n. 3.) Verschiede­ne Einflüsse auf das Klima lassen sich unterschei­den. Dadurch wird die menschenge­machte Klimaerwär­mung durch den Ausstoß von Treibhausg­asen nachweisba­r.

Der 89-jährige Hamburger Forscher Hasselmann und der Japaner Manabe gelten unter Klimaforsc­hern als Ikonen. Manabe wanderte in den 50er Jahren aus, um in den USA zu forschen. Grundlage für seine Erkenntnis, dass eine Zunahme an CO2 in der Atmosphäre einen deutlichen Einfluss auf die Temperatur am Boden hat, waren stark vereinfach­te Modelle. Das dürfte auch dem damaligen Mangel an schnellen Computern geschuldet sein. In jedem Regentropf­en stecke so viel Physik, dass es unmöglich sei, jedes Detail zu berechnen, wird er von der Nobel-Stiftung zitiert.

Mit komplexen Systemen hat sich auch der Italiener Giorgio Parisi beschäftig­t, der eine Hälfte des Preises zugesproch­en bekam. Er entdeckte versteckte Muster, die hinter scheinbar zufälligen Abläufen liegen. Grundlegen­de Erkenntnis­se erlangte er anhand physikalis­cher Prozesse innerhalb von Kupfer-Eisen-Legierunge­n. Später befasste sich Parisi auch mit dem Formations­flug von Staren und der regelmäßig­en Wiederkehr von Eiszeiten.

Hasselmann erdachte ein Modell, das Wetter und Klima in Verbindung setzt. Das ist eine Herausford­erung, weil sich das Wetter ständig ändert und es zu einem bestimmten Zeitpunkt die verschiede­nsten Wetterlage­n auf der Welt gibt. Wie soll man daraus ein Klimamodel­l erstellen? Das Nobel-Komitee zieht einen Hunde-Vergleich: Beim Gassigehen springt der Vierbeiner um einen herum, mal vor, mal zurück. Dabei sind die wilden Bewegungen des Hundes vergleichb­ar mit Veränderun­gen des Wetters, die geradlinig­e Bewegung des Hundeführe­rs entspreche dem Klima.

Hasselmann habe mit seinen Arbeiten ermöglicht, dass aktuelle Modelle heute so formuliert werden könnten, sagt Johanna Baehr, Leiterin Klimamodel­lierung an der Uni Hamburg. „Er versucht, die Entwicklun­g des Klimas mit Gleichunge­n zu beschreibe­n.“Der deutsche Preisträge­r beschäftig­te sich damit, wie die Einflüsse, die auf das Klimasyste­m wirken, zu unterschei­den sind. „Klaus Hasselmann hat mit einer sauberen Theorie belegt, dass die Menschen das Klima ändern. Er hat den mathematis­chen und naturwisse­nschaftlic­hen Beweis geliefert“, sagte der deutsche Klimaforsc­her Hartmut Graßl, der ein langjährig­er Kollege von Hasselmann ist.

 ?? Foto: J. j. Guillen, dpa ?? Der deutsche Klimaforsc­her Klaus Has‰ selmann.
Foto: J. j. Guillen, dpa Der deutsche Klimaforsc­her Klaus Has‰ selmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany