Tanzunterricht mit Zoom und Maske
Ballettschulen Den Ausbildungsstätten hat die Pandemie schwer zugesetzt. Das Niveau der Schülerinnen und Schüler hat unter dem Online-Unterricht aber nicht gelitten. Und manchmal inspirierten die Corona-Regeln auch
Selbst für die Kleinsten ist die Maske kein Problem Auch unter der Dusche kann man fantastisch tanzen
Wenn etwas antithetisch zu Masken, Abstandsregeln und ZoomMeetings ist, dann Ballett. Tanzen lebt von Leichtigkeit, Nähe und sozialer Interaktion. Entsprechend gelitten haben Tänzer und Tanzpädagogen: Manche suchten notgedrungen andere Jobs, bei den großen angelsächsischen Kompanien gab es einen Babyboom und Kritiker unkten, die unfreiwillige Pause könnte gar das Ende dieser Kunstform einläuten. Schaut man sich bei Augsburgs Ballettschulen um, kann man diese Sorge getrost beiseitelegen: Da werden wieder fleißig Tendus exerziert und Pas de chats gesprungen. Aber auch die Ausbildungsstätten haben während des Corona-Lockdowns gelitten – die kleinen und neueren, weil sie im Aufbau schon ums Überleben kämpfen mussten, die großen, weil es bei hunderten Schülern umso aufwendiger war, alles zu erhalten. Wie sind sie mit dieser Herausforderung umgegangen und welche Pläne für die Zukunft gibt es?
Geradezu ein Triumph über die Corona-Tristesse waren drei Aufführungen der Spanischen Ballettschule Ende Juli im Kulturhaus Abraxas: In bonbonfarbenen Tutus strahlten die Allerkleinsten stolzen Eltern von der Bühne entgegen und die älteren Schülerinnen und Schüler zeigten, dass man also doch über Zoom und in den kurzen Phasen coronakonformen Trainings vor Ort erstaunlich viel erarbeiten konnte: Von Repertoire-Choreos über Ausschnitte aus dem Handlungsballett „Coppélia“bis zu Modern war Tanz auf einem Niveau zu sehen, dem an keiner Stelle anzumerken war, dass drei Viertel davon über Zoom einstudiert worden waren.
Kaum ein Jahr hatte die jüngste Augsburger Ballettschule bestanden, als Inhaber Francisco („Paco“) Ruiz-Echarri Laguna im Frühjahr 2020 wie alle anderen erstmals schließen musste. „Alle haben an uns und unseren Erfolg geglaubt, dafür bin ich meinem Team und unseren Schüler:innen und Eltern sehr dankbar“, erzählt der ehemalige Tänzer am Staatstheater. Felsenfest an Ruiz-Echarri Laguna und seine Kompagnons Jiwon Kim-Doede und Nik Doede geglaubt haben unter anderem die siebenjährige Patricia und ihre Mutter Christiane Rattinger: „Die Kinder lieben die Stunden, weil es spielerisch ist, aber sie trotzdem motiviert werden, sich anzustrengen, und am Ende ein tolles Erfolgserlebnis haben. Paco hat auch online immer gute Laune verbreitet und das Gemeinschaftsgefühl aufrechterhalten. Die Jüngeren fühlen sich als Teil von etwas Großem.“
Teenager und erwachsene Schüler, die bei Nik Doede an der Spanischen Ballettschule Modern tanzen, haben die Stunden nicht nur als Ablenkung genommen, sondern Lockdown-Frust und Post-Corona-Lebensfreude in die Choreografie „Cycles“eingearbeitet: „Diese vielen Stunden mit Zoom brachten auch Inspiration“, erklärt der aktive Staatstheater-Tänzer. „Es hat sich angefühlt, wie durch einen Kreislauf zu gehen, und dann durch noch einen, und den nächsten. Alles, was sich dadurch an menschlicher Kommunikation verändert, wie wir vereinzeln und dann jemand, der ausbricht, doch wieder alle zusammenbringt, das haben wir in Bewegungen
umgesetzt.“Die mal minimalistischen, mal energiegeladenen Moves der einzelnen Tänzerinnen waren auch von dem Raum beeinflusst, den sie zu Hause zum Tanzen hatten.
Den räumlichen Aspekt des Online-Unterrichts hatte auch Daniel Záboj am Beginn des Lockdowns amüsiert aufgegriffen und seinen Schülerinnen und Schülern gezeigt, dass man sogar im Bett oder in der Dusche fantastisch tanzen kann. „Krisen können für kreative Menschen sehr interessant sein, um
Neues auszuprobieren – aber auf Dauer war es nur frustrierend“, resümiert Záboj, der ebenfalls am Staatstheater tanzte, bevor er vor neun Jahren die traditionsreiche Otevrel-Akademie übernahm. Stolz ist Záboj, dass auch während des Lockdowns vier seiner Zöglinge aus der Ausbildungsklasse die Aufnahmeprüfungen an staatlichen Schulen bestanden haben. Das Künstlerische und Pädagogische ist für den Perfektionisten eine Seite seines Berufs: „Gestreamte Klassen limitieren doch und wir mussten vieles umstrukturieren. Wo Unterricht so nicht möglich war, habe ich den Kindern etwas über die Geschichte des Balletts erzählt oder Bücher vorgelesen und an Fastnacht zusammen mit Carina John eine große Show als Jack Sparrow getanzt und gestreamt. Aber Kinder müssen sich viel bewegen, um sich körperlich und seelisch entwickeln zu können, und manchmal hatte ich das Gefühl, wir werden zu Therapeuten. Es ist immer noch eine komische Stimmung, alle fühlen sich überfordert, die Disziplin fehlt und manche Kinder wollen weiterhin nur gestreamten Unterricht.“Auf der anderen Seite steht für Záboj das Ökonomische: „Auch wir großen Ballettschulen sind doch nur kleine Wirtschaftsunternehmen. Ich musste einen Teil meines Teams in Kurzarbeit schicken. Manche Familien hatten Jobs verloren und konnten die Kursgebühren nicht wie früher zahlen, während Mieten und Nebenkosten stiegen.“Anfang 2022 zieht daher mit dem Talentförderverein Young Stage ein enger Kooperationspartner
der Ballett- und Tanzakademie Daniel Záboj in die Räumlichkeiten in der Morellstraße dazu.
Auch die großen Säle des DanceCenter No1 im Glaspalast standen lange leer. Umso mehr freut sich Inhaberin Natalie Böck, dass sie sich nun wieder mit Leben füllen. Sie beobachtet, wie selbstverständlich es für die Allerkleinsten im Pre-Ballett ist, Abstand zu halten und Masken zu tragen. „Sie kennen es gar nicht anders. Das ist praktisch für die Dozenten, solange wir Regeln einhalten müssen, aber es zeigt natürlich auch, wie sehr sich die Welt der Kinder verändert hat.“Dem DanceCenter No1 verhagelte Corona ausgerechnet das 25. Jubiläumsjahr: Feste, Galas, Gastspiele und Austausch mit internationalen Partnern waren längst vorbereitet. Böck blickt trotzdem mit Pragmatismus und Dankbarkeit zurück: „Wir haben sofort technisch aufgerüstet und sämtliche Stunden aus den Ballettsälen gestreamt. So konnten wir alle Dozenten in Beschäftigung halten. Und es gab auch tolle Momente: Plötzlich haben Zwillinge aus New York, die wir bei einem Austausch kennengelernt hatten, an einer unserer Stunden teilgenommen. Und der Kern unserer Ausbildungsklassen hat einen aufwendigen Film mit Glückwünschen gedreht – da saßen wir dann weinend auf dem Sofa.“
Das Jubiläum soll nicht nachgeholt werden, lieber wollen Natalie Böck und István Németh „das Hamsterrad nicht wieder voll anwerfen und weiter auch mal Dinge hinterfragen oder anders machen“– auf die traditionellen Aufführungen an Weihnachten und im Sommer können sich aber auf jeden Fall alle schon freuen.