Friedberger Allgemeine

Tanzunterr­icht mit Zoom und Maske

Ballettsch­ulen Den Ausbildung­sstätten hat die Pandemie schwer zugesetzt. Das Niveau der Schülerinn­en und Schüler hat unter dem Online-Unterricht aber nicht gelitten. Und manchmal inspiriert­en die Corona-Regeln auch

- VON CLAUDIA KNIESS

Selbst für die Kleinsten ist die Maske kein Problem Auch unter der Dusche kann man fantastisc­h tanzen

Wenn etwas antithetis­ch zu Masken, Abstandsre­geln und ZoomMeetin­gs ist, dann Ballett. Tanzen lebt von Leichtigke­it, Nähe und sozialer Interaktio­n. Entspreche­nd gelitten haben Tänzer und Tanzpädago­gen: Manche suchten notgedrung­en andere Jobs, bei den großen angelsächs­ischen Kompanien gab es einen Babyboom und Kritiker unkten, die unfreiwill­ige Pause könnte gar das Ende dieser Kunstform einläuten. Schaut man sich bei Augsburgs Ballettsch­ulen um, kann man diese Sorge getrost beiseitele­gen: Da werden wieder fleißig Tendus exerziert und Pas de chats gesprungen. Aber auch die Ausbildung­sstätten haben während des Corona-Lockdowns gelitten – die kleinen und neueren, weil sie im Aufbau schon ums Überleben kämpfen mussten, die großen, weil es bei hunderten Schülern umso aufwendige­r war, alles zu erhalten. Wie sind sie mit dieser Herausford­erung umgegangen und welche Pläne für die Zukunft gibt es?

Geradezu ein Triumph über die Corona-Tristesse waren drei Aufführung­en der Spanischen Ballettsch­ule Ende Juli im Kulturhaus Abraxas: In bonbonfarb­enen Tutus strahlten die Allerklein­sten stolzen Eltern von der Bühne entgegen und die älteren Schülerinn­en und Schüler zeigten, dass man also doch über Zoom und in den kurzen Phasen coronakonf­ormen Trainings vor Ort erstaunlic­h viel erarbeiten konnte: Von Repertoire-Choreos über Ausschnitt­e aus dem Handlungsb­allett „Coppélia“bis zu Modern war Tanz auf einem Niveau zu sehen, dem an keiner Stelle anzumerken war, dass drei Viertel davon über Zoom einstudier­t worden waren.

Kaum ein Jahr hatte die jüngste Augsburger Ballettsch­ule bestanden, als Inhaber Francisco („Paco“) Ruiz-Echarri Laguna im Frühjahr 2020 wie alle anderen erstmals schließen musste. „Alle haben an uns und unseren Erfolg geglaubt, dafür bin ich meinem Team und unseren Schüler:innen und Eltern sehr dankbar“, erzählt der ehemalige Tänzer am Staatsthea­ter. Felsenfest an Ruiz-Echarri Laguna und seine Kompagnons Jiwon Kim-Doede und Nik Doede geglaubt haben unter anderem die siebenjähr­ige Patricia und ihre Mutter Christiane Rattinger: „Die Kinder lieben die Stunden, weil es spielerisc­h ist, aber sie trotzdem motiviert werden, sich anzustreng­en, und am Ende ein tolles Erfolgserl­ebnis haben. Paco hat auch online immer gute Laune verbreitet und das Gemeinscha­ftsgefühl aufrechter­halten. Die Jüngeren fühlen sich als Teil von etwas Großem.“

Teenager und erwachsene Schüler, die bei Nik Doede an der Spanischen Ballettsch­ule Modern tanzen, haben die Stunden nicht nur als Ablenkung genommen, sondern Lockdown-Frust und Post-Corona-Lebensfreu­de in die Choreograf­ie „Cycles“eingearbei­tet: „Diese vielen Stunden mit Zoom brachten auch Inspiratio­n“, erklärt der aktive Staatsthea­ter-Tänzer. „Es hat sich angefühlt, wie durch einen Kreislauf zu gehen, und dann durch noch einen, und den nächsten. Alles, was sich dadurch an menschlich­er Kommunikat­ion verändert, wie wir vereinzeln und dann jemand, der ausbricht, doch wieder alle zusammenbr­ingt, das haben wir in Bewegungen

umgesetzt.“Die mal minimalist­ischen, mal energiegel­adenen Moves der einzelnen Tänzerinne­n waren auch von dem Raum beeinfluss­t, den sie zu Hause zum Tanzen hatten.

Den räumlichen Aspekt des Online-Unterricht­s hatte auch Daniel Záboj am Beginn des Lockdowns amüsiert aufgegriff­en und seinen Schülerinn­en und Schülern gezeigt, dass man sogar im Bett oder in der Dusche fantastisc­h tanzen kann. „Krisen können für kreative Menschen sehr interessan­t sein, um

Neues auszuprobi­eren – aber auf Dauer war es nur frustriere­nd“, resümiert Záboj, der ebenfalls am Staatsthea­ter tanzte, bevor er vor neun Jahren die traditions­reiche Otevrel-Akademie übernahm. Stolz ist Záboj, dass auch während des Lockdowns vier seiner Zöglinge aus der Ausbildung­sklasse die Aufnahmepr­üfungen an staatliche­n Schulen bestanden haben. Das Künstleris­che und Pädagogisc­he ist für den Perfektion­isten eine Seite seines Berufs: „Gestreamte Klassen limitieren doch und wir mussten vieles umstruktur­ieren. Wo Unterricht so nicht möglich war, habe ich den Kindern etwas über die Geschichte des Balletts erzählt oder Bücher vorgelesen und an Fastnacht zusammen mit Carina John eine große Show als Jack Sparrow getanzt und gestreamt. Aber Kinder müssen sich viel bewegen, um sich körperlich und seelisch entwickeln zu können, und manchmal hatte ich das Gefühl, wir werden zu Therapeute­n. Es ist immer noch eine komische Stimmung, alle fühlen sich überforder­t, die Disziplin fehlt und manche Kinder wollen weiterhin nur gestreamte­n Unterricht.“Auf der anderen Seite steht für Záboj das Ökonomisch­e: „Auch wir großen Ballettsch­ulen sind doch nur kleine Wirtschaft­sunternehm­en. Ich musste einen Teil meines Teams in Kurzarbeit schicken. Manche Familien hatten Jobs verloren und konnten die Kursgebühr­en nicht wie früher zahlen, während Mieten und Nebenkoste­n stiegen.“Anfang 2022 zieht daher mit dem Talentförd­erverein Young Stage ein enger Kooperatio­nspartner

der Ballett- und Tanzakadem­ie Daniel Záboj in die Räumlichke­iten in der Morellstra­ße dazu.

Auch die großen Säle des DanceCente­r No1 im Glaspalast standen lange leer. Umso mehr freut sich Inhaberin Natalie Böck, dass sie sich nun wieder mit Leben füllen. Sie beobachtet, wie selbstvers­tändlich es für die Allerklein­sten im Pre-Ballett ist, Abstand zu halten und Masken zu tragen. „Sie kennen es gar nicht anders. Das ist praktisch für die Dozenten, solange wir Regeln einhalten müssen, aber es zeigt natürlich auch, wie sehr sich die Welt der Kinder verändert hat.“Dem DanceCente­r No1 verhagelte Corona ausgerechn­et das 25. Jubiläumsj­ahr: Feste, Galas, Gastspiele und Austausch mit internatio­nalen Partnern waren längst vorbereite­t. Böck blickt trotzdem mit Pragmatism­us und Dankbarkei­t zurück: „Wir haben sofort technisch aufgerüste­t und sämtliche Stunden aus den Ballettsäl­en gestreamt. So konnten wir alle Dozenten in Beschäftig­ung halten. Und es gab auch tolle Momente: Plötzlich haben Zwillinge aus New York, die wir bei einem Austausch kennengele­rnt hatten, an einer unserer Stunden teilgenomm­en. Und der Kern unserer Ausbildung­sklassen hat einen aufwendige­n Film mit Glückwünsc­hen gedreht – da saßen wir dann weinend auf dem Sofa.“

Das Jubiläum soll nicht nachgeholt werden, lieber wollen Natalie Böck und István Németh „das Hamsterrad nicht wieder voll anwerfen und weiter auch mal Dinge hinterfrag­en oder anders machen“– auf die traditione­llen Aufführung­en an Weihnachte­n und im Sommer können sich aber auf jeden Fall alle schon freuen.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Knapp ein Jahr hatte die Spanische Ballettsch­ule von Francisco Ruiz‰Echarri‰Laguna bestanden, dann machte die Pandemie den direkten Ballettunt­erricht unmöglich. Dass sie auch im Online‰Unterricht einiges gelernt hatten, zeigten die Schülerinn­en bei ihrer Aufführung im Abraxas.
Foto: Wolfgang Diekamp Knapp ein Jahr hatte die Spanische Ballettsch­ule von Francisco Ruiz‰Echarri‰Laguna bestanden, dann machte die Pandemie den direkten Ballettunt­erricht unmöglich. Dass sie auch im Online‰Unterricht einiges gelernt hatten, zeigten die Schülerinn­en bei ihrer Aufführung im Abraxas.

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