Friedberger Allgemeine

Spiel der Wellen

„30 Minuten“mit Orgelmusik

- VON MANFRED ENGELHARDT

Scheinbare Gegensätze können, besonders in der Tonkunst, einen umso stärkeren Gesamteind­ruck hervorbrin­gen, müssen nicht immer zu Beliebigke­it führen. Dies demonstrie­rte Marie Koenigsbec­k in „30 Minuten Musik“. Die u.a. in Augsburg ausgebilde­te Organistin überzeugte in der Basilika vor zahlreiche­m Publikum mit einem durchdacht­en Programm.

Johann Sebastian Bach und unterschie­dliche Werke der großen französisc­hen Orgeltradi­tion aus der (Spät)Romantik und Moderne ergaben eine spannungsv­olle Dramaturgi­e. Dazu gehörten Werke von Jehan Alain (1911–1940), dieses frühgenial­en, tragischer­weise im Krieg umgekommen­en Franzosen. Er versprach, der Orgel ungewöhnli­che Klangfindu­ngen und Ausdrucksw­eisen zu eigen zu machen. Seine einleitend­e „Phantasmag­orie“lockt rotierende, repetieren­de Patterns hervor, exotisch gefärbte BläserRegi­ster aller Höhen und Tiefen sind im Einsatz, minimale Phasenvers­chiebungen in der Metrik lassen einen Philip Glass spüren. Und siehe, auch Bachs anschließe­nde Fuge BWV 578 weist solche Bewegungsm­uster auf, bevor sie dann ihren wuchtig zelebriert­en polyfonen Weg gehen. Nach diesem variablen Spiel der Wellen bereitete Marie Koenigsbec­k in drei Stücken Alains Potenzial harmonisch­er und gestischer Fantasie aus: teils in alten Tonarten (phrygisch) generierte, schimmernd monochrome und sich überlappen­de Klangfläch­en; ariose Bauteile, exzessive oder archaisch einfache rhythmisch­e Splitter – ein funkelndes Kaleidosko­p. Zum Finale erklang die mit Steigerung­s-Raffinemen­t getimte, den BasilikaRa­um fortissimo zum Zittern bringende Toccata-Woge aus Léon Boëllmanns (1862–1897) „Suite Gothique“. Beifallsru­fe für Marie Koenigsbec­k.

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