Friedberger Allgemeine

Bitte auf Abstand bleiben

Thomas Müller äußert sich zu mehreren Themen erfrischen­d differenzi­ert. Der Münchner hat beispielsw­eise eine ganz eigene Meinung zum viel diskutiert­en Thema Fannähe

- VON TILMANN MEHL

Hamburg Jens Grittner muss sich keine Sorgen machen. Seine Arbeitsste­lle als Pressespre­cher der Nationalma­nnschaft ist sicher. Der 51-Jährige führt nun schon seit 2012 souverän durch die Pressekonf­erenzen, wann immer die Nationalma­nnschaft zusammenko­mmt Am Dienstag aber könnte ihm der Gedanke gekommen sein, künftig etwas kürzerzutr­eten, möglicherw­eise darum zu bitten, seinem Job als Teilzeitan­gestellter nachzugehe­n.

Thomas Müller hatte sich neben Grittner gesetzt, um über das anstehende EM-Qualifikat­ionsspiel am Freitag gegen Rumänien (20.45 Uhr, zu sprechen. Der Münchner gilt seit jeher als inoffiziel­ler Sprecher jeder Mannschaft, deren Trikot er trägt. Am Dienstag aber unterbrach er sogar Grittner, als dieser ausholte, die Medienakti­vitäten der Spieler in den kommenden Tagen zu erläutern. Dabei war es Grittner vor allem wichtig, darauf hinzuweise­n, dass die Akteure auch auf Anhängerin­nen und Anhänger treffen und sich mit diesen austausche­n. Nachdem die Mannschaft am Montag am Spielort Hamburg angekommen war, wurde rasch Kritik laut, das Team würde sich von den Fans abschotten. Als nun also Grittner widerlegen wollte, dass den Spielern die Fannähe abhandenge­kommen sei, griff Müller ein. Im Allgemeine­n und Speziellen. So sei es keinesfall­s abgehobene Attitüde, sich den Anhängern zu entziehen. Er wisse schlicht noch nicht, „wie ich mich verhalten soll“.

Schließlic­h würden immer noch Corona-Regelungen gelten, da sei es „schwierig, eine klare Linie zu finden“. Grundsätzl­ich sehe er es aber nicht so, dass die Profis es an Nähe fehlen lassen. „Wir Spieler geben heute viel mehr Informatio­nen oder Nähe preis als früher.“Über die sozialen Medien würde man sogar einen Teil der Privatsphä­re abgeben – wenngleich er einräumte, dass es sich dabei auch um „Vermarktun­gsstrategi­e“einzelner Spieler handle. Sein Schluss: „Wir sind den Fans viel näher, als es die Spieler vielleicht noch vor 20 Jahren waren. Wir haben viele Typen, die sehr offen sind“, so Müller. Er sei kein Freund davon, Aktionen einzig aus dem Grund zu machen, um Fannähe zu demonstrie­ren. „Das Wichtigste ist, dass wir sportlich alles daran setzen, zu überzeugen. Das verbindet uns mit Fans, das honorieren die Fans“, erzählte Müller, der auf den 6:0-Sieg gegen Armenien im September anspielte, als die Fans das Spiel stimmungsv­oll begleitete­n.

Der Offensivsp­ieler äußerte sich aber nicht nur differenzi­ert über den Austausch mit den Fans. Auch hinsichtli­ch des vollen Terminkale­nders als Nationalsp­ieler übte er sich in Ausgewogen­heit. Erst durch eine Journalist­enfrage wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass im kommenden Sommer nach Beendigung der Bundesliga-Saison noch vier Spiele der Nations League auf die Nationalsp­ieler warten. „Ich hatte eigentlich gedacht, ich hätte den Juni frei“, gab Müller zu. Allerdings setzte er nicht dazu an, die Uefa ob der Planung zu kritisiere­n. Er sei ein Freund davon, auch die Bedürfniss­e der anderen Seite zu sehen. Die Spiele seien sicher schon vermarktet und er könne nicht „nur Teil des Positiven sein und das Negative abstreifen“, sprich: die schönen Seiten des Profitums genießen und all das Lästige sein lassen. „Da sehe ich uns schon in der Pflicht, damit sinnvoll umzugehen“, sagte er zu den Partien im kommenden Sommer. Angesetzt übrigens vom europäisch­en Fußballver­band, der sich gegen die Pläne des Weltverban­des Fifa wehrt, eine WM alle zwei Jahre auszutrage­n, weil die Spieler ja dann keine Sommerpaus­e mehr hätten.

Möglicherw­eise aber kann sich immerhin Grittner einen freien Juni gönnen. Müllers Vielseitig­keit auf dem Feld ist bekannt, vielleicht könnte er einen Monat lang auch auf der Position des Pressespre­chers glänzen.

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