50 Jahre – und gefragt wie eh und je
Historie Er ist weder der sportlichste noch der schönste in der langen Ahnenreihe. Doch keine Generation des Mercedes SL lief länger als der R 107. Was der meistverkaufte Luxusroadster der Welt heute noch kostet
Curd Jürgens hatte einen, Gerd Müller und Uschi Glas ebenfalls. Und auch die TV-Serien „Dallas“oder „Hart aber herzlich“wollten nicht auf ihn verzichten. Denn egal ob auf der Leinwand oder im echten Leben war der Mercedes SL aus der Baureihe R 107 bei den gut situierten Genießern immer gerne genommen.
Seinen Einstand gab der Roadster als Nachfolger der sogenannten Pagode aus der Baureihe W 113 im April 1971. Und außer dem Namen hatte dieser SL mit dem Vorgänger nichts mehr gemein, sagt MercedesClassic-Sprecher Ralph Wagenknecht: Technisch eng mit den damaligen Pkw-Baureihen wie dem Strich-8 verwandt, machte der SL deshalb mit dem Wechsel zur Generation 107 einen riesigen Sprung.
Und das galt nicht nur für die Konstruktion, sondern auch für die Kraftquelle – denn erstmals kam der Roadster nun auch mit einem V8-Motor. Den übernahmen die Schwaben aus dem 280 SE. 3,5 Liter Hubraum und anfangs 147 kW/200 PS – das waren vor allem in Amerika gute Argumente, und selbst am stolzen Grundpreis von 29 970 D-Mark schien sich kaum einer zu stören.
Allerdings darf man sich von Hubraum und Leistung nicht blenden lassen: Auch wenn der SL ganz zu Beginn seiner Karriere mal ein etwas veredelter Rennwagen mit Straßenzulassung war, ist der 107er alles andere als ein Sportwagen.
Immerhin beschleunigt ein 350 SL in 8,8 Sekunden von null auf Tempo 100 und kommt bei Vollgas auf 210 km/h. Doch war der 107er immer als komfortabler Cruiser gedacht und nie als ein Auto, mit dem man die Kurven auf der letzten Rille nimmt. Dem Erfolg hat das aber offenbar keinen Abbruch getan. Denn mit 237287 Exemplaren gilt dieser SL bis heute als bislang meistverkaufter Luxusroadster der Welt.
Dass sich der 107 so häufig verkauft hat, liegt natürlich auch an seiner langen Karriere. Während eine Baureihe üblicherweise auch damals schon nach spätestens zehn Jahren erneuert wurde, blieb der 107er 18 Jahre im Programm. Immer wieder auf den neuesten Stand gebracht, wich er erst 1989 der Baureihe 129.
Die lange Laufzeit zeugt von der wegweisenden Entwicklung, sagt Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic Analytics. Dass ein Auto über fast zwei Jahrzehnte gebaut werde, sei eine absolute Seltenheit, die bei Mercedes so nur die G-Klasse geschafft habe. „Das passiert nur, wenn sich eine Neuentwicklung nicht lohnt oder wenn das Auto ein richtig großer Wurf war“, so der Experte.
Frank Knothe, Leiter der Baureihe, stand übrigens seinerzeit beim Roadster vor einer besonderen Herausforderung. Ausgerechnet in Amerika als dem damals wie heute wichtigsten Markt für den SL gab es Probleme. Verbraucherschützer Ralph Nader hatte massiv Stimmung gegen offene Autos gemacht und lautstark Sicherheitsbedenken geäußert. „Da durften wir uns also keine Blöße geben“, erinnert sich der einstige Chefingenieur Frank Knothe. Ihm bleibt deshalb weniger der erste Einsatz eines Achtzylinders im SL hängen oder der in einem offenen Auto bis dato unerreichte Komfort.
Sondern es sind die bocksteife Karosserie mit unterschiedlich dicken Blechen für ein definiertes Knautschverhalten beim Crash, die für mehr Steifigkeit eingeklebte Frontscheibe oder der extrem stabile Scheibenrahmen, der den Überrollbügel überflüssig machte.
Selbst an Details haben sie damals gedacht: Kunststoffflächen im Innenraum wurden hinterschäumt und die Rillen in den Rückleuchten sollten verhindern, dass Staub sich festsetzen und so die Sichtbarkeit trüben konnte.
Die selbst gesteckten Ziele für die Sicherheit zahlen sich heute in einer ganz anderen Hinsicht aus: „Der 107er ist von herausragender Qualität und sehr viel haltbarer als viele andere Oldtimer seiner Zeit“, sagt Marktbeobachter Wilke. „Bei den besten Oldtimern für Einsteiger rangiert der SL der Baureihe 107 immer unter den Top Ten.“
Er biete das Design, das Ambiente und das Fahrgefühl eines Klassikers, sei aber absolut alltagstauglich, sagt Wilke. „Klar gibt es auch toprestaurierte Exemplare und Raritäten, die mal für sechsstellige Preise angeboten werden. Doch auch schon für wenig mehr als 10000 Euro kann man noch durchaus fahrfähige Exemplare finden.“