Chef-Pathologe: „Diese Krankheit ist böse“
Medizin Der Augsburger Professor Bruno Märkl sagt, in den meisten Fällen sterben die Menschen direkt an Corona – und nicht nur „mit“dem Virus. Das Durchschnittsalter der Corona-Toten ist in Augsburg zuletzt deutlich gesunken
Der Augsburger Mediziner Bruno Märkl gehörte zu den ersten Pathologen in Deutschland, die Corona-Tote obduzierten. Das war im Frühjahr 2020. Die Pandemie war damals noch neu, das Virus und seine Auswirkungen wenig erforscht. Was er bei den Leichenöffnungen sah, sagt Märkl, sei „ein Stück weit schockierend“gewesen. Normalerweise muss die Lunge wie ein Schwamm aussehen, mit vielen kleinen Bläschen. Doch bei den Patienten war das Lungengewebe massiv verhärtet und vernarbt. So, dass nicht mehr genug Sauerstoff ins Blut kam. „Eine solche Veränderung der Lunge habe ich vorher nicht gesehen“, sagt Märkl. Der Professor leitet das Institut für Pathologie und molekulare Diagnostik an der Augsburger Uniklinik. Rund 150 Menschen, die an Corona gestorben sind, haben Märkl und sein Team inzwischen untersucht. Darunter ist auch eine kleinere Zahl an Patienten, die bereits geimpft waren. Er ist überzeugt: „Diese Krankheit ist böse, das ist nichts Harmloses.“Bei der Stadt Augsburg stellt man indes fest, dass das Durchschnittsalter der CoronaTodesopfer sinkt.
Insgesamt sind an der Augsburger Uniklinik seit Beginn der Pandemie rund 430 Corona-Patienten gestorben. Bei rund einem Drittel der Verstorbenen stimmten die Angehörigen zumindest einer teilweisen Obduktion zu. Mehr Obduktionen als in Augsburg wurden in Deutschland bisher nur an der Rechtsmedizin in Hamburg durchgeführt. Die Untersuchungen seien „extrem wichtig“, sagt Märkl, um die Viruserkrankung und deren Folgen besser zu verstehen. Die zeitweise intensiv geführte Debatte, ob die Corona-Erkrankten überwiegend „an“oder nur „mit“dem Virus gestorben sind, kann der Mediziner nicht nachvollziehen.
Die große Mehrzahl, rund 85 Prozent der Obduzierten, sei unmittelbar an den Folgen der Viruserkrankung gestorben - und zwar an einer dadurch ausgelösten Lungenentzündung. Das Problem liegt nach den Erkenntnissen der Augsburger Mediziner eindeutig in der Lunge. Andere Organe, auch das Gehirn, seien vom Virus nur wenig betroffen. Märkl sagt, das schließe aber nicht aus, dass Patienten auch neurologische Probleme haben könnten - möglicherweise ausgelöst durch die Reaktion des körpereigenen Immunsystems. Viele der Corona-Toten hätten Vorerkrankungen gehabt, sagt Märkl. Allerdings seien diese bei einem Durchschnittsalter der Obduzierten von 74 Jahren auch zu erwarten. Als der Arzt in dieser Woche seine Erkenntnisse bei der Vortagsreihe der Volkshochschule in Stadtbergen vorstellt, sagt er: „Wer ist in diesem Alter wirklich kerngesund?“Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes seien weit verbreitet. Bei den vom ihm obduzierten Corona-Patienten hätten diese aber so schnell nicht zum Tod geführt, ist er überzeugt.
Die meisten hätten noch jahrelang damit leben können, sagt Märkl. Einer 80-Jährigen würden durch Corona so fünf bis zehn Jahre ihres Lebens gestohlen. Zumal es auch jüngere Todesopfer gibt - und darunter auch Menschen, die keine ernsthafte Vorerkrankung hatten. 33 untersuchte Tote waren 65 oder jünger. Wiederum etwa ein Drittel von ihnen sei vor der Infektion körperlich gesund gewesen.
Dass auch die Corona-Impfung nicht jeden schützt, sei keine Überraschung, sagt der Professor. Es gebe keinen Impfstoff, der hundertprozentigen Schutz verspreche. Märkl hat mit seinem Team inzwischen auch 18 Corona-Tote untersucht, die geimpft waren. Zwölf der Gestorbenen waren einmal geimpft, sechs hatten einen vollständigen Impfschutz. Die ersten Erkenntnisse der Augsburger Forscher decken sich mit dem, was auch überregional bekannt ist. Vor allem bei den vollständig Geimpften waren die Gestorbenen im Schnitt älter und zudem entweder an Krebs erkrankt - oder sie litten an einer Krankheit, bei der das Immunsystem sich gegen den eigenen Körper richtet. Diese Betroffenen erhalten oft auch Medikamente, die das Immunsystem bremsen. Fälle, bei denen Geimpfte an den Folgen der Impfung selbst gestorben sind, gebe es zwar, so Märkl. Bei AstraZeneca wurde eine Häufung von Sinusvenenthrombosen bei jüngeren Frauen festgestellt. Er habe aber in Augsburg bisher noch von keinem solchen Fall etwas mitbekommen.
Bei der Stadt Augsburg stellt man fest, dass das Durchschnittsalter der Corona-Toten zuletzt deutlich gesunken ist. Die Ursache dafür dürfte unter anderem die hohe Impfquote bei älteren Menschen sein. Zudem gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass die derzeit dominierende Delta-Mutation zu mehr schweren Verläufen führt als die vorherigen Virusvarianten. In der ersten und zweiten Jahreshälfte 2020 lag das Durchschnittsalter der Verstorbenen nach Angaben des städtischen Gesundheitsreferats noch bei 82 Jahren. In der ersten Jahreshälfte 2021 lag es bei 78 Jahren - und in der zweiten Jahreshälfte, Stand diese Woche, bei nur noch 65 Jahren. Das bislang jüngste Todesopfer in Augsburg war 31. Insgesamt sind in der Stadt Augsburg bislang 416 Corona-Todesfälle gezählt worden - zuletzt war der Anstieg aber deutlich weniger stark als noch in der ersten Jahreshälfte. Dass die Zahlen der Uniklinik höher sind als die städtischen, liegt daran, dass dort auch Patienten behandelt werden, die nicht aus Augsburg sind.
Einzelne tödliche Infektionen trotz Impfung zählt auch das Gesundheitsamt der Stadt Augsburg insgesamt sind es bisher acht Todesfälle in der Stadt. Sieben Personen seien vollständig geimpft gewesen. Bei der achten gestorbenen Person sei die zweite Impfdosis zwar schon verabreicht worden - aber das lag noch keine 14 Tage zurück. Auch hier zeigt sich: Schwere Impfdurchbrüche treffen vor allem ältere Menschen. Der bislang jüngste CoronaPatient in Augsburg, der trotz Impfung gestorben ist, war 82 Jahre alt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die jüngeren Patienten, die zuletzt in Augsburg gestorben sind, waren nicht durch eine Impfung geschützt.
Aktuell erleben die Mediziner an der Augsburger Uniklinik, dass ungeimpfte Patienten oder auch deren Angehörige das Corona-Virus leugnen - obwohl es den Menschen schlecht geht und sie auch Atemnot haben. Pathologe Bruno Märkl sagt: „Wer die schwer geschädigten Lungen sieht und dann immer noch Zweifel hat, ob es diese Erkrankung gibt, der liegt einfach falsch.“