Söder zieht den Schlussstrich
Nach der Ankündigung von Grünen und FDP, mit der SPD Sondierungsgespräche zu beginnen, schafft der CSU-Chef umgehend Fakten. Warum gibt er Jamaika so schnell auf?
München Zwei Verehrer stehen vor der Tür. Der eine ist schöner, entschlossener und mit sich selbst im Reinen. Der andere ist aktuell nicht so attraktiv, einigermaßen ramponiert und hadert mit sich selbst. Der Schönere wird ins Haus gebeten. Der andere wird draußen vor der Tür stehen gelassen. Was soll er tun? In untätiger Verzweiflung verharren und weiter warten, obwohl es realistischer Weise keine Hoffnung mehr gibt? Oder sich in sein Schicksal fügen und gehen, um zumindest seine Würde und Selbstachtung zu retten?
CSU-Chef Markus Söder hat sich am Mittwoch, ohne lange zu zögern, für die zweite Möglichkeit entschieden und damit schnell Fakten geschaffen. „Jetzt ist die Ampel die klare Nummer Eins“, sagt er, kurz nachdem sowohl Grüne als auch FDP verkündet hatten, bereits an diesem Donnerstag mit der SPD Sondierungsgespräche zu beginnen. „Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauerlauerstellung“, sagt Söder. Er bedauere die Entscheidung ausdrücklich, aber genauso ausdrücklich respektiere er sie auch. Die Union habe FDP und Grünen „ernsthafte Angebote“gemacht, beteuert Söder, „aber – das ist auch wahr – es kommt ja nicht völlig überraschend nach diesem Parallelgespräche wären ehrlich gewesen, Schattenverhandlungen aber machten keinen Sinn, betont Söder. Es gehe dabei auch um „Selbstachtung und Würde der Union“.
Unschwer ist zu erkennen, dass da viel Psychologie im Spiel ist in diesen für CDU und CSU so schwierigen Tagen. Bereits einen Tag nach der Wahl war Söder auf Distanz zu CDU-Chef Armin Laschet gegangen. Am Tag darauf hatte er SPDChef Olaf Scholz zum Wahlsieg gratuliert und die Latte für ein mögliches Jamaika-Bündnis mit Laschet als Bundeskanzler noch ein großes Stück höher gelegt. Damit schürte er den Verdacht, dass er schon längst nicht mehr für Jamaika kämpft. Diesem Verdacht tritt er auch in dem Moment noch entgegen, als er den Schlussstrich zieht und Fakten schafft. „Ich wollte Jamaika“, versichert Söder, aber fügt sogleich hinzu: „Es hat keinen Sinn, wenn man sich die Welt anders redet, als sie ist.“Wenn jetzt Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition beginnen, dann sei das eine „klare Vorentscheidung – die gilt es anzuerkennen“. Allerdings bestätigt er jetzt freimütig, dass ihm der Glaube an ein Regierungsbündnis zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP schon länger fehlte: „Wie ich letzte Woche schon angedeutet habe, genauso ist es gekommen.“
Über die Frage, ob Söder im Hintergrund möglicherweise selbst aktiv zum Scheitern einer JamaikaKoalition beigetragen habe, wird seit Tagen wild und ungehemmt spekuliert. Belege dafür gibt es nicht, nicht einmal belastbare Indizien. Zwar attestieren ihm Parteifreunde, dass Söder nach seiner Niederlage im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union in einen „quälend langen Ich-habe-es-nichtgeschafft-Prozess“eingetreten sei, den er bis heute nicht abschließend durchlitten habe. Doch dass er deshalb zum Saboteur an der gemeinsamen Sache geworden sein könnte, sagen nicht einmal seine ärgsten innerparteilichen Kritiker. Als CSUVorsitzender hätte er schließlich – ohne selbst Mitglied einer neuen unionsgeführten Bundesregierung zu sein – im Koalitionsausschuss ein gewichtiges Wort in der Bundespolitik mitzureden gehabt.
In der eilends einberufenen Pressekonferenz am Mittwoch wird Söder dennoch danach gefragt, ob sich vielleicht die CSU wegen der umstrittenen Indiskretionen angesprochen fühlen müsste, zu denen es nach den Vor-Sondierungen der Union mit der FDP gekommen war und die zu erheblichen Missstimmungen zwischen den möglichen neuen Partnern geführt hatten. „Gar nicht“, sagt Söder, „wir haben letzte Woche keine Interviews gegeWahlergebnis.“ ben.“Er würde, so betont er, die Indiskretionen genauso kommentieren wie alle anderen auch: „Es hat genervt und es war unnötig.“
Unbestritten ist allerdings auch, dass es dem CSU-Chef deutlich leichter gefallen sein dürfte, das Projekt Jamaika erst einmal zu den Akten zu legen, als dem CDU-Chef. Für Laschet heißt es: Kanzler oder nix. Söder bleibt Parteivorsitzender – niemand macht ihm in der CSU den Posten streitig. Söder bleibt Ministerpräsident in Bayern und hat damit viele Möglichkeiten, einen politischen Kontrapunkt zu einer Ampelkoalition in Berlin zu setzen. Und obendrein ist es in München ein offenes Geheimnis, dass viele CSU-Mandatsträger dies angesichts der desolaten Verfassung der CDU sogar für den aussichtsreicheren Weg halten, um der CSU bei der Landtagswahl im Jahr 2023 die Vormachtstellung in Bayern zu sichern und nach der Schlappe bei der Bundestagswahl ihre Einzigartigkeit im deutschen Parteienspektrum wieder herzustellen.
Vor diesem Hintergrund ist eigentlich nur ein Satz auffällig, den Söder in der Pressekonferenz formuliert. Als er nach FDP-Chef Christian Lindner und dessen Schwenk zur Ampel gefragt wird, sagt Söder: „Jeder sucht sich seine Begründung, um etwas, was er ohnehin wollte, zu machen.“