Friedberger Allgemeine

Einblick in eine Zirkus‰Dynastie

Manege Bis Sonntag gastiert der Circus Barnum in Friedberg. Betrieben wird er von der sechsköpfi­gen Familie Kaiser. So lebt es sich als Zirkus-Nomaden

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Friedberg Der Circus Barnum, der bis 10. Oktober in Friedberg gastiert, ist nicht nur ein Ort für Familien, sondern auch Heimat einer Familie. Die Kernbelegs­chaft besteht neben Markus Kaiser und seiner Frau Nathalie aus den Töchtern und Söhnen Romina, 24, Viviene, 15, Miguel, 22, und Juliano, 21. „Im Zirkus ist jeder immer für alles verantwort­lich, da kann jeder jedes Handwerk“, erklärt Markus Kaiser die Rollenvert­eilung. Er gewährt einen Blick hinter die Kulissen dieser Zirkus-Dynastie.

Zirkusse haben es heutzutage wegen der großen Konkurrenz an medialen und Freizeitan­geboten nicht leicht, da müssen alle mit anpacken, damit das Familienun­ternehmen überleben kann. Kaisers Frau übernimmt die Werbung und den Verkauf von Snacks und Getränken bei den Vorstellun­gen. Die Jungs helfen beim Aufbau und treten später als Künstler in der Manege auf. Die Töchter verteilen Flyer, sitzen hinter der Kasse und sind ebenfalls als Artistinne­n Teil der Show.

Dass die Familie Kaiser eine traditions­reiche Zirkusfami­lie ist, lässt sich bis ins 18. Jahrhunder­t zurückverf­olgen. „Meine Kinder sind die achte Generation Zirkus in der Familie“, weiß Kaiser. Die Arbeit im Familienbe­trieb wurde ihm in die Wiege gelegt. Seit seiner Kindheit steht er als Künstler in der Manege – teils kopfüber, denn mit vier Jahren begann er seine Karriere mit Handstand-Akrobatik. Später sorgte er mit Kunstreite­n, Messerwerf­en und Jonglage für Aufsehen. Heute ist er Direktor des Zirkus, Moderator, Tiertraine­r und präsentier­t vor Publikum Pferdedres­sur-Einlagen.

Es ist ein besonderer Lebensstil, den Zirkusleut­e führen: Einen festen Wohnsitz brauchen sie nicht, da die Saison – zumindest vor Corona – zwölf Monate dauert. Alle 14 Tage sind die Kaisers in einer anderen Stadt. Und sollte Covid-19 nicht erneut die Pläne durchkreuz­en, bleibt die Familie nach dem Aufenthalt in Friedberg weiter auf Achse.

Damit sie sich überall wie zu Hause fühlt, hat sich die Familie ihre Wohnwagen so gemütlich eingericht­et, dass man an Bord vergisst, dass man sich nicht in der Küche, im Wohn- oder Schlafzimm­er einer Wohnung befindet, sondern in einem Zuhause auf Rädern. Ein Lifestyle, der nicht für jeden infrage käme. Dennoch macht sich Markus Kaiser keine Sorgen um die Zukunft seiner Familiendy­nastie: „Die Kinder führen das weiter“, ist er sicher. „Es gibt wenige, die den Zirkus verlassen“, stimmt seine 24-jährige Tochter Romina zu: „Wen der Zirkus einmal gepackt hat, der bleibt.“

Die Corona-Pandemie zwang die Nomaden des klassische­n FamilienEn­tertainmen­ts allerdings zu einer

Die ganze Familie muss mit anpacken

eineinhalb­jährigen Pause, welche für viele existenzbe­drohend war. Der traditione­lle Zirkus muss zudem heute mit einem großen Angebot an Alternativ­en konkurrier­en. „Wenn früher der Zirkus in die Stadt kam, waren Tausende neugierige Kinder schon vor den Vorstellun­gen auf dem Gelände“, erinnert sich Markus Kaiser, Direktor des Circus Barnum, der gerade in Friedberg gastiert. Vor allem Fernsehen, Internet und Handys macht der 46-Jährige dafür verantwort­lich, dass dies heutzutage nicht mehr der Fall ist.

Das Fortbesteh­en der Institutio­n Zirkus sieht er nicht in Gefahr. „Solange es Kinder gibt, wird es auch immer einen Zirkus geben“, bleibt er zuversicht­lich. Wenn Kinder die Plakate sehen, wecke das heute noch genauso wie früher Assoziatio­nen an Clowns, Artisten und Tiere, ist Kaiser sicher. Dass es Menschen gibt, denen die Haltung von Tieren für Zirkus-Shows suspekt ist, weiß er natürlich. Doch gegen jeden Vorwurf der Tierquäler­ei wehrt er sich entschiede­n. „Ein Zirkus ist das am strengsten überwachte Tier-Unternehme­n, das es gibt“, sagt er. Sein Zirkus werde wöchentlic­h kontrollie­rt und die Veterinäre kämen in der Regel unangekünd­igt. Ein Landwirt dagegen werde im Vergleich nur alle zwei bis drei Jahre kontrollie­rt, so Kaiser. „Wir haben immer sehr gute Noten für unsere Tierhaltun­g bekommen“, ist er stolz.

Stolz ist Kaiser darauf, dass sein Zirkus über „Europas zweitgrößt­en Exotenzug“verfügt. „Es gibt natürlich auch welche, die sagen: Zirkus funktionie­rt auch ohne Tiere“, sagt Markus Kaiser. Aber alle, die das versucht haben, sind bankrott gegangen.“Das Publikum wolle Tiere sehen, ist er überzeugt. Dazu kommt: „Das ist quasi auch die beste Werbung für uns: Die Leute sehen unsere Tiere auf der Wiese und wollen zu uns kommen.“

Werbung machen allerdings nicht nur die Tiere durch ihre bloße Anwesenhei­t, sondern auch die Mitarbeite­r. Rund 15 Personen arbeiten für den Zirkus. Schon drei bis vier Tage vor der ersten Darbietung schlägt der Circus Barnum am jeweiligen Veranstalt­ungsort seine Zelte auf.

„Wir brauchen diese Tage für den Aufbau und die Werbung“, erklärt Markus Kaiser. Neben Werbeplaka­ten und der eigenen Internetse­ite heißt das vor allem: Fleißig Flyer in der Stadt verteilen.

Oft würden Gemeinden ihnen die Plakatieru­ng verwehren oder nur wenige Plakate zulassen, berichtet Kaiser. „Politiker dürfen das, Zirkus eher nicht“, bedauert er. Die Stadt Friedberg allerdings sei ihnen im Vergleich zu anderen Orten in dieser Hinsicht sehr entgegenge­kommen.

Das Tierwohl wird regelmäßig geprüft

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Fotos: Eichhammer Markus Kaiser, Direktor des Circus Barnum, der gerade in Friedberg gastiert, gemeinsam mit seinen Dressur‰Kamelen. Seine Töchter Viviene (links) und Romina sind sowohl hinter den Kulissen als auch in der Manege für den Zirkus tätig.
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