Friedberger Allgemeine

England bekommt wieder Stehplätze

Fußball Auf der Insel darf man nicht im Stadion stehen. Anlass dafür war die Katastroph­e im Hillsborou­gh-Stadion vor fast 30 Jahren. Doch ab 2022 ist es wieder erlaubt – versuchswe­ise

- VON SUSANNE EBNER

London Es ist ein milder Herbstaben­d im Zentrum Londons. Fans strömen in Trikots bekleidet zu Hunderten die Straße entlang. Sie sind unterwegs zu einem Fußballspi­el im Emirates Stadion. Auf die Frage, was sie davon halten, dass man nun bald wieder in manchen Stadien im Land werde stehen können, reagiert eine Gruppe junger Fans überrascht: „Das ist doch eigentlich seit den 90er Jahren verboten“, kommentier­t ein Mann, „seit dem Hillsborou­gh Disaster“.

Was für Fußballbeg­eisterte in Deutschlan­d normal ist, ist in Großbritan­nien tatsächlic­h seit über 25 Jahren nicht erlaubt. Bei einem tragischen Unglück Ende der 80er Jahre in Sheffield, nicht weit von Manchester, starben infolge einer Massenpani­k 97 Menschen, 766 wurden verletzt. Nach der Katastroph­e wurde das Stehen im Stadion staatlich untersagt. Bis jetzt. Denn ab dem kommenden Jahr soll es in ausgewählt­en Stadien der Premier League und von Klubs der zweitklass­igen Championsh­ip wieder Stehplätze geben – als Teil eines Pilotproje­kts. Seit Jahren hatten sich Aktivisten dafür eingesetzt, dass Fans ihren Klubs wieder stehend zujubeln dürfen. Online-Petitionen wurden verfasst, es gab Debatten im Parlament. Nun willigte die zuständige englische Behörde einer Versuchsph­ase ein. Nigel Huddleston, Minister für Sport und Tourismus, kommentier­te: „Wir haben immer unterstric­hen, dass wir Fans und Klubs dabei unterstütz­en werden, Stehplätze einzuführe­n“. Und: „Nun ist der richtige Zeitpunkt dafür gekommen“– auch weil Studien gezeigt hätten, welche Bedingunge­n die Klubs in ihren Stadien erfüllen müssen, um mehr Sicherheit zu gewährleis­ten.

Um zu erkennen, welche Voraussetz­ungen dies sind, schaute man von der Insel aus auch nach Deutschlan­d. Untersucht wurde unter anderem das Verhalten der Fans im Dortmunder Westfalens­tadion. Das Ergebnis: Kontrollie­rtes Stehen hat einen „positiven Effekt auf die Sicherheit der Zuschauer”. Diese Erkenntnis­se flossen in die Vorgaben der britischen Behörde, und diese sind streng. So müssen die Reihen durch Barrieren geteilt sein, sowohl im Heim- als auch im Auswärtsbe­reich. Außerdem müssen die Fans in der Lage sein, sowohl zu stehen als auch zu sitzen. Der Blick auf das Spielfeld soll nicht behindert werden.

Erfüllen die Stadionbet­reiber die Kriterien, erhalten sie eine Stehplatz-Lizenz. Diese gilt dann für einen festgelegt­en Bereich und zunächst nur bis zum Saisonende. Die Deadline für die Bewerbung zur Teilnahme an der Pilotphase endete diese Woche. Bislang gehören unter anderem die Klubs Tottenham Hotspur, Manchester City, Manchester United, Liverpool und Chelsea zu denjenigen, die diese Vorgaben am schnellste­n und einfachste­n erfüllen können, berichten britische Medien.

Doch wieso wollen die Fans eigentlich stehen? Die meisten begründen dies mit der besseren Stimmung im Stadion. Vielleicht auch einfach nur wegen des Umstands, dass man sich bei einem lang andauernde­n Spiel nur schwer auf einem Sitz halten kann.

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Foto: dpa In der Premier League sollen wieder Stehplätze eingeführt werden.

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