Friedberger Allgemeine

Das Mozartfest blickt auf Europa

Musik Der künstleris­che Leiter Simon Pickel hat in diesem Jahr nicht nur Konzerte organisier­t und zu einem Festival zusammenge­stellt, er hat auch Filmteams in sechs Länder losgeschic­kt, die neugierig auf alles machen

- VON CLAUDIA KNIESS

Dass Musik die Menschen über Ländergren­zen, Sprachbarr­ieren und alle möglichen Unterschie­de hinweg verbinden kann, ist eine kulturelle Binsenweis­heit – in der praktische­n Umsetzung aber immer wieder schön, heute nicht weniger als im 18. Jahrhunder­t. Dachten sich auch die Veranstalt­er des Augsburger Mozartfest­es und stellten das diesjährig­e unter das Motto „Mozarts Europa – Europas Mozart“. Hochkaräti­ge Gäste aus allen Ländern des Kontinents, die der Komponist bereiste, werden vom 15. bis 29. Oktober bei neun Konzerten in der deutschen Mozartstad­t und darüber hinaus in Porträtfil­men zu erleben sein. Und auch „Kling Klang Gloria!“, das Mozartfest für Kinder, liefert als Nachklang zu seinen Veranstalt­ungen vom Sommer mit dem Film „Die Wunderkind­reise“eine Beschäftig­ung mit der Tournee des jungen Wolfgang Amadé, nebst zwei weiteren Musikfilme­n für junges Publikum und Familien.

Mozarts erste Konzertrei­se vor 250 Jahren beschäftig­t auch den ebenfalls internatio­nal buchstäbli­ch erfahrenen und gefeierten französisc­hen Pianisten Alexandre Tharaud im ihm gewidmeten Porträtfil­m: „Das Beeindruck­ende ist, dass Mozart mit den damaligen Verkehrsun­d Kommunikat­ionsmittel­n fast alle Länder Europas besucht hat. Bereits im Alter von sieben Jahren konnte er die Musik all dieser Länder hören und sich aneignen. Im Grunde genommen war Mozart ein Katalysato­r für ganz Europa.“Tharaud spricht in einer Szene im Konzertsaa­l von Versailles auch über „den Zauber des Live-Moments“. Diesen Zauber, der nach den Corona-Lockdowns ein besonderer ist, und die musikalisc­he Aura des französisc­hen Königshofs können die Besucher des Mozartfest­es einen Nachmittag lang mit dem Starpianis­ten im Kleinen Goldenen Saal erleben. Und sich, eingestimm­t durch den Film, Tharaud mit seinem Faible für französisc­he Barockmusi­k besonders nah fühlen.

Die Grenzen zwischen Publikum und Bühnenstar­s ebnet das Mozartfest damit auch, denn es ist eine Grundüberz­eugung von FestivalLe­iter Simon Pickel, dass „spannende Musik nur entstehen kann, wenn eine spannende Persönlich­keit auf der Bühne steht und man über die offizielle Biografie hinaus etwas über sie erfährt.“Das führt nicht nur zu „persönlich­eren und intensiver­en Konzerterl­ebnissen“oder dazu, dass man Tenor Ian Bostridges britischen Humor kennenlern­t, sondern auch zu Fragen wie: „Inwiefern ist Musik politisch? Was bedeutet Heimat für Musikerinn­en und Musiker, die in der ganzen Welt unterwegs sind? Und: In welchem Europa waren seinerzeit die Mozarts unterwegs?“Entstanden sind in Zusammenar­beit der Agentur Yeah knapp zehnminüti­ge eigene Kunstwerke, mit feinem Gespür für Atmosphäre gefilmt und geschnitte­n. Wie bei einer guten Kompositio­n, zeigen die Filme im Wechselspi­el zwischen Thema und Abwandlung, Wiederkehr sowie weiteren Motiven Europa in all seinen Facetten – historisch, politisch, gesellscha­ftlich, architekto­nisch und natürlich musikalisc­h.

Dafür hat das Mozartfest eine Europa-Reise unternomme­n und sechs Ausnahmemu­siker in ihren Heimatstäd­ten besucht, um der Grundidee Pickels näher zu kommen: „Wir verstehen das Festival als ein Plädoyer für die Errungensc­haft einer gesamteuro­päischen Bildung und die unschätzba­re Bedeutung, die ein gemeinsame­s und grenzenlos­es Europa für die heutige Musikwelt hat.“Die Filme funktionie­ren als Appetizer – oder hinterher als Multiplika­toren mit Nachhaltig­keit: Wer die Sopranisti­n Roberta Mameli in Mailand über die Rolle von Frauen in Kunst und Politik sprechen hört, möchte sie auch live erleben mit Werken Mozarts, der so viele starke Frauenroll­en komponiert hat. Oder man plant gleich selbst eine Reise, um Václav Luks in seiner Prager Heimat am Dirigenten­pult zu sehen.

Von Italien bis Norwegen, Frankreich bis Lettland spannt sich die Europakart­e des Festivals. Häufig werden sich auf der Bühne nationen-übergreife­nde Ensembles finden: Etwa die Norwegerin Mari Eriksmoen mit dem tschechisc­hen Collegium 1704 um Václav Luks und „Mozart in Prag“oder die niederländ­isch-lettische Variante des „White Russian“mit Harriet Krijgh sowie Baiba und Lauma Skride. Der Brite Ian Bostridge und das Oberon Trio bringen „Gassenhaue­r“mit, das Hagen Quartett aus Österreich sein 40-jähriges Jubiläum. Und die Augsburger Sarah Christian und Maximilian Hornung haben für die Fortsetzun­g ihrer Freistil-Reihe Nils Mönkemeyer, Hisako Kawamura, Johannes Strake und das Armida Quartett eingeladen und beschäftig­en sich u. a. mit der Rolle von Volksmusik für Komponiste­n in den osteuropäi­schen Ländern, die Mozart bereiste.

Überhaupt lässt sich mehr oder weniger die komplette europäisch­e Musik- und Kulturgesc­hichte irgendwie auf Mozart beziehen: Tschaikows­ky als der „russische Mozart“und Felix Mendelssoh­n Bartholdy der „Mozart des 19. Jahrhunder­ts“, sogar für Johann Sebastian Bach findet sich ein Mozart-Bezug – Augsburg war zu dessen Zeiten die süddeutsch­e Bach-Stadt überhaupt, sodass als Abschlussk­onzert das „Orchestra in Residence“, die „Akademie für Alte Musik Berlin“, die sechs Brandenbur­gischen Konzerte genau 300 Jahre nach ihrer Zusammenst­ellung spielen darf. Diese Veranstalt­ung findet im Parktheate­r im Kurhaus Göggingen statt, sämtliche anderen im Kleinen Goldenen Saal.

Tickets Karten gibt es bei der Bürge‰ rinfo am Rathauspla­tz, allen Reservix‰ Vorverkauf­sstellen sowie über www.mo‰zartstadt.de. Auf der Homepage des Festivals werden ab der kommenden Wo‰ che auch die Filme zu sehen sein, für die man keine Karten braucht.

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Foto: Renate Torseth Im Eröffnungs­konzert des Mozartfest­s am 15. Oktober tritt die Sängerin Mari Eriksmoen auf.

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