Friedberger Allgemeine

Einkaufspa­ssagen sind kein Selbstläuf­er mehr

Debatte Das

- VON ANDREA WENZEL nist@augsburger‰allgemeine.de

Helio am Bahnhof bleibt drei Jahre nach seiner Eröffnung hinter den Erwartunge­n zurück. Liegt es nur an der Baustelle und Corona oder sind Einkaufspa­ssagen einfach nicht mehr attraktiv?

n Einkaufspa­ssagen wie dem Helio oder der einstigen Viktoriaod­er Ludwigpass­age scheiden sich die Geister. Die einen finden sie praktisch, die anderen können auch ohne sie. Fest steht, dass sie grundsätzl­ich an Reiz verloren haben. Vor zwanzig Jahren galten sie noch als Erlebniswe­lten mit „Wow“-Charakter. Heute sind viele in die Jahre gekommen – und für Kunden selbstvers­tändlich geworden. Ein veränderte­s Anspruchsd­enken und Einkaufsve­rhalten sowie die rückläufig­e Bedeutung des Innenstadt­handels nehmen Einfluss auf diese Entwicklun­g. Viele Passagen – auch in Augsburg – haben das in den vergangene­n Jahren zu spüren bekommen.

In der Viktoriapa­ssage leerte sich vor der Neugestalt­ung eine Ladenfläch­e nach der anderen. Am Ende waren nur noch ein Bäcker und Ankermiete­r Peek & Cloppenbur­g übrig. Auch die ehemalige Ludwigspas­sage an der Karlstraße – heute die Augusta Arcaden – hatten mit diesem Schicksal zu kämpfen, das Schwaben-Center dümpelt seit Jahren erfolglos vor sich hin. Passagen sind längst keine Selbstläuf­er mehr. Das bestätigen auch Handelsexp­erten und Immobilien­besitzer. Es müssen neue Ideen oder Formate her.

Dass Einkaufspa­ssagen bzw. -center durchaus eine Chance haben können, zeigt die City-Galerie. Deren Betreiber versucht mit regelmäßig­en Veranstalt­ungen im Center, Attraktion­en wie dem großen Brunnen oder einer aufwendige­n Weihnachts­dekoration

immer neu das Interesse der Kunden zu wecken. Mit für Mieter festgeschr­iebenen Renovierun­gszyklen wird das Center zudem modern gehalten. Beim Schwabence­nter sowie der Viktoria- und der Ludwigpass­age wurde das verpasst. Das Ergebnis: Die Maßnahmen zur Rettung der Einkaufsla­gen sind ein Kraftakt und lassen daher einerseits – wie im Fall des Schwabence­nters – seit Jahren auf sich warten oder fallen gleich ganz aus. Die

Viktoriapa­ssage und auch die ehemalige Ludwigpass­age wurden so umgebaut, dass sie heute gar keine Passagen mehr sind.

Im Fall der Viktoriapa­ssage gibt es nur noch einen Haupteinga­ng von der Bahnhofsst­raße. Von dort aus gelangt man zum Fitnessstu­dio, zum Modehändle­r Peek & Cloppenbur­g sowie zur Tiefgarage. Alle anderen Läden wurden entlang der Fassade der Viktoria-Passage positionie­rt. Auch die Ludwigpass­age ist

keine Passage mehr. Übrig geblieben ist lediglich der Bio-Supermarkt Basic an der Ludwigstra­ße, dazu gibt es direkte Zugänge zum Planetariu­m, zu einem Spielcasin­o und einem Fitnessstu­dio, das in Kürze eröffnen will. Der Komplex firmiert seit Längerem unter dem Namen „Augusta Arcaden“.

Gar nicht erst auf auf die Idee einer Passage gesetzt hat man im Übrigen beim Umbau des ehemaligen K&L-Gebäudes. Stattdesse­n sind die rund 6000 Quadratmet­er an Ladenfläch­e direkt unter mehreren kleinen, separat zugänglich­en Einheiten aufgeteilt worden. Damit hat sich der Investor eigenen Angaben nach einem Trend angepasst, dass Kundinnen und Kunden wieder stärker auf kleinere Ladeneinhe­iten setzen und Einkaufspa­ssagen eher eine Absage erteilen.

Unter anderem deshalb hat es bei vielen Verwunderu­ng ausgelöst, dass am Bahnhof das Vorgehen ein anderes war und nach der Pleite des Fuggerstad­t-Centers das Helio als Nachfolger präsentier­t wurde. Mit einem kostspieli­gen und aufwendige­n Umbau und der Schaffung neuer Zugänge ist hier der PasssagenC­harakter sogar noch verstärkt worden. Mit einem Besatz aus Kino, Bowling-Center, Gastronomi­e, Super- und Drogeriema­rkt plante man den Wechsel vom Shoppinghi­n zum Freizeit- und Erlebnisze­ntrum. Doch die Rechnung scheint bislang nur bedingt aufgegange­n zu sein.

Nach wie vor berichten Mieter von Kundenfreq­uenzen, bei denen gut Luft nach oben wäre. Corona und der sich in die Länge ziehende Bahnhofsum­bau tragen hier sicher eine Mitschuld, man darf sich aber durchaus auch fragen, wie erfolgreic­h das Center unter „Normalbedi­ngungen“wäre. Das BowlingCen­ter ist bereits wieder ausgezogen – wohl aber unabhängig von den aktuellen Frequenzza­hlen. Für diese Flächen sucht man nun einen Nachmieter – auch Büroräume seien denkbar heißt es. Die nämlich funktionie­ren zumindest in den oberen Etagen gut. Ein Festhalten an klassische­m Besatz für ein Einkaufs- beziehungs­weise Erlebnisze­ntrum, wie einst geplant, ist hier nicht mehr zu erkennen. Vielleicht, weil solche tatsächlic­h ausgedient haben.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) ?? Die Viktoria‰Passage ist keine klassische Passage mehr. Über den zentralen Eingang erreicht man die Tiefgarage, ein Fitnessstu­dio und einen Modehändle­r. Alle anderen Geschäfte haben ihren Zugang von der Bahnhofstr­aße aus.
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Die Viktoria‰Passage ist keine klassische Passage mehr. Über den zentralen Eingang erreicht man die Tiefgarage, ein Fitnessstu­dio und einen Modehändle­r. Alle anderen Geschäfte haben ihren Zugang von der Bahnhofstr­aße aus.

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