Einkaufspassagen sind kein Selbstläufer mehr
Debatte Das
Helio am Bahnhof bleibt drei Jahre nach seiner Eröffnung hinter den Erwartungen zurück. Liegt es nur an der Baustelle und Corona oder sind Einkaufspassagen einfach nicht mehr attraktiv?
n Einkaufspassagen wie dem Helio oder der einstigen Viktoriaoder Ludwigpassage scheiden sich die Geister. Die einen finden sie praktisch, die anderen können auch ohne sie. Fest steht, dass sie grundsätzlich an Reiz verloren haben. Vor zwanzig Jahren galten sie noch als Erlebniswelten mit „Wow“-Charakter. Heute sind viele in die Jahre gekommen – und für Kunden selbstverständlich geworden. Ein verändertes Anspruchsdenken und Einkaufsverhalten sowie die rückläufige Bedeutung des Innenstadthandels nehmen Einfluss auf diese Entwicklung. Viele Passagen – auch in Augsburg – haben das in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen.
In der Viktoriapassage leerte sich vor der Neugestaltung eine Ladenfläche nach der anderen. Am Ende waren nur noch ein Bäcker und Ankermieter Peek & Cloppenburg übrig. Auch die ehemalige Ludwigspassage an der Karlstraße – heute die Augusta Arcaden – hatten mit diesem Schicksal zu kämpfen, das Schwaben-Center dümpelt seit Jahren erfolglos vor sich hin. Passagen sind längst keine Selbstläufer mehr. Das bestätigen auch Handelsexperten und Immobilienbesitzer. Es müssen neue Ideen oder Formate her.
Dass Einkaufspassagen bzw. -center durchaus eine Chance haben können, zeigt die City-Galerie. Deren Betreiber versucht mit regelmäßigen Veranstaltungen im Center, Attraktionen wie dem großen Brunnen oder einer aufwendigen Weihnachtsdekoration
immer neu das Interesse der Kunden zu wecken. Mit für Mieter festgeschriebenen Renovierungszyklen wird das Center zudem modern gehalten. Beim Schwabencenter sowie der Viktoria- und der Ludwigpassage wurde das verpasst. Das Ergebnis: Die Maßnahmen zur Rettung der Einkaufslagen sind ein Kraftakt und lassen daher einerseits – wie im Fall des Schwabencenters – seit Jahren auf sich warten oder fallen gleich ganz aus. Die
Viktoriapassage und auch die ehemalige Ludwigpassage wurden so umgebaut, dass sie heute gar keine Passagen mehr sind.
Im Fall der Viktoriapassage gibt es nur noch einen Haupteingang von der Bahnhofsstraße. Von dort aus gelangt man zum Fitnessstudio, zum Modehändler Peek & Cloppenburg sowie zur Tiefgarage. Alle anderen Läden wurden entlang der Fassade der Viktoria-Passage positioniert. Auch die Ludwigpassage ist
keine Passage mehr. Übrig geblieben ist lediglich der Bio-Supermarkt Basic an der Ludwigstraße, dazu gibt es direkte Zugänge zum Planetarium, zu einem Spielcasino und einem Fitnessstudio, das in Kürze eröffnen will. Der Komplex firmiert seit Längerem unter dem Namen „Augusta Arcaden“.
Gar nicht erst auf auf die Idee einer Passage gesetzt hat man im Übrigen beim Umbau des ehemaligen K&L-Gebäudes. Stattdessen sind die rund 6000 Quadratmeter an Ladenfläche direkt unter mehreren kleinen, separat zugänglichen Einheiten aufgeteilt worden. Damit hat sich der Investor eigenen Angaben nach einem Trend angepasst, dass Kundinnen und Kunden wieder stärker auf kleinere Ladeneinheiten setzen und Einkaufspassagen eher eine Absage erteilen.
Unter anderem deshalb hat es bei vielen Verwunderung ausgelöst, dass am Bahnhof das Vorgehen ein anderes war und nach der Pleite des Fuggerstadt-Centers das Helio als Nachfolger präsentiert wurde. Mit einem kostspieligen und aufwendigen Umbau und der Schaffung neuer Zugänge ist hier der PasssagenCharakter sogar noch verstärkt worden. Mit einem Besatz aus Kino, Bowling-Center, Gastronomie, Super- und Drogeriemarkt plante man den Wechsel vom Shoppinghin zum Freizeit- und Erlebniszentrum. Doch die Rechnung scheint bislang nur bedingt aufgegangen zu sein.
Nach wie vor berichten Mieter von Kundenfrequenzen, bei denen gut Luft nach oben wäre. Corona und der sich in die Länge ziehende Bahnhofsumbau tragen hier sicher eine Mitschuld, man darf sich aber durchaus auch fragen, wie erfolgreich das Center unter „Normalbedingungen“wäre. Das BowlingCenter ist bereits wieder ausgezogen – wohl aber unabhängig von den aktuellen Frequenzzahlen. Für diese Flächen sucht man nun einen Nachmieter – auch Büroräume seien denkbar heißt es. Die nämlich funktionieren zumindest in den oberen Etagen gut. Ein Festhalten an klassischem Besatz für ein Einkaufs- beziehungsweise Erlebniszentrum, wie einst geplant, ist hier nicht mehr zu erkennen. Vielleicht, weil solche tatsächlich ausgedient haben.