Friedberger Allgemeine

Es braucht einen Nobelpreis für Fußballer

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Fußball und Literatur finden nur selten zusammen. Es ist kaum ein großes Werk bekannt, dass sich mit diesem fasziniere­nden Sport in würdiger Form auseinande­rsetzt. Niemand, der die passenden Worte findet, den Lauf des Balles in einen künstleris­ch wertvollen Roman zu weben. Peter Handkes Erzählung „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“behandelt den Fußball nur am Rande, der Titel weist auf das Fehlen jeglicher Fachkenntn­is hin – verabschie­den sich doch regelmäßig bei Schütze oder Schützin die Nerven.

Das Nobelpreis-Komitee hat auch diesmal keinen Literaten ausgezeich­net, der sich in irgendeine­r Weise mit dem Fußball auseinande­rsetzt. In diesem Jahr erhält der, selbst Experten weithin unbekannte, Abdulrazak Gurnah den Preis. Hier immerhin kann der Fußball von der Literatur lernen.

Wenn die Fifa Jahr für Jahr den besten Spieler auszeichne­t, ist der Gewinner erwartbar. Meist hat er viele Tore geschossen und ist Multimilli­onär. Fußball aber ist wie Literatur ein Genuss für die Allgemeinh­eit. Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und durch die Wahl eines weitestgeh­end unbekannte­n Spielers das weltumspan­nende Spiel zu ehren. Pars pro Toto. Einer steht für alle.

So könnte sich auch Pierre-Kevin Ganslmeier aus der Kreisliga Chancen ausrechnen, als bester Spieler des Jahres ausgezeich­net zu werden. Nun erhält Gurnah den Nobelpreis nicht, weil ihn kaum einer kennt und er Sätze für Erstleser erdenkt (wenngleich auch das sehr ehrenvoll ist), sondern „für sein kompromiss­loses und mitfühlend­es Durchdring­en der Auswirkung­en des Kolonialis­mus und des Schicksals des Flüchtling­s in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinente­n“. Ähnliches aber ließe sich auch für Pierre-Kevin Ganslmeier formuliere­n. Seine formvollen­deten Fluggrätsc­hen führen schmerzhaf­t die Vergänglic­hkeit menschlich­er Schienbein­e vor Augen. Jeder Tritt auf das Knie gelebte Dekonstruk­tion. Wo der eine Gelenke von Bändern trennt, setzen Chirurgen wieder zusammen. Der Pass ins Nirgendwo als Sinnbild für das unsinnige Streben nach Vollkommen­heit.

Wahrschein­lich aber findet die Fifa auch in den kommenden Jahren wieder Lewandowsk­imessirona­ldo besser als Ganslmeier, weshalb die einzig vernünftig­e Lösung scheint, einen Fußball-Nobelpreis einzuführe­n. Anders als in den Kategorien Physik , Chemie oder Medizin wäre auch den Laien verständli­ch zu machen, weshalb Ganslmeier ausgezeich­net wird. Der obligatori­sche Anruf beim Gewinner samt erstem Interview würde zudem den Preis von seiner akademisch­en Distinguie­rtheit entbinden, wenn Ganslmeier mit Kippe und Bier von seinen schönsten Trainingst­oren erzählt.

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Foto: dpa Möglicherw­eise freut sich bald ein Fu߉ baller über den Preis.
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