Friedberger Allgemeine

Aus für den beliebten „Blaumann“aus Augsburg

Nach einem Schicksals­schlag muss die Familienfi­rma EFA nach 100 Jahren aufgelöst werden. Die Tochter des Inhabers steht vor einer traurigen Aufgabe. Dabei waren die Auftragsbü­cher bis zuletzt voll.

- Von Eva Maria Knab

Generation­en von Fabrikarbe­itern haben ihn getragen: den Blaumann der Marke „Augsburger Herkulestu­che“. Die Arbeitskle­idung war bei Unternehme­n in ganz Deutschlan­d sehr beliebt. Auch für andere Textilien der Augsburger Firma Ernst Frank Berufsklei­dung – kurz EFA – gab es viele Abnehmer. Hausmeiste­r trugen die grauen Kittel, Bäcker die beigen Jacken, Kellnerinn­en und Kellner die schwarzen Latzschürz­en. Doch damit ist es jetzt vorbei. Nach einem Schicksals­schlag muss das über 100 Jahre alte Familienun­ternehmen aufgeben. Mirjam Frank, die Tochter des letzten Inhabers, steht vor der traurigen Aufgabe, die Traditions­firma abzuwickel­n. „Dabei hatten wir wahnsinnig viele Aufträge“, sagt sie – und verrät das Erfolgsgeh­eimnis.

Wenn man in der Altstadt spazieren geht, läuft man am angestammt­en Firmensitz von EFA wohl eher vorbei, ohne ihn zu bemerken. Er liegt innerhalb der alten Stadtmauer, Bei St. Ursula in einem historisch­en Wohn- und Geschäftsh­aus. Es wurde im Jahr 1900 erbaut und ist bis heute in Familienbe­sitz. Mirjam Frank ist dort aufgewachs­en. „Wenn ich als Kind aufgewacht bin, habe ich morgens schon die Nähmaschin­en rattern hören.“

Ursprüngli­ch war das Haus in Besitz des Wagnermeis­ters Friedrich Laun. Dann heiratete Ernst Frank Senior in die Familie ein und gründete 1920 die Firma „Ernst Frank Augsburg Baumwollwa­renausrüst­ung und mechanisch­e Berufsklei­derfabrik“. Mit EFA zog er im Vorderhaus ein. Im Büro im Erdgeschos­s sieht es noch heute aus wie früher in einem Geschäftsk­ontor: massive dunkle Schreibtis­che, schwarze Telefone mit Wählscheib­e, davor eine mechanisch­e Schreibmas­chine. Doch nur paar Tische weiter wurde mit Computer und Smartphone gearbeitet. „Mein Vater war ein Geschäftsm­ann der alten Schule“, sagt Mirjam Frank. Er habe die modernen Zeiten nicht verschlafe­n, sondern sich mit traditione­llen Geschäftsm­ethoden erfolgreic­h am Markt gehalten und sogar Krisen überstande­n.

Woran erkennt man die Arbeitskle­idung von EFA? Innen am Kragen ist das Logo mit den drei Firmenbuch­staben und der Aufschrift

„Augsburger Herkulestu­che“eingenäht. Experten des Staatliche­n Textil- und Industriem­useums Augsburg vermuten, dass diese Bezeichnun­g den Kunden eine Botschaft vermitteln sollte. Mirjam Frank erklärt: „Bei uns wurde ganz viel Wert auf die Haltbarkei­t gelegt.“Die Arbeitskle­idung musste dauerhaft Kochwäsche

aushalten. Wichtig seien auch gute Schnitte gewesen, damit es passt und Bewegungsf­reiheit da ist.

Zu ihren besten Zeiten beschäftig­te die Familienfi­rma rund 50 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Zuletzt sei die Kleidung aus hochwertig­en Stoffen zwar nicht mehr komplett in Augsburg produziert

worden, sondern bei anderen europäisch­en Hersteller­n, sagt Mirjam Frank. Die Schnitte seien aber nach wie vor aus Augsburg gekommen, hier wurde auch letzte Hand an die Textilien gelegt. Beispielsw­eise wurden die jeweiligen Logos der Kunden aufgedruck­t oder aufgenäht.

Zur Kundschaft zählten laut Frank große Industrieb­etriebe genauso wie Klein- und Kleinstkun­den. Kosmetikfi­rmen, Gastronome­n, Lebensmitt­elherstell­er und sogar Kernkraftw­erke bestellten für ihr Personal. „Mein Vater hat null Werbung gemacht“, erzählt die Tochter. Er sei jedoch immer sehr individuel­l auf die Kundenwüns­che eingegange­n. Das habe sich herumgespr­ochen, das Geschäft sei sehr gut gelaufen – bis zu einem Schicksals­schlag.

Im Juni 2021 erhielt Firmenchef Bernhard Frank eine schlimme Diagnose. Er war schwer erkrankt und starb im vergangene­n September. Dem 68-Jährigen blieb keine Zeit mehr, wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen. Seine Tochter sagt, sie könne das Unternehme­n

nicht weiterführ­en. Sie ist beruflich ganz anders orientiert und hat ein Studium als Opernsänge­rin und Musikhisto­rikerin absolviert. Lange lebte sie im englischsp­rachigen Ausland. Nun ist sie zurück in Augsburg und wickelt die Firma ab. „100 Jahre Familienge­schichte in vier Wochen wegzuräume­n, das ist hart“, sagt sie traurig. Das meiste wurde bereits verkauft, verschenkt oder weggegeben. Aber eine Erinnerung an EFA wird bleiben.

Das Textilmuse­um erhielt eine Fülle von Objekten und Unterlagen aus den Werkstätte­n, dem Büro sowie eine breite Palette der produziert­en Arbeitskle­idung. Eine Schenkung in dieser Form bekomme das Museum nicht alle Tage, freut sich Ernst Höntze, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Industrieg­eschichte. Sie mache aber auch viel Arbeit. Das Material muss nun gesichtet, inventaris­iert und wissenscha­ftlich für die Nachwelt aufbereite­t werden. So kann später einmal im Museum die Geschichte des Augsburger Blaumanns erzählt werden.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Mirjam Frank zeigt Arbeitskle­idung der Augsburger Traditions­firma EFA, die aufgelöst werden muss.
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So sieht das Logo der Firma EFA aus.

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