Friedberger Allgemeine

Von Spanien nach China mit dem Pferd

Ein junger Mann und sein Pferd reisen von Santiago de Compostela in Spanien bis zur chinesisch­en Küste im Osten Asiens – fast 14.000 Kilometer lang ist die Reise. Dabei machen sie in Friedberg Station.

- Von Julius Reinmuth

Wirklich begeistert scheint Furion nicht zu sein, als sein Besitzer ein wenig Dreck von seinem weißen Fell bürstet. Zhixian Xu, der in Europa wegen der komplizier­ten Aussprache seines Namens einfach Unas genannt wird, lacht. Sein Pferd liebe den Dreck. Saubermach­en gehört trotzdem mit dazu auf ihrer langen Reise. Fast 14.000 Kilometer lang ist die Strecke quer durch den Doppelkont­inent Eurasien. Mindestens 15 Länder müssen Zhixian Xu und sein Pferd Furion durchquere­n, um von Santiago de Compostela an der spanischen Atlantikkü­ste an

Mindestens 15 Länder durchquert das Gespann

die Küste des chinesisch­en Meeres zu gelangen. Dabei machen sie auch in Friedberg Station. Kurz bevor sie aufbrechen, erzählt Unas von ihrem außergewöh­nlichen Abenteuer.

Begonnen hat alles vor einem Jahr im Wallfahrts­ort Santiago de Compostela. Während des Gesprächs auf Englisch trägt der 33-Jährige eine Jakobsmusc­hel um den Hals, Symbol für Pilger auf dem Jakobsweg. Aufgebroch­en ist Unas jedoch nicht aus religiösen Gründen. Er habe schlicht und ergreifend alle Ecken der Kontinente kennenlern­en wollen, in denen er lebt. Dabei liegen ihm die Menschen und Kulturen besonders am Herzen. „Ich liebe Kunst, historisch­e Gebäude und Architektu­r“, sagt er. Nur die Idee mit dem Pferd hänge mit dem berühmten Wallfahrts­ort zusammen. Santiago de Compostela ist bekannt für seinen schönen Sternenhim­mel. Eines Nachts betrachtet­e Unas sein eigenes Sternbild – die Zwillinge. In der Antike waren sie die Schutzheil­igen der Reiter.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Reiterfahr­ung, berichtet er und zeigt auch den Pilgerausw­eis für sein Pferd, auf dem die Nummer

eins aufgeführt ist. In Santiago werden für die Tiere seit Neuestem Ausweise wie für Menschen ausgestell­t. Furion bekam das erste Exemplar. Reisen sei aber schon immer sein großes Hobby gewesen. Vier Jahre lang lebte der studierte Ingenieur in Italien und arbeitete als Tutor an der Universitä­t in Genua. Mit Ausnahme von Malta, Zypern, Litauen und Estland habe er alle europäisch­en Länder schon einmal besucht.

Jetzt ist der 33-Jährige auf dem Weg von Galizien bis Shandong, wo er herstammt. Das sei aber kein Survival-Trip. „Ich möchte nicht mein Leben riskieren. Ich möchte meine Reise genießen“, sagt Unas. In schönen Gegenden bleibe er meistens länger. Normalerwe­ise ziehe er aber jede Nacht weiter. Mit

Furion reise er nur bei Tageslicht. Im Sommer schaffe er durchschni­ttlich 25 bis 35 Kilometer am Tag. Im Winter sind die Tage kürzer und die Böden schlammige­r. Da seien es rund zehn Kilometer weniger.

Reiten verändere die Perspektiv­e, sagt der gebürtige Chinese. Er ist überzeugt davon, dass es nicht um die zurückgele­gte Distanz geht. Viel wichtiger sei die Zeit, die man sich nimmt, um an sein Ziel zu gelangen. „Wenn ich nur meine Familie hätte besuchen wollen, hätte ich einen Flug gebucht“, sagt Unas dazu und lacht.

Auch von Hotels oder anderen Annehmlich­keiten kann er aus offensicht­lichen Gründen nur träumen. Stattdesse­n ist er auf sein Zelt oder gastfreund­liche Ortsansäss­ige

angewiesen. Die helfen ihm nicht nur beim regelmäßig­en Beschlagen der Pferdehufe. In Friedberg wurden Unas und Furion von Veronika und Sebastian Frisch auf ihrem Hof Lechleite willkommen geheißen. Auch die nächste Station haben sie bereits organisier­t. Nach einem Abstecher zum Dom in Augsburg machen Ross und Reiter auf dem Meringer Langwiedho­f bei Hella und Martin Scherer halt.

Am 20. Februar 2022 ist Unas aufgebroch­en. Ursprüngli­ch wollte er durch die Ukraine reisen. Der russische Angriff hat seine Pläne aber bereits vier Tage später wieder durchkreuz­t. Stattdesse­n muss er jetzt südlich am Schwarzen Meer vorbei. „Der schwierigs­te Teil wird im Iran sein“, befürchtet er. In

der meist trockenen Landschaft gebe es wenig Gras für sein Pferd. Hügel und Berge verlangen Furion außerdem viel ab. Bereits, wenn Unas Burgen in Deutschlan­d besichtige­n wollte, habe er immer eine Extraporti­on Karotten mitnehmen müssen.

Mindestens zwei Jahre sind Mensch und Tier noch unterwegs. Wo es denn bisher am schönsten gewesen sei? Unas gibt eine überrasche­nde Antwort. „Das ist der perfekte Ort“, sagt er trotz des harschen Winds und des eisgrauen Himmels an diesem Tag in Friedberg.

In der Gegend gebe es viel Futter, keine großen Höhenunter­schiede und vor allem sehr nette Menschen, die ihn und das Pferd gerne aufnehmen.

 ?? Foto: Julius Reinmuth ?? Mindestens drei Jahre werden Unas und Furion unterwegs sein. Eine Nacht verbrachte­n sie auf dem Hof Lechleite in Friedberg.
Foto: Julius Reinmuth Mindestens drei Jahre werden Unas und Furion unterwegs sein. Eine Nacht verbrachte­n sie auf dem Hof Lechleite in Friedberg.

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