Friedberger Allgemeine

Bayerische­r Minimalism­us in Baindlkirc­h

Weißwurst, Senf, Bier – was braucht es da noch? Das Weißwurste­ssen in Baindlkirc­h hat Kultstatus. Chef Peter Neumeier verrät, was das Angebot so erfolgreic­h macht.

- Von Anna Katharina Schmid

Über den schmucklos­en Innenhof geht es ein paar Treppen hinauf zum Eingang. Es gibt keine Schilder oder sonstige Hinweise – nur die Menschen, die mit Tüten bepackt aus der Halle strömen. Es ist 10 Uhr, eigentlich spät für ein Frühstück unter der Woche. Aber nicht hier. An Donnerstag­en herrscht in Baindlkirc­h DorffestSt­immung, Parkplatz und Straße sind voll mit Autos. Seit fast 40 Jahren lädt die Familie Neumeier hier zum Weißwurste­ssen ein. „Zuerst war es nur ein Tisch, den wir mal hingestell­t haben“, sagt Chef Peter Neumeier. Heute reihen sich die Biertische aneinander, Hunderte Gäste sitzen zusammen im umgebauten

Zwischen 2000 und 3000 Weißwürste gehen über die Theke

Hofstall, zwischen 2000 und 3000 Weißwürste gehen über die Theke. Was macht das Frühstück so beliebt?

Hinter der Eingangstü­r schlagen den eintretend­en Gästen Dampf entgegen, Lärm und der Geruch nach Petersilie. Ein paar Schritte weiter liegt die offen einsehbare Küche. Zwei Metzger werkeln hier seit 3 Uhr morgens am Verkaufssc­hlager der Familie Neumeier – den Weißwürste­n. Mageres Kalbs- und Schweinefl­eisch werden in einer Maschine zu Brät verarbeite­t, dann kommt Eis dazu. „Das kühlt und bindet“, erklärt Neumeier. Es folgen Salz und eine eigene Gewürzmisc­hung, über deren genauen Zusammense­tzung der gelernte Metzgermei­ster schweigt – mit einem großen Schmunzeln. „Da haben wir so lange dran gebastelt. Die Würste werden genau richtig, nicht zu fest, nicht zu weich und geschmackl­ich einfach gut.“

Die perfekte Weißwurst ist praktisch, zubereitet in einem ausgeklüge­lten System. Das fertige Brät wird in Schweineda­rm gepresst und landet in einem von drei Kesseln. 25 Minuten dürfen sie köcheln, ja nicht länger. „So bekommt

jeder hier immer frische Weiße“, sagt Neumeier. Die Pendlerinn­en und Pendler am frühen Morgen sind also ebenso wie die Arbeiter aus den umliegende­n Gemeinden zur Mittagspau­se da. Das Fleisch kommt aus seinem eigenen Fleischgro­ßhandel, den der Metzgermei­ster hauptberuf­lich in Augsburg betreibt. Das Frühstück und den Verkauf an den Donnerstag­en stemmten er und sein Team nebenzu, praktisch als Hobby.

Leicht war es gerade während der Pandemie nicht. „Wir hatten neun Monate komplett zu“, erinnert sich Neumeier. Mit den Auflagen habe das Konzept nicht funktionie­rt,

auch der Verkauf war schwierig. Viele der Gäste kommen aus der weiteren Umgebung, aus den Landkreise­n Fürstenfel­dbruck, Dachau, Augsburg und Aichach-Friedberg – und München. „Für die hat sich das Rausfahren zum Kaufen nicht gelohnt.“Für die Neumeiers eine herausford­ernde Zeit, vor allem finanziell. „Wir haben unser ganzes Personal weitergeza­hlt. Das sind gute Leute.“Aber auch das Menschlich­e hätten sie vermisst. Die Gespräche, das gemütliche Zusammensi­tzen. Selbst nach dem Ende der Hygienereg­eln und Maskenpfli­cht seien die Kundinnen und Kunden nur

langsam zurückgeke­hrt. Auf dem Niveau vor der Pandemie sei das Weißwurstf­rühstück immer noch nicht. „Aber ich bin zufrieden.“Die Kundinnen und Kunden ebenso.

In der großen Halle mit den bayerische­n Malereien wird gelacht, Besteck klappert, und Bedienunge­n schwirren mit Brezen, Biergläser­n und Senfkrügen zwischen den Tischen hindurch. Bayerische Gemütlichk­eit – das hört man hier immer wieder. Was das bedeutet? Zum einen, dass Nachnamen und das Siezen vor der Tür bleiben. Bei Helmut, Josef, Hermann und Hans etwa. Die vier Rentner aus Ried kommen alle

zwei Wochen her, seit zehn Jahren. „Eigentlich sind wir immer zu fünft, aber Sepp ist krank“, heißt es. Die Gruppe kennt sich bereits seit ihrer Schulzeit, hat zusammen Fußball gespielt, die erste Liebe gefunden. Bis auf einen sind alle in Ried geblieben. Sie schätzen das Miteinande­r, die gute Stimmung, den Wirt, die Weißwürste. „Das hier ist ein Stück der bayerische­n Lebensdevi­se. Leben und leben lassen.“

Das Weißwurst-Mekka Neumeier in der Rettenbach­straße 11 in Baindlkirc­h bei Ried ist an Donnerstag­en von 6 Uhr bis 12.30 Uhr geöffnet.

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 ?? ?? Peter Neumeier und seine Familie bieten seit fast 40 Jahren ein Weißwurstf­rühstück in Baindlkirc­h bei Ried an. Für viele Besucher aus der Gegend gehört es zur Tradition.
Peter Neumeier und seine Familie bieten seit fast 40 Jahren ein Weißwurstf­rühstück in Baindlkirc­h bei Ried an. Für viele Besucher aus der Gegend gehört es zur Tradition.
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Fotos: Anna Katharina Schmid

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