Der Traum vom Luxusgast
Die mallorquinische Hauptstadt Palma will schon lange weg vom Ballermann-Tourismus. Das soll auch über das Preis-Niveau gehen. Die Metropole poliert sich auf und will immer mehr wohlhabende Besucher anziehen. Doch das hat auch Schattenseiten.
Das alte Klischee Mallorca. Es wirkt nach wie vor. Sehr zum Leidwesen seiner Bewohner. Auch wenn viele Menschen hierzulande inzwischen wissen, dass die Mittelmeerinsel mit Naturschönheit und gediegener Ruhe punkten kann, so entschuldigt sich auch heute noch gefühlt fast jeder, wenn er auf die größte Balearen-Insel fliegt: „Aber nicht an den Ballermann“, wird pflichtgemäß hinterher geschoben. Und es ist noch gar nicht so furchtbar lange her, dass Mallorca als Kegelklub-Insel verunglimpft wurde. Als Eiland für den Billigurlaub mit wenig Niveau. Doch insbesondere die Hauptstadt Palma schickt sich zusehends an, diesen alten Zopf abzuschneiden. Was für den Besucher bedeutet: Es soll für ihn in der 450.000-Einwohner-Metropole immer noch eleganter, immer noch mondäner werden – aber er soll bitte deutlich mehr große Geldscheine mitbringen. Sonst ist er eigentlich nicht mehr so recht willkommen.
So sieht es jedenfalls Pedro Homar, Direktor der Fundació Turisme Palma, also der Tourismusdirektor Palmas. Auf der an diesem strahlenden Morgen sonnengefluteten Dachterrasse des Hotels Calatrava skizziert er den Pfad, den die Stadt touristisch in den nächsten Jahren, ja, Jahrzehnten, unumkehrbar weitergehen soll. Vom Dach aus bietet sich ein fantastischer Ausblick auf die Bucht von Palma. Das Wasser glitzert türkisfarben in der Morgensonne, Jachten ziehen gemächlich ihren Weg in Richtung offenes Meer, weiter hinten im Hafen hat ein riesiges Kreuzfahrtschiff angelegt. Von denen aber nur noch drei Stück pro Tag anlanden dürfen, wie die Inselregierung beschlossen hat.
„Wir können natürlich keinem Touristen untersagen, nach Palma zu kommen“, sagt Pedro Homar. Und meint damit unausgesprochen eben auch den Ballermann-Touristen, der zielstrebig den legendären wie verrufenen Palmaer Stadtteil El Arenal aufsucht. Das wolle auch niemand. Sprich: Es wird natürlich keine Gesichtskontrolle am Flughafen geben – mit der Folge, dass ein potenzieller Billigurlauber aus Deutschland, England oder den Niederlanden gleich wieder nach Hause fliegen dürfte. Was rechtlich gesehen ja ohnehin Blödsinn wäre. „Aber der Markt wird es richten“, sagt der erfahrene Touristiker und lächelt selbstbewusst. „Da sind wir uns sicher.“Heißt: Die touristische Infrastruktur hat sich längst angeschickt, ihr Niveau deutlich anzuheben.
Pedro Homar macht das an einem Unterkünfte-Trend fest: „Vor zehn Jahren gab es in Palma gerade einmal ein BoutiqueHotel. Inzwischen sind es 28.“BoutiqueHotels gelten seit der Jahrtausendwende auch in Europa als Gegentrend zu den großen Hotelketten, die auf der ganzen Erde aktiv und in ihrem Angebot oft sehr erwartbar und austauschbar sind. Das Konzept
der Boutique-Hotels geht einen anderen Weg: klein, fein, von der Einrichtung und Ausstattung her individuell – und häufig im Fünf-Sterne-Bereich angesiedelt. „Alle Boutique-Hotels hier sind inhabergeführt“, erläutert Pedro Homar weiter. Eines gehöre etwa dem britischen Milliardär Richard Branson. „Und alle diese Hotels wurden auf der baulichen Substanz früherer Palacios, also früherer Herrenhäuser, realisiert.“Darum befinden sie sich in der Regel auch mitten in der Stadt. So wie beispielsweise das Hotel Sant Jaume, das in einer eher unscheinbaren Gasse zwischen einer gotischen Kirche und einem Barockkloster liegt.
Der geneigte Besucher kann sich – so der Hotelservice – für 85 Euro gleich zu Beginn des Aufenthaltes mit einer Limousine samt Fahrer vom rund zehn Kilometer entfernten Aeropuerto de Son San Juan abholen lassen. Im Wagen offeriert der Fahrer im Preis inbegriffene Getränke und WLAN wobei vermutlich die wenigsten eine WLAN-Versorgung für die etwa viertelstündige Fahrt in die Altstadt dringend nötig haben werden. Nichts unbedingt für den klassischen Ballermann-Touristen,
der dafür wohl – im Regelfall – kein Geld übrig hat. Das Hotel begrüßt seine Gäste in der Lobby vielsprachig, mancher Concierge wartet gar mit Deutsch als Muttersprache auf. Im Lobbybereich imponiert eine gut zwölf Meter hohe Skulptur des Künstlers Robert Ferrer i Martorell.
Die Zimmerkategorien reichen von Deluxe als unterster Kategorie mit 25 bis 35 Quadratmetern (je nach Saison für zwei
Personen pro Nacht mit Frühstück von etwa 200 bis 400 Euro) bis hin zur Suite Sant Jaume mit 50 Quadratmetern zuzüglich 30 Quadratmeter Terrasse, die je nach Saison für eine Woche zu zweit schon mal 4000 bis 5000 Euro kosten kann. Eine eigene Terrasse ist sicher schön, aber vielleicht gar nicht unbedingt nötig.
Denn das Juwel des Hauses ist die für alle Gäste zugängliche Dachterrasse. An
diesem frühen Nachmittag dösen zahlreiche Hotelgäste in der warmen Sonne, genehmigen sich ein Bad in dem kleinen Pool oder genießen die Aussicht über die Altstadt von Palma bis hin zum Meer sowie zur prachtvollen Kathedrale, wobei alles problemlos fußläufig erreichbar ist.
Schon allein die Lage des Hotels Sant Jaume ist eine Erläuterung wert. Denn das Haus befindet sich in der Unterstadt, in der früher traditionell Händler, Fischer und Seefahrer beheimatet waren, weshalb sich dort auch die sehenswerte Seehandelsbörse befindet. Doch die Reichen wohnten in der Oberstadt, in der noch heute etwa der Justizpalast, der Hauptplatz Placa Major als Zentrum oder die Markthalle liegt. Und wie der Name Oberstadt schon sagt: alles einige Meter höher über dem Meer als die Unterstadt. Zur Oberstadt zählen zudem die weltberühmte Kathedrale und der Königspalast. Doch inzwischen hat auch die Unterstadt deutlich nachgeholt und zeigt sich an vielen Stellen ähnlich exklusiv wie die Oberstadt.
Wer sich ein Boutique-Hotel leisten kann, der hat womöglich auch Interesse an den vielen gehobenen Restaurants, wie etwa das „Botànic“, das in einem herrlichen Innenhof mit „Green ist the new sexy“punkten möchte. Heißt: Küchenchef Andrés Benitez verfeinert alles gesunde Grüne mit Kräutern und Gewürzen aus der ganzen Welt, ohne aber auf Fisch oder Fleisch ganz zu verzichten.
Nur ein Meter weiter stößt der Flaneur auf die Prachtmeile Passeig del Born, die ihm aber keineswegs als nur magerer Abklatsch der Rambla von Barcelona in Erinnerung bleiben wird. Prächtiger Jugendstil findet sich im Zentrum allerorten, die Gebäude bieten die gängigen Luxusmarken, aber auch – analog vielleicht zu den individuell gestalteten Boutique-Hotels – noch inhabergeführte Traditionsgeschäfte wie das Forn de Teatre, die Pararita Bomboneria und das Forn Fondo. Eine Filiale des 2020 verstorbenen Berliner Promifriseurs Udo Walz findet sich nahe der Prachtmeile.
Palma hat sich überdies längst zu einem interessanten Marktplatz für zeitgenössische Kunst entwickelt, was etwa in der Galerie Kaplan oder in der Gerhardt Braun Gallery deutlich zu spüren ist (in letzterer stellte jüngst etwa Noah Becker aus, der als Künstler längst aus dem Schatten seines Vaters Boris herausgetreten ist). Institutionalisiert ist das Thema Moderne Kunst freilich aber im Museum Es Baluard, das Zeitgenössisches von der Insel in Bild und Installation präsentiert.
Die Mallorquinerin Maria Amengual, die in den 90ern in Landshut Deutsch studiert hat und als Fremdenführerin arbeitet, muss manchmal den Kopf schütteln ob dieser Entwicklung auf ihrer Heimatinsel. „Meine Eltern sind ganz normale Leute, die sind nun mal ganz anders aufgewachsen – und ich auch.“
Über Jahrhunderte ist Mallorca keine reiche Insel gewesen, die älteren Bewohner wissen das noch genau, sagt sie. Es ist fraglich, wie lange sie, die Heimischen, sich noch auf einer Insel zu Hause fühlen, die Wohlhabende aus der ganzen Europäischen Union und darüber hinaus anzieht, die Häuser und Grundstücke kaufen – auf dass alles immer noch teurer wird. Die touristische Geschichte Mallorcas war und ist eine Geschichte des immer weiter wachsenden Wohlstandes – wenn auch beileibe nicht für alle Mallorquiner. Und es ist eine Geschichte, die offenkundig noch lange nicht auserzählt ist.
Bei aller Sehnsucht nach dem Luxustourismus, die natürlich nur jene haben, die damit Geld, teils sehr viel Geld verdienen, geht wenige Kilometer östlich von der malerischen Altstadt Palmas am Ballermann das oft unselige Treiben peinlicher Junggesellenausflüge weiter. Der Markt soll es richten? Man ist geneigt, den Mallorquinern trotz aller Für und Wider die Transformation in den Qualitätstourismus zu wünschen.
Der Fahrer holt den Gast mit der Luxuslimousine vom Flughafen ab.