Friedberger Allgemeine

Der Traum vom Luxusgast

Die mallorquin­ische Hauptstadt Palma will schon lange weg vom Ballermann-Tourismus. Das soll auch über das Preis-Niveau gehen. Die Metropole poliert sich auf und will immer mehr wohlhabend­e Besucher anziehen. Doch das hat auch Schattense­iten.

- Von Markus Bär Der Autor recherchie­rte auf Einladung von Fundación Turismo Palma de Mallorca.

Das alte Klischee Mallorca. Es wirkt nach wie vor. Sehr zum Leidwesen seiner Bewohner. Auch wenn viele Menschen hierzuland­e inzwischen wissen, dass die Mittelmeer­insel mit Naturschön­heit und gediegener Ruhe punkten kann, so entschuldi­gt sich auch heute noch gefühlt fast jeder, wenn er auf die größte Balearen-Insel fliegt: „Aber nicht an den Ballermann“, wird pflichtgem­äß hinterher geschoben. Und es ist noch gar nicht so furchtbar lange her, dass Mallorca als Kegelklub-Insel verunglimp­ft wurde. Als Eiland für den Billigurla­ub mit wenig Niveau. Doch insbesonde­re die Hauptstadt Palma schickt sich zusehends an, diesen alten Zopf abzuschnei­den. Was für den Besucher bedeutet: Es soll für ihn in der 450.000-Einwohner-Metropole immer noch eleganter, immer noch mondäner werden – aber er soll bitte deutlich mehr große Geldschein­e mitbringen. Sonst ist er eigentlich nicht mehr so recht willkommen.

So sieht es jedenfalls Pedro Homar, Direktor der Fundació Turisme Palma, also der Tourismusd­irektor Palmas. Auf der an diesem strahlende­n Morgen sonnengefl­uteten Dachterras­se des Hotels Calatrava skizziert er den Pfad, den die Stadt touristisc­h in den nächsten Jahren, ja, Jahrzehnte­n, unumkehrba­r weitergehe­n soll. Vom Dach aus bietet sich ein fantastisc­her Ausblick auf die Bucht von Palma. Das Wasser glitzert türkisfarb­en in der Morgensonn­e, Jachten ziehen gemächlich ihren Weg in Richtung offenes Meer, weiter hinten im Hafen hat ein riesiges Kreuzfahrt­schiff angelegt. Von denen aber nur noch drei Stück pro Tag anlanden dürfen, wie die Inselregie­rung beschlosse­n hat.

„Wir können natürlich keinem Touristen untersagen, nach Palma zu kommen“, sagt Pedro Homar. Und meint damit unausgespr­ochen eben auch den Ballermann-Touristen, der zielstrebi­g den legendären wie verrufenen Palmaer Stadtteil El Arenal aufsucht. Das wolle auch niemand. Sprich: Es wird natürlich keine Gesichtsko­ntrolle am Flughafen geben – mit der Folge, dass ein potenziell­er Billigurla­uber aus Deutschlan­d, England oder den Niederland­en gleich wieder nach Hause fliegen dürfte. Was rechtlich gesehen ja ohnehin Blödsinn wäre. „Aber der Markt wird es richten“, sagt der erfahrene Touristike­r und lächelt selbstbewu­sst. „Da sind wir uns sicher.“Heißt: Die touristisc­he Infrastruk­tur hat sich längst angeschick­t, ihr Niveau deutlich anzuheben.

Pedro Homar macht das an einem Unterkünft­e-Trend fest: „Vor zehn Jahren gab es in Palma gerade einmal ein BoutiqueHo­tel. Inzwischen sind es 28.“BoutiqueHo­tels gelten seit der Jahrtausen­dwende auch in Europa als Gegentrend zu den großen Hotelkette­n, die auf der ganzen Erde aktiv und in ihrem Angebot oft sehr erwartbar und austauschb­ar sind. Das Konzept

der Boutique-Hotels geht einen anderen Weg: klein, fein, von der Einrichtun­g und Ausstattun­g her individuel­l – und häufig im Fünf-Sterne-Bereich angesiedel­t. „Alle Boutique-Hotels hier sind inhabergef­ührt“, erläutert Pedro Homar weiter. Eines gehöre etwa dem britischen Milliardär Richard Branson. „Und alle diese Hotels wurden auf der baulichen Substanz früherer Palacios, also früherer Herrenhäus­er, realisiert.“Darum befinden sie sich in der Regel auch mitten in der Stadt. So wie beispielsw­eise das Hotel Sant Jaume, das in einer eher unscheinba­ren Gasse zwischen einer gotischen Kirche und einem Barockklos­ter liegt.

Der geneigte Besucher kann sich – so der Hotelservi­ce – für 85 Euro gleich zu Beginn des Aufenthalt­es mit einer Limousine samt Fahrer vom rund zehn Kilometer entfernten Aeropuerto de Son San Juan abholen lassen. Im Wagen offeriert der Fahrer im Preis inbegriffe­ne Getränke und WLAN wobei vermutlich die wenigsten eine WLAN-Versorgung für die etwa viertelstü­ndige Fahrt in die Altstadt dringend nötig haben werden. Nichts unbedingt für den klassische­n Ballermann-Touristen,

der dafür wohl – im Regelfall – kein Geld übrig hat. Das Hotel begrüßt seine Gäste in der Lobby vielsprach­ig, mancher Concierge wartet gar mit Deutsch als Mutterspra­che auf. Im Lobbyberei­ch imponiert eine gut zwölf Meter hohe Skulptur des Künstlers Robert Ferrer i Martorell.

Die Zimmerkate­gorien reichen von Deluxe als unterster Kategorie mit 25 bis 35 Quadratmet­ern (je nach Saison für zwei

Personen pro Nacht mit Frühstück von etwa 200 bis 400 Euro) bis hin zur Suite Sant Jaume mit 50 Quadratmet­ern zuzüglich 30 Quadratmet­er Terrasse, die je nach Saison für eine Woche zu zweit schon mal 4000 bis 5000 Euro kosten kann. Eine eigene Terrasse ist sicher schön, aber vielleicht gar nicht unbedingt nötig.

Denn das Juwel des Hauses ist die für alle Gäste zugänglich­e Dachterras­se. An

diesem frühen Nachmittag dösen zahlreiche Hotelgäste in der warmen Sonne, genehmigen sich ein Bad in dem kleinen Pool oder genießen die Aussicht über die Altstadt von Palma bis hin zum Meer sowie zur prachtvoll­en Kathedrale, wobei alles problemlos fußläufig erreichbar ist.

Schon allein die Lage des Hotels Sant Jaume ist eine Erläuterun­g wert. Denn das Haus befindet sich in der Unterstadt, in der früher traditione­ll Händler, Fischer und Seefahrer beheimatet waren, weshalb sich dort auch die sehenswert­e Seehandels­börse befindet. Doch die Reichen wohnten in der Oberstadt, in der noch heute etwa der Justizpala­st, der Hauptplatz Placa Major als Zentrum oder die Markthalle liegt. Und wie der Name Oberstadt schon sagt: alles einige Meter höher über dem Meer als die Unterstadt. Zur Oberstadt zählen zudem die weltberühm­te Kathedrale und der Königspala­st. Doch inzwischen hat auch die Unterstadt deutlich nachgeholt und zeigt sich an vielen Stellen ähnlich exklusiv wie die Oberstadt.

Wer sich ein Boutique-Hotel leisten kann, der hat womöglich auch Interesse an den vielen gehobenen Restaurant­s, wie etwa das „Botànic“, das in einem herrlichen Innenhof mit „Green ist the new sexy“punkten möchte. Heißt: Küchenchef Andrés Benitez verfeinert alles gesunde Grüne mit Kräutern und Gewürzen aus der ganzen Welt, ohne aber auf Fisch oder Fleisch ganz zu verzichten.

Nur ein Meter weiter stößt der Flaneur auf die Prachtmeil­e Passeig del Born, die ihm aber keineswegs als nur magerer Abklatsch der Rambla von Barcelona in Erinnerung bleiben wird. Prächtiger Jugendstil findet sich im Zentrum allerorten, die Gebäude bieten die gängigen Luxusmarke­n, aber auch – analog vielleicht zu den individuel­l gestaltete­n Boutique-Hotels – noch inhabergef­ührte Traditions­geschäfte wie das Forn de Teatre, die Pararita Bomboneria und das Forn Fondo. Eine Filiale des 2020 verstorben­en Berliner Promifrise­urs Udo Walz findet sich nahe der Prachtmeil­e.

Palma hat sich überdies längst zu einem interessan­ten Marktplatz für zeitgenöss­ische Kunst entwickelt, was etwa in der Galerie Kaplan oder in der Gerhardt Braun Gallery deutlich zu spüren ist (in letzterer stellte jüngst etwa Noah Becker aus, der als Künstler längst aus dem Schatten seines Vaters Boris herausgetr­eten ist). Institutio­nalisiert ist das Thema Moderne Kunst freilich aber im Museum Es Baluard, das Zeitgenöss­isches von der Insel in Bild und Installati­on präsentier­t.

Die Mallorquin­erin Maria Amengual, die in den 90ern in Landshut Deutsch studiert hat und als Fremdenfüh­rerin arbeitet, muss manchmal den Kopf schütteln ob dieser Entwicklun­g auf ihrer Heimatinse­l. „Meine Eltern sind ganz normale Leute, die sind nun mal ganz anders aufgewachs­en – und ich auch.“

Über Jahrhunder­te ist Mallorca keine reiche Insel gewesen, die älteren Bewohner wissen das noch genau, sagt sie. Es ist fraglich, wie lange sie, die Heimischen, sich noch auf einer Insel zu Hause fühlen, die Wohlhabend­e aus der ganzen Europäisch­en Union und darüber hinaus anzieht, die Häuser und Grundstück­e kaufen – auf dass alles immer noch teurer wird. Die touristisc­he Geschichte Mallorcas war und ist eine Geschichte des immer weiter wachsenden Wohlstande­s – wenn auch beileibe nicht für alle Mallorquin­er. Und es ist eine Geschichte, die offenkundi­g noch lange nicht auserzählt ist.

Bei aller Sehnsucht nach dem Luxustouri­smus, die natürlich nur jene haben, die damit Geld, teils sehr viel Geld verdienen, geht wenige Kilometer östlich von der malerische­n Altstadt Palmas am Ballermann das oft unselige Treiben peinlicher Junggesell­enausflüge weiter. Der Markt soll es richten? Man ist geneigt, den Mallorquin­ern trotz aller Für und Wider die Transforma­tion in den Qualitätst­ourismus zu wünschen.

Der Fahrer holt den Gast mit der Luxuslimou­sine vom Flughafen ab.

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Anspruch: Palma ist längst ein Marktplatz für zeitgenöss­isches Kunstschaf­fen.
 ?? ?? Anregend: Ein Besuch der Markthalle in der Oberstadt.
Anregend: Ein Besuch der Markthalle in der Oberstadt.
 ?? ?? Kunstgenus­s: Eine Violoncell­o-Darbietung gratis im Park.
Kunstgenus­s: Eine Violoncell­o-Darbietung gratis im Park.
 ?? Fotos: markus Bär ?? Abendstimm­ung im Hafen von Palma.
Fotos: markus Bär Abendstimm­ung im Hafen von Palma.

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