Einer, der es mit dem Fuchs hält: schlau und verführerisch
Der Augsburger Trompeter Nico Weber legt mit seinem „Kwartett“sein Debüt „Ela“vor. Das sind Jazzstücke mit viel Freiraum für seine Mitspieler.
Nico Weber ist ungeachtet seines jungen Alters als Jazztrompeter etabliert, trotzdem war es keine schlechte Idee von ihm, sich mit dem ersten Stück des Albumdebüts mit seinem „Kwartett“noch mal kurz vorzustellen. „Introducing“erzählt von der Liebe zum Kontemporären und von der Kunst des Weglassens, es setzt die Atmosphäre und es gibt eine erste Idee von Webers warmem Ton, der von seinem sanften Ansatz durch die Mensur seines Instruments geschickt wird. Er spielt, wie in der chinesischen Mythologie der Fuchs charakterisiert wird: schlau und verführerisch.
Es war höchste Zeit, dass die Stücke auf dem Album „Ela“(Unit Records) als physischer Tonträger veröffentlicht werden: „Die Musik gibt es schon länger, ich musste das jetzt endlich aufnehmen. Ich würde gerne das nächste Album gezielter schreiben, um einen Bogen im Album zu spannen.“Was nicht heißt, dass „Ela“eine orientierungslose Sammlung alter
Songideen ist, im Gegenteil. Weber schreibt mit viel Freiraum für seine Mitmusiker, die ihm einen dichten, treibenden Teppich bereiten, auf dem er mal zurückhaltend, mal mit allerhöchster Intensität seine Trompete zum Sprechen bringt.
Beim zentralen Titeltrack spendet er beim verhaltenen Beginn mehr Farben als Töne, bevor er langsam, aber unaufhaltsam das Solo aufbaut, dessen Qualität dem des deutlich erfahreneren Saxofonisten Florian Trübsbach in nichts nachsteht. Wenn die Band zum Thema zurückkehrt, tut sie das mit einer brodelnden Rastlosigkeit, in die sich allmählich ein unauffälliger, aber unwiderstehlicher Groove schleicht. Die Energie des Quartetts ist in den ruhigen Momenten dezent zu spüren, in den feurigen Momenten springt sie einem mit Anlauf ins Gesicht.
Miles Davis mag bei einem Trompetenalbum nicht die einfallsreichste Referenz sein, doch wie „Anti Cipation“von Anfang an mit rasender Hi-Hat und sprintendem Dauerbass loslegt, erinnert an Liveaufnahmen von Davis’ Hochgeschwindigkeitsnummern
aus der Mitte der 60er-Jahre. Webers Solo klingt wie ein übermütiges Wildpferdefohlen, das keine Anzeichen zeigt, sich zähmen zu lassen. Wenn er soliert und improvisiert, hat er eine „innere Stimme im Kopf, und ich singe sie in meine Trompete rein, ich scatte die ganze Zeit im Kopf“, so berichtet er, und man will sich gar nicht vorstellen, wie seine Synapsen manchmal auf der Bühne strapaziert werden.
Wer mit dem Verb „kochen“im Jazzkontext bisher nichts anfangen konnte, versteht spätestens hier: Es ist ein Gütesiegel für ungebremste Energie im Zusammenspiel, die in dieser Form nur im Jazz möglich ist. Das Kwartett spielt so souverän, dass man kaum glauben mag, dass diese Band noch so jung ist. Die Erfahrenheit erklärt sich vielleicht dadurch, dass schon in Webers Kindertagen eine „Trompete daheim rumlag und ich als Kind versucht habe, Töne rauszukriegen.“Sein Vater zeigte ihm, wie Improvisation geht, und ließ ihn schon mit 13 Jahren bei den Konzerten mit seiner Band einsteigen. „Meine Initialzündung war, mit anderen Leuten zusammen im Kollektiv Musik zu machen, und zwar richtig intensiv, sodass etwas Richtiges dabei rauskommt.“
Musikalisch ist Weber breit aufgestellt, er mag klassische Musik, britische Brass Bands, gut gemachter Indiepop, Techno, doch der Jazz hielt eine besondere Faszination bereit. „Jazz war unerforscht von mir und ist es immer noch. Ich stoße ständig auf Neues, und zu verstehen, was da passiert und es nachzubauen, ist eine Riesenmotivation.“Weber hört intensiv, vereinnahmt die Melodik und hört die Soli heraus, „da bleibt dann was hängen. Wenn man improvisiert und den Moment loslassen kann, kommen die Sachen wieder raus, die man in sich reingefressen hat.“Weber war von Anfang an wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, was ihn musikalisch umgibt.
Der Einfluss seines Dozenten Claus Reichstaller an der Musikhochschule München, Raga-Workshops auf nepalesischen Jazzfestivals und Pferdekopfgeigenunterricht in der Mongolei, all das trägt zu seiner „musikalischen Reife und Ausdruckskraft“bei, die ihm von der Jury des Kunstförderpreises der Stadt Augsburg attestiert wurde. „Der Jazzpreis öffnet Türen, man wird mehr gehört“, sieht der junge Trompeter den Vorteil der Auszeichnung. Das mag angesichts der immer noch schwierigen Live-Situation eine Hilfe für die Tour zum Album im Herbst sein. Der Fuchs taucht übrigens auf dem Cover als Silhouette auf. „Ein Fuchs muss tun, was ein Fuchs tun muss“, heißt es in einem alten Hit der Absoluten Beginner. Und Weber muss spielen, hören, schreiben und wieder spielen, und jedes Mal tanzen seine Synapsen ein wenig wilder.