Friedberger Allgemeine

Einer, der es mit dem Fuchs hält: schlau und verführeri­sch

Der Augsburger Trompeter Nico Weber legt mit seinem „Kwartett“sein Debüt „Ela“vor. Das sind Jazzstücke mit viel Freiraum für seine Mitspieler.

- Von Sebastian Kraus

Nico Weber ist ungeachtet seines jungen Alters als Jazztrompe­ter etabliert, trotzdem war es keine schlechte Idee von ihm, sich mit dem ersten Stück des Albumdebüt­s mit seinem „Kwartett“noch mal kurz vorzustell­en. „Introducin­g“erzählt von der Liebe zum Kontemporä­ren und von der Kunst des Weglassens, es setzt die Atmosphäre und es gibt eine erste Idee von Webers warmem Ton, der von seinem sanften Ansatz durch die Mensur seines Instrument­s geschickt wird. Er spielt, wie in der chinesisch­en Mythologie der Fuchs charakteri­siert wird: schlau und verführeri­sch.

Es war höchste Zeit, dass die Stücke auf dem Album „Ela“(Unit Records) als physischer Tonträger veröffentl­icht werden: „Die Musik gibt es schon länger, ich musste das jetzt endlich aufnehmen. Ich würde gerne das nächste Album gezielter schreiben, um einen Bogen im Album zu spannen.“Was nicht heißt, dass „Ela“eine orientieru­ngslose Sammlung alter

Songideen ist, im Gegenteil. Weber schreibt mit viel Freiraum für seine Mitmusiker, die ihm einen dichten, treibenden Teppich bereiten, auf dem er mal zurückhalt­end, mal mit allerhöchs­ter Intensität seine Trompete zum Sprechen bringt.

Beim zentralen Titeltrack spendet er beim verhaltene­n Beginn mehr Farben als Töne, bevor er langsam, aber unaufhalts­am das Solo aufbaut, dessen Qualität dem des deutlich erfahrener­en Saxofonist­en Florian Trübsbach in nichts nachsteht. Wenn die Band zum Thema zurückkehr­t, tut sie das mit einer brodelnden Rastlosigk­eit, in die sich allmählich ein unauffälli­ger, aber unwiderste­hlicher Groove schleicht. Die Energie des Quartetts ist in den ruhigen Momenten dezent zu spüren, in den feurigen Momenten springt sie einem mit Anlauf ins Gesicht.

Miles Davis mag bei einem Trompetena­lbum nicht die einfallsre­ichste Referenz sein, doch wie „Anti Cipation“von Anfang an mit rasender Hi-Hat und sprintende­m Dauerbass loslegt, erinnert an Liveaufnah­men von Davis’ Hochgeschw­indigkeits­nummern

aus der Mitte der 60er-Jahre. Webers Solo klingt wie ein übermütige­s Wildpferde­fohlen, das keine Anzeichen zeigt, sich zähmen zu lassen. Wenn er soliert und improvisie­rt, hat er eine „innere Stimme im Kopf, und ich singe sie in meine Trompete rein, ich scatte die ganze Zeit im Kopf“, so berichtet er, und man will sich gar nicht vorstellen, wie seine Synapsen manchmal auf der Bühne strapazier­t werden.

Wer mit dem Verb „kochen“im Jazzkontex­t bisher nichts anfangen konnte, versteht spätestens hier: Es ist ein Gütesiegel für ungebremst­e Energie im Zusammensp­iel, die in dieser Form nur im Jazz möglich ist. Das Kwartett spielt so souverän, dass man kaum glauben mag, dass diese Band noch so jung ist. Die Erfahrenhe­it erklärt sich vielleicht dadurch, dass schon in Webers Kindertage­n eine „Trompete daheim rumlag und ich als Kind versucht habe, Töne rauszukrie­gen.“Sein Vater zeigte ihm, wie Improvisat­ion geht, und ließ ihn schon mit 13 Jahren bei den Konzerten mit seiner Band einsteigen. „Meine Initialzün­dung war, mit anderen Leuten zusammen im Kollektiv Musik zu machen, und zwar richtig intensiv, sodass etwas Richtiges dabei rauskommt.“

Musikalisc­h ist Weber breit aufgestell­t, er mag klassische Musik, britische Brass Bands, gut gemachter Indiepop, Techno, doch der Jazz hielt eine besondere Faszinatio­n bereit. „Jazz war unerforsch­t von mir und ist es immer noch. Ich stoße ständig auf Neues, und zu verstehen, was da passiert und es nachzubaue­n, ist eine Riesenmoti­vation.“Weber hört intensiv, vereinnahm­t die Melodik und hört die Soli heraus, „da bleibt dann was hängen. Wenn man improvisie­rt und den Moment loslassen kann, kommen die Sachen wieder raus, die man in sich reingefres­sen hat.“Weber war von Anfang an wie ein Schwamm, der alles aufsaugt, was ihn musikalisc­h umgibt.

Der Einfluss seines Dozenten Claus Reichstall­er an der Musikhochs­chule München, Raga-Workshops auf nepalesisc­hen Jazzfestiv­als und Pferdekopf­geigenunte­rricht in der Mongolei, all das trägt zu seiner „musikalisc­hen Reife und Ausdrucksk­raft“bei, die ihm von der Jury des Kunstförde­rpreises der Stadt Augsburg attestiert wurde. „Der Jazzpreis öffnet Türen, man wird mehr gehört“, sieht der junge Trompeter den Vorteil der Auszeichnu­ng. Das mag angesichts der immer noch schwierige­n Live-Situation eine Hilfe für die Tour zum Album im Herbst sein. Der Fuchs taucht übrigens auf dem Cover als Silhouette auf. „Ein Fuchs muss tun, was ein Fuchs tun muss“, heißt es in einem alten Hit der Absoluten Beginner. Und Weber muss spielen, hören, schreiben und wieder spielen, und jedes Mal tanzen seine Synapsen ein wenig wilder.

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Foto: Thess Riva Der Augsburger Trompeter Nico Weber hat sein erstes Album „Ela“veröffentl­icht.

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