Eltern wollen Grundschulreform stoppen
Um die Grundschüler in Bayern fitter in Deutsch und Mathematik zu machen, soll bei den kreativen Fächern gekürzt werden. Das stößt im Landkreis Aichach-Friedberg auf Kritik.
Weit über 200.000 Menschen haben im Internet bereits ihren Protest gegen drohende Kürzungen bei den Grundschulfächern Kunst, Musik sowie Werken und Gestalten ausgedrückt. Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz plant, die Stundenzahl für Deutsch und Mathematik zu erhöhen, um die Schülerinnen und Schüler wieder fitter im Lesen, Schreiben und Rechnen zu machen. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg stößt die vorgesehene Grundschulreform auf viel Kritik.
Vor allem viele Eltern laufen Sturm dagegen, dass ausgerechnet bei den kreativen Fächern gekürzt werden soll. Claudia Zeitlmeir ist Elternbeiratsvorsitzende an der Grundschule in Inchenhofen. Auch sie hat die Onlinepetition unterschrieben. „Ich finde das unmöglich, die Kinder brauchen Musik, Werken und Malen als Ausgleich zu den schwierigeren Fächern“, sagt sie. Wer zwischendrin ein bisschen tanzen, singen oder Theater spielen kann, könne auch wieder mit neuer Freude und neuem Schwung lernen, sagt die 48-Jährige. Ihrer Meinung nach müsste der Unterricht nicht strenger, sondern etwas lockerer und anschaulicher werden, damit bei den Kindern wieder mehr Interesse geweckt werde. In Inchenhofen funktioniere das gut.
Die Grundschulreform in Bayern ist eine Reaktion auf das historisch schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler bei der vergangenen PISA-Studie im Jahr 2022. Die Stundenplanreform von Kultusministerin Stolz (Freie Wähler) sieht je eine Stunde mehr Deutsch in allen vier Jahrgangsstufen der Grundschule vor. In der ersten und zweiten Klasse bedeutet das sechs Stunden Deutsch pro Woche, in den Klassen drei und vier jeweils sieben Stunden. In den Klassen eins und drei kommen je eine Wochenstunde mehr Mathematik dazu. Das heißt für die Jahrgangsstufen eins bis vier: fünf Stunden, vier Stunden, sechs Stunden und fünf Stunden Mathematik. Weil über die gesamte Schulzeit hinweg die Stundenzahl nicht steigen soll, soll bei anderen Fächern gekürzt werden. Gestrichen werde kein Fach, betont Stolz. In der ersten und zweiten Jahrgangsstufe bleiben insgesamt acht Wochenstunden für die vier Fächer Heimat- und Sachkunde (HSU), Musik, Kunst sowie Werken und Gestalten. Diese können die Lehrkräfte nach ihrem Ermessen verteilen. Kunst, Musik, Werken und Gestalten sind ab der dritten Jahrgangsstufe ein „Fächerverbund“. Die Schulleitungen können für diesen Fächerverbund weiterhin fünf Stunden einplanen oder auf vier Stunden kürzen. Bleiben sie bei fünf Stunden, müssen sie dafür die flexible Stunde „opfern“, die eigentlich für Fördermaßnahmen gedacht ist. Wollen sie weiterhin zwei Wochenstunden Englisch anbieten, müssen sie die flexible
Stunde diesem Fach zuordnen. Neben der Stundenplanänderung soll es für die Lehrkräfte laut Stolz unter anderem eine Fortbildungsoffensive mit dem Schwerpunkt Basiskompetenzen geben.
Das bayerische Kabinett hat den Reformvorschlägen zwar bereits zugestimmt, dennoch gibt es auch vom Koalitionspartner mittlerweile viel Kritik für das Konzept. Landtagsabgeordneter Peter Tomaschko aus Merching ist Schulexperte der CSU. In seiner Partei halte man Stundenkürzungen in anderen Fächern für unnötig, erklärt er. Stattdessen müsste an der
Unterrichtsqualität und an den Inhalten gearbeitet werden, betont er. Auch die Opposition lehnt Streichungen bei den kreativen Fächern ab. Die Grünen plädieren für längere Schultage, um mehr Zeit zum Lernen zu haben. Die SPD setzt sich nach Angaben ihrer bildungspolitischen Sprecherin im Landtag, Simone Strohmayr, für mehr Geld, mehr Lehrkräfte und mehr ergänzendes Personal an den Grundschulen ein.
Über mehr Unterstützungspersonal für die Lehrkräfte würde sich auch Martina Ritzel, Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) im Kreis Aichach-Friedberg, freuen. Sie bestätigt, dass viele Kinder Defizite in Deutsch und Mathe hätten und mehr Förderung bräuchten. Die Reform ist ihrer Ansicht nach aber eine „Mogelpackung“, da sie null mehr Stunden bringe. In der Grundschule werde größtenteils nicht nach 45-Minuten-Einheiten unterrichtet, sondern im grundlegenden Unterricht wechseln sich beispielsweise Deutscheinheiten mit Rhythmusübungen zum Auflockern ab. Für Ritzel heißt die Ideallösung mehr Unterrichtszeit, aber dazu brauche es natürlich auch mehr Lehrkräfte. Zudem würde sich der BLLV laut Ritzel nicht gegen eine Kürzung der Religionsstunden
in der dritten und vierten Klasse von drei auf zwei Stunden sträuben.
Auch Schulamtsdirektorin Ingrid Hillenbrand kann die Forderung, am ehesten bei Religion zu kürzen, nachvollziehen. Doch der Freistaat habe einen Vertrag mit den großen Kirchen und solange sich da nichts tue, seien hier keine Kürzungen möglich. Für eine Erhöhung der Unterrichtszeit sieht sie ebenfalls große Hürden: Das Finanzministerium müsste zustimmen, und der Lehrermangel müsste sich schnell auflösen. Wenn die beschlossene Reform zum neuen Schuljahr so kommt, könne aber jede Schule ihren Handlungsspielraum nutzen, um das eigene Profil – beispielsweise als Musik- oder Umweltschule – zumindest nicht zu schwächen. Als wichtig erachtet es Hillenbrand, die Eltern mit ins Boot zu holen und diesen zu erklären, auf welche Ausrichtung die Schule setzt.
Weil die Eltern in diese Diskussion aber häufig noch nicht mit einbezogen sind, wollten sich mehrere Elternbeiräte auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu dem Thema äußern. Vom Elternbeirat der Luitpoldschule in Mering hieß es: „Wir wollen erst einmal schauen, was die Schule daraus macht.“
Lehrkräfte können sich Kürzungen im Fach Religion vorstellen.