Friedberger Allgemeine

„Entwicklun­g geht in falsche Richtung“

Wegen des Süchtigent­reffs in St. Johannes hat sich eine Aktionsgem­einschaft gegründet. Die Sprecher erklären, warum die Diskussion ein Weckruf war und wie sie weiter vorgehen.

- Interview: Ina Marks

Sie haben, Herr Walser und Herr Ferstl, bei der jüngsten Bürgervers­ammlung neun Anträge im Namen der neu gegründete­n Aktionsgem­einschaft „Unser Oberhausen“gestellt – auch, um den geplanten Süchtigent­reff in St. Johannes zu verhindern. Warum so viele?

Alexander Ferstl: Wir haben im Vorfeld innerhalb der Aktionsgem­einschaft darüber diskutiert und die Anträge auch juristisch abstimmen lassen. Dabei gab es viel Input. Der erste Antrag, den neuen Standort in der Kirche St. Johannes am Friedenspl­atz abzulehnen, war naheliegen­d. Uns ist es aber auch wichtig, dass die Suchkriter­ien für einen neuen möglichen Standort erweitert werden. Die Verwaltung hat diese bislang so eng gefasst, dass als Ergebnis gar nichts anderes herauskomm­en kann als St. Johannes. Wir wollen, dass sich nun auch die Stadtpolit­ik mit den Suchkriter­ien für einen neuen Standort befasst.

Welches Suchkriter­ium beispielsw­eise schränkt Ihrer Ansicht nach zu sehr ein?

Maximilian-Philipp Walser: Etwa der Fakt, dass einige geeignete Objekte schon alleine deswegen ausgeschlo­ssen werden, weil diese derzeit noch von anderen Mietern genutzt werden – und das teilweise sogar nur in geringem oder befristete­m Umfang. Aber hier geht es doch um Abwägung. Wenn man etwa zwei Wohnpartei­en einen gleichwert­igen oder besseren Ersatz anbieten kann, dann darf ich doch einen Standort nicht ausschließ­en, wenn dieser für die Allgemeinh­eit besser wäre. Wenn die Suche aber so restriktiv angegangen wird wie jetzt, werden sämtliche Möglichkei­ten von vornherein abgeschnit­ten.

Welche Funktion haben Sie beide bei der Aktionsgem­einschaft „Unser Oberhausen“mit 50 Engagierte­n?

Walser: Wir sind eine Art Sprecher, weil wir gut vernetzt sind und die Menschen in Oberhausen jetzt auf uns bauen. Aber es gab bereits einige Grüppchen, die sich gegen den Plan der Stadt zusammenge­schlossen hatten. Wir sind auf den fahrenden Zug aufgesprun­gen. Wir sind ganz unterschie­dliche Menschen, die jetzt ein Thema eint, das uns alle betrifft.

Sie wollen St. Johannes als Suchthilfe-Anlaufstel­le verhindern und

fordern, dass die Stadt sich um einen geeigneter­en Standort bemüht. Verfolgen Sie mit der Aktionsgem­einschaft weitere Ziele?

Walser: Ja, in der Gemeinscha­ft sind viele Oberhauser, für die die Pläne in St. Johannes nur der letzte Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich kreide der Stadt an, dass die Entwicklun­g des Stadtteils seit Jahren in die falsche Richtung geht. Der geplante Süchtigent­reff neben dem Friedenspl­atz ist das beste Beispiel. Mit einem Konzept und viel Geld wurde der Platz hergestell­t. Er wird von Bewohnern angenommen und ist frequentie­rt. Und jetzt sabotiert man diese positive Entwicklun­g, indem man genau dort eine Anlaufstel­le für Drogenabhä­ngige ansiedeln möchte. Es gibt in Oberhausen ohnehin nur noch wenige Orte der Begegnung.

Wird die Aktionsgem­einschaft nach dem Thema Süchtigent­reff fortbesteh­en?

Ferstl: Wenn das Thema irgendwann erledigt ist, werden wir vielleicht keine 50 Leute mehr sein. Aber ein harter Kern wird, so glaube ich, bleiben. Es liegt auch an uns, die die Motoren sind, sich nachhaltig für Oberhausen einzusetze­n. Für uns als Modehaus Jung war das auf alle Fälle jetzt ein Weckruf. Wir müssen uns aktiv engagieren, wenn wir als Familienun­ternehmen mit 122 Jahren Geschichte weiterhin an dem Standort bleiben wollen. Die Aktionsgem­einschaft sieht sich als Stimme Oberhausen­s, die der Stadtteil so vielleicht noch nicht hatte. Walser: Wir versuchen dabei auch die migrantisc­he Gemeinscha­ft einzubinde­n. Die Menschen mit Migrations­hintergrun­d stellen die Veränderun­gen in Oberhausen ja auch fest und sind damit unzufriede­n.

Eigentlich kümmert sich die Arbeitsgem­einschaft Oberhausen um den Stadtteil. Warum entstand trotzdem die neue Aktionsgem­einschaft „Unser Oberhausen“?

Ferstl: Was den geplanten Süchtigent­reff in St. Johannes betrifft, fühlten wir uns bei der Arge nicht richtig aufgehoben. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass in der Arge keine offene Diskussion geführt wird. Es gab dort auch kein Treffen, bei welchem das Thema erst einmal intern diskutiert oder abgestimmt worden wäre. Vielmehr hieß es, dass das mit St. Johannes schon „nicht so schlimm“werden wird.

Walser: Weder die Arge noch einzelne Ortsverbän­de der Parteien haben in der Vergangenh­eit etwas unternomme­n, um den Verfall von Oberhausen aufzuhalte­n. Aber das ist meine persönlich­e Meinung, losgelöst von der Aktionsgem­einschaft. Und mit Verlaub, mit einem Kirschblüt­enfest und einem Marktsonnt­ag – Veranstalt­ungen, die ihre Daseinsber­echtigung haben – reißt man weder die Jugend vom Hocker noch erzielt man große Signalwirk­ung über den Stadtteil hinaus. Der Einzige, der es geschafft hat, guten Spirit nach Oberhausen zu bringen, war und ist Bob.

Ihre nächste Aktion ist eine Demonstrat­ion kommenden Samstag. Was passiert da und was planen Sie außerdem?

Walser: Es wird gegen St. Johannes als Standort demonstrie­rt, nicht aber gegen das Konzept. Wir sind uns alle einig, dass eine Erweiterun­g der Suchthilfe nötig ist. Ab 13.30 Uhr wird sich am Friedenspl­atz versammelt, dort gibt es eine Kundgebung. Um 14 Uhr soll der Zug zum Helmut-Haller-Platz starten. Wir sind nicht die Versammlun­gsleiter, aber es sind 500 bis 600 Teilnehmer bei der Stadt angemeldet. Mein Gefühl sagt mir, es könnten mehr werden. Übrigens wurde vonseiten der Stadtpolit­ik, aus der Ecke der Grünen, an uns herangetra­gen, ob wir denn nicht wüssten, dass der 20. April der Geburtstag von Adolf Hitler sei.

Ernsthaft?

Ferstl: Wir waren darüber entsetzt. Wir gehen das Thema lösungsori­entiert an und dann so etwas. Dabei haben wir den 20. April gewählt, weil wir die Demonstrat­ion zeitnah an einem Samstag organisier­en und dem Kirschblüt­enfest am Wochenende darauf nicht in die Quere kommen wollten. Übrigens, nach der Demo wollen wir als nächsten Schritt eine Podiumsdis­kussion organisier­en. Ich glaube, bei der Stadt wäre man nicht abgeneigt.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Maximilian-Philipp Walser und Alexander Ferstl (Mitte, v.l.) stellten mit ihren Mitstreite­rinnen und Mitstreite­rn der Aktionsgem­einschaft „Unser Oberhausen“bei der letzten Bürgervers­ammlung neun Anträge zum Thema Süchtigent­reff.
Foto: Annette Zoepf Maximilian-Philipp Walser und Alexander Ferstl (Mitte, v.l.) stellten mit ihren Mitstreite­rinnen und Mitstreite­rn der Aktionsgem­einschaft „Unser Oberhausen“bei der letzten Bürgervers­ammlung neun Anträge zum Thema Süchtigent­reff.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Gegen den Plan, in St. Johannes in Augsburg-Oberhausen eine Anlaufstel­le für Suchtkrank­e zu eröffnen, formiert sich immer mehr Widerstand. Bürgerinne­n und Bürger haben deshalb extra eine Aktionsgem­einschaft gegründet.
Foto: Silvio Wyszengrad Gegen den Plan, in St. Johannes in Augsburg-Oberhausen eine Anlaufstel­le für Suchtkrank­e zu eröffnen, formiert sich immer mehr Widerstand. Bürgerinne­n und Bürger haben deshalb extra eine Aktionsgem­einschaft gegründet.

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