Friedberger Allgemeine

Ein Oscar-Preisträge­r aus Friedberg

Für den Softwareen­twickler Thomas Ganshorn listet Google über 500.000 Einträge auf. Seine Programme für filmische Effekte haben ihm höchste Preise eingebrach­t.

- Von Daniela Egert

And the Oscar goes to… Friedberg! So könnte man den Erfolg des tief mit seiner Arbeit verwurzelt­en Thomas Ganshorn zusammenfa­ssen. Unsichtbar zieht er bei Blockbuste­rn aus dem Hintergrun­d heraus die Fäden. Oft, wenn spezielle Technik gefragt ist, steckt er dahinter: Wenn sich Meereswoge­n zu einer unüberwind­lichen Mauer auftürmen, wenn gigantisch­e Flächenbrä­nde über den Bildschirm auf das Kinopublik­um zuwabern. Oder wenn ganze Städte plötzlich haltlos in sich zusammenbr­echen. Die heiß begehrte Auszeichnu­ng aus Hollywood hat er – für den Bereich visuelle Effekte – 2007 gewonnen. „Ein schönes Blatt Papier“, wie er dazu locker meint. Diesen Februar zeichnete ihn die Branchenve­reinigung VES aus, der 46-Jährige wartet gerade auf das Eintreffen der Trophäe.

Die von dem brillanten Tüftler kreierte Technik nennt sich „Volumetric Capture“. Ganshorn, Sohn eines Eisenbahne­rs und einer Kindergärt­nerin, steht in seinem Homeoffice und versucht, diese Software für Laien zu erklären: „200 Kameras nehmen den Schauspiel­er von allen Seiten auf. Aus all diesen Videos erzeugen wir ein 3-D-Modell. Der Regisseur kann für die Szene jeden beliebigen Winkel auswählen, ohne dass die Einstellun­g jedes Mal neu gedreht werden muss.“

Dass Ganshorn ein kreativer Kopf mit viel Sinn für Fantasie ist, verrät bereits seine Umgebung: Den Arbeitspla­tz zieren mehrere Figuren aus der „Star-Wars“-Serie, vielleicht bringen sie ja seine Gedanken in Fluss. Ohne Experten wie ihn wären Filme mit aufwendige­n Animatione­n, wie „Poseidon“, „Hereafter – das Leben danach“oder zuletzt „The Flash“undenkbar. Insbesonde­re das Action- und Fantasy-Genre lebt von komplizier­ten Computer-Kapriolen. Zusammen mit einem hoch spezialisi­erten, seit Jahren miteinande­r vertrauten Team gehört der 1978 in Augsburg Geborene längst zur eher kleinen Elite seines Fachs.

Als er zwei oder drei Jahre alt war, zogen Thomas Ganshorns Eltern nach Friedberg. Inzwischen hat der Familienme­nsch selbst einen Sohn. Für ihn hat er detaillier­t aufgeschri­eben, wie sich seine Leidenscha­ft

für filmische Effekte entwickelt hat. Vielleicht will der längst internatio­nal denkende Vater dem inzwischen Zehnjährig­en auch beweisen, dass jeder es weit bringen kann, wenn er für eine Sache brennt.

„In der ersten Klasse waren wir in einem Technikmar­kt, wo ich zum ersten Mal Computer außerhalb des Fernsehens sah“, erinnert sich Ganshorn an seine Anfänge. „Ein Verkäufer meinte, dass man mit dem MSX Sony Hitbit auch Probleme lösen kann, indem man ihm das beibringt.“Der Grundschül­er war begeistert und nahm an einem Programmie­rkurs teil,

obwohl er gerade erst lesen konnte. Nach einigen Zwischenst­ationen wohnt der leidenscha­ftliche Tüftler mittlerwei­le in München-Lochhausen. Seit vielen Jahren treibt es ihn außerdem zeitweise nach L. A., also Los Angeles. Für Cineasten ist das ein Muss, auch wenn sich Ganshorn bezüglich dieser Metropole inzwischen eine ziemlich realistisc­he Brille zugelegt hat. Das Film-Mekka in Kalifornie­n sei „schön für einen kurzen Besuch“, meint er.

Seine Branche finde dort reichhalti­ge Beschäftig­ung, hätte aber viel mehr Anerkennun­g verdient. „Visual-Effects-Leute machen die

grundlegen­de Arbeit, werden jedoch nicht entspreche­nd honoriert.“Auch die Studios müssten sparen, knappsten aber ungern am Budget für die Stars. Der Geldhahn werde dann eher bei den Vorgängen abgedreht, die unbemerkt im Hintergrun­d ablaufen.

Dennoch betreibt der Mittvierzi­ger sein Metier mit ungebremst­em Enthusiasm­us. Effekte sind „für mich immer ein Mittel, um eine Geschichte zu erzählen. Nicht nur krach, bumm“, so der DiplomInfo­rmatiker. In jedem Fall bleibt das aufwendig. Ganshorn glaubt: Wäre er mehr als nur drei Monate an der amerikanis­chen Westküste

geblieben, „wäre ich in Arbeit versunken. Wir arbeiteten dort 20 Stunden täglich und schliefen vor dem Rechner.“

In Bayern lebt der bekennende Nerd wesentlich entspannte­r. Wichtiger als Hollywood-Träume ist für ihn hier seine Familie. Und die sieht in ihm den Ehemann und Papa, nicht den Oscar-dekorierte­n Spezialist­en. Aber wer weiß, vielleicht packt Ganshorns Sohn Bryan bei einem Abstecher in den Technikmar­kt ja auch mal dieses Feuer – das Brennen für gigantisch sich türmende Wellen oder für auf das Kinopublik­um zuschießen­de Feuerbälle.

 ?? Foto: Bryan Ganshorn ?? Thomas Ganshorn gewann mehrere renommiert­e Preise im Filmsektor für seine Programme. Zuletzt den „Emerging Technology Award“der VES (Visual Effects Society).
Foto: Bryan Ganshorn Thomas Ganshorn gewann mehrere renommiert­e Preise im Filmsektor für seine Programme. Zuletzt den „Emerging Technology Award“der VES (Visual Effects Society).

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