SCHÖNHEIT DER SYMMETRIE
Das historische Anwesen The Old Vicarage bringt alles mit, was es für einen romantischen englischen Garten braucht. Doch Jeremy und Beverly Allen hatten andere Pläne.
Gerade Linien verleihen dem Garten Old Vicarage sein modernes Gesicht.
The Old Vicarage ist ein Herrenhaus, das bereits um 1550 erbaut wurde. Das mehrfach renovierte und erweiterte Gebäude befindet sich in Essex, einer Grafschaft nordöstlich von London. Wie ein vergessener Schatz liegt es abgeschieden in einem menschenleeren Tal, umgeben von Wiesen und Wäldern. Diese Voraussetzungen verlangen förmlich danach, das Idyll in eine typisch englische Gartenanlage mit geschwungenen Wegen, kleinen Mäuerchen und in allen Farben des Regenbogens blühende Blumen umzugestalten. Das bemerkten auch die Käufer
Jeremy und Beverly Allen sofort, als sie ihr Anwesen 2004 bezogen. Doch ihre Vorstellungen wichen weit vom Naheliegenden ab. „Ja, wir hatten alles, was es für einen englischen Landschaftsgarten wie aus dem Bilderbuch braucht“, erinnert sich Jeremy. „Doch das letzte was ich wollte, war ein typisch englischer Landschaftsgarten.“
Zeitgemäß und somit modern sollte das Areal um das Haus herum werden. Und der direkte Weg hin zur Moderne verlief für Jeremy geradlinig. In geometrischen Formen, allen voran Quadrate und
Rechtecke, erkannte er die stärkste Möglichkeit, seine Vorstellungen umzusetzen. Symmetrien bei kleinen Wasserläufen oder parallel gesetzte Buchsbäume unterstützen die vielen im Viereck angelegten Beete, prall bepflanzt mit hochwachsenden Gräsern.
Die Fassade von Haus und Glaspavillon diente als Inspiration für die geometrische Formsprache. „Wir wollten, dass die Linien und Kanten der Gebäude nach außen strahlen und sich auch in der Weitläufigkeit der Grünflächen widerspiegeln“, so Jeremy. „Bei der Planung haben wir immer wieder
gescherzt, dass wir uns an der Form einer Tafel Schokolade orientieren würden.“Für die vielen Quadrate, aber vor allem auch ihre Bepflanzung mit Kleinem Pfeifengras, erntet das Paar oft fragende Blicke. Doch die plausible Antwort lautet: „Bis September spielen die Gräser eine Nebenrolle. Im Sommer sind die saftig grünen Bäumen, Hecken und die weißen Hortensien die Hauptakteure, doch im Herbst sind die Gräser eindeutig die Stars in unserem Garten.“
Besagte Bäume und Büsche haben bei der Gestaltung auch schon einiges hinter sich. „Als wir das Anwesen kauften, war der Garten alles andere als ein weißes Blatt Papier“, versichert Jeremy. Zweihundert wild wachsende Bäume hat er ausgegraben
und größtenteils entfernt. „Ich weiß, es klingt wie Vandalismus, aber es handelte sich zum Beispiel um hoffnungslos ineinander verwachsene Trauerweiden.“Längst wurden rund einhundertfünfzig neue Bäume gepflanzt. Die stehen jetzt in Reih und Glied, zum Teil Seite an Seite, mit vielen Metern Buchs. „Die Hecken haben wir beim Entwirren der Bäume in ganz abgeschiedenen Ecken des alten Gartens gefunden“, so Jeremy. Da die Wurzeln von Buchs nicht so tief sind, lassen sie sich leicht ausgraben und andernorts in die Erde pflanzen. Das Abenteuer rund um The Old Vicarage hat nicht nur die Gartenarchitektur des Grundstücks geprägt. Es hat auch Jeremys Leben maßgeblich beeinflusst. Als der Brite nach Essex kam, arbeitete er als Investmentbanker. Den Laptop mit den Börsenwerten hat er hier, zugunsten einer Ausbildung als Gartendesigner, für immer zugeklappt. Heute unterrichtet er die Kunst des Gärtnerns und gibt Ratschläge: „Bevor du anfängst, deinen Garten zu bepflanzen, musst du wissen, wo du hin willst.“Mit Tipps wie diesem sowie Garten-Leidenschaft und ausdauerndem Enthusiasmus, bezwingt man jedes Dickicht auf dem Weg hin zum eigenen Traumgarten.