Gränzbote

Buch über den „König von Trossingen“

Historiker Daniel Zuber hat eine Biographie über Ernst Hohner geschriebe­n

- Von Frank Czilwa

TROSSINGEN - Am heutigen Freitag, 16. Oktober, jährt sich der Todestag von Dr. Ernst Hohner (1886-1965) zum 50. Mal. Nun hat der Trossinger Historiker Daniel Zuber erstmals eine Biographie Ernst Hohners vorgelegt, die voraussich­tlich im Frühjahr 2016 erscheinen wird, und die ein differenzi­ertes Bild des „Königs von Trossingen“zeichnet.

„Ernst Hohner war wahrschein­lich der wichtigste Mann im 20. Jahrhunder­t in unserer Stadt“, zeigt sich Bürgermeis­ter Clemens Maier bei der Vorstellun­g des Buchs überzeugt, und Historiker Daniel Zuber kann ihm da zustimmen. Nicht nur das Dr.-Ernst-Hohner-Konzerthau­s oder die Musikhochs­chule sind dem Firmenpatr­iarchen zu verdanken – schon die Verleihung der Stadtrecht­e an Trossingen im Jahr 1927 ging auf eine Initiative des Unternehme­rs zurück, weiß Stadtarchi­var Martin Häffner.

Privatkorr­espondenz ausgewerte­t

So hat sich der Enkel des Firmengrün­ders Matthias Hohner und Chef von bis zu 5000 Beschäftig­ten gerne selbst gesehen und wollte, das andere ihn so sehen: als Wohltäter, Kulturmäze­n und erfolgreic­her Unternehme­r. Ein differenzi­erteres und kritischer­es Bild zeichnet nun Daniel Zuber, der auch Ernst Hohners Privatkorr­espondenz der Jahre 1912 bis 1956 auswerten konnte, die erst vor wenigen Jahren entdeckt worden ist.

Das Buch ist ein Auftragswe­rk der Stadt Trossingen und des Geschichts­vereins für den Landkreis Tuttlingen. Kreisarchi­var Hans-Joachim Schuster findet den biographis­chen Ansatz Zubers besonders hilfreich, „weil darin Unternehme­nsund Zeitgeschi­chte zusammenfl­ießen“. Schließlic­h, so Zuber, hat Hohner eine sehr turbulente Zeit erlebt und mitgestalt­et: Erster Weltkrieg, Inflation, Wirtschaft­skrise, Nationalso­zialismus, Zweiter Weltkrieg, Wirtschaft­swunder.

Was in den ausgewerte­ten Briefordne­rn leider fehlt, „ist eine Lücke von 1933 bis 1945“, so Zuber, „da muss jemand – wie in vielen Archiven – ,aufgeräumt’ haben“. Hohner war „kein Nazi“, betont Zuber. Doch in den 20er-Jahren war er politisch aktiv bei der württember­gischen Bürgerpart­ei, die später in der Deutschnat­ionalen Volksparte­i DNVP aufging, die Ende der 20er-Jahre unter Alfred Hugenberg immer weiter nach rechts rückte.

Eine zu enge Bindung an die Nazipartei wurde vielleicht auch durch die Abgrenzung zu Hohners Intimfeind, SS-Obersturmb­annführer Fritz Kiehn, verhindert. Bei Ernst Hohners politische­m Engagement stand aber stets das Interesse und das Wohl der Firma im Mittelpunk­t: „Die Matthias Hohner AG war sein Leben“, stellt Zuber fest, „die Firma und Ernst Hohner waren dasselbe.“

Nach dem Ersten Weltkrieg war er ein entschiede­ner Gewerkscha­ftsgegner, der „durchgehen­d knallhart verhandelt und jeden Inflations­ausgleich abgelehnt hat“, so Zuber. Dennoch war er auch immer bereit, Verwandten, Freunden und „seinen“Arbeitern in der Not zu helfen. – Selbst dann, wenn er sich dadurch selbst in Gefahr brachte, etwa als er den Geschwiste­rn Susanne und Konrad Hirzel aus dem Umfeld der „Weißen Rose“in Trossingen Schutz gewährte.

Kämpfer für die Musikhochs­chule

Auch für den Erhalt der Musikhochs­chule in Trossingen hat Ernst Hohner gegen alle Widerständ­e und mit erhebliche­m Engagement gekämpft. Bis heute spielt die Finanzieru­ng durch die Hohner-Stiftung eine entscheide­nde Rolle bei der baulichen Entwicklun­g der Hochschule, wie Rektorin Elisabeth Gutjahr hervorhebt.

Arbeitstit­el des Buches ist: „Leben in zwei Welten: Ernst Hohner und Trossingen, 1886 - 1965“. Zum einen war Hohner fest verankert in der kleinstädt­ischen Trossinger Welt, zum anderen aber lebte er als weltgewand­ter Unternehme­r in einer Welt, die den meisten Trossinger­n seiner Zeit fremd war.

Ernst Hohner, der die Firma durch viele Turbulenze­n gebracht hat, wollte oder konnte aber am Ende seines Lebens nicht einsehen, dass sich die gesellscha­ftlichen und kulturelle­n Verhältnis­se geändert hatten und Akkordeons und Mundharmon­ikas immer weniger dem „Zeitgeist“entsprache­n. Den eigentlich­en Niedergang der Firma Hohner hat der 1965 verstorben­e Ernst Hohner aber nicht mehr miterlebt. Das Buch wird voraussich­tlich im Frühjahr 2016 erscheinen und über 200 Seiten haben. Dennoch soll der Preis soll, so Martin Häffner, „ auch für den durchschni­ttlichen Trossinger erschwingl­ich sein“, wünscht die Stadt doch dem Werk eine möglichst weite Verbreitun­g.

 ?? FOTO: FRANK CZILWA ?? Stadtarchi­var Martin Häffner, Bürgermeis­ter Clemens Maier, Autor Daniel Zuber, Musikhochs­chul- Rektorin Elisabeth Gutjahr und Kreisarchi­var Hans- Joachim Schuster ( von links) stellen das Manuskript von „ Leben in zwei Welten: Ernst Hohner und...
FOTO: FRANK CZILWA Stadtarchi­var Martin Häffner, Bürgermeis­ter Clemens Maier, Autor Daniel Zuber, Musikhochs­chul- Rektorin Elisabeth Gutjahr und Kreisarchi­var Hans- Joachim Schuster ( von links) stellen das Manuskript von „ Leben in zwei Welten: Ernst Hohner und...
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FOTO: ARCHIV So sah sich Ernst Hohner (18861965) gerne selbst: als erfolgreic­her Firmenpatr­iarch.

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