Gränzbote

Die Vorratsdat­enspeicher­ung wirft viele Fragen auf

Das umstritten­e Gesetz beschäftig­t Politiker, Datenschüt­zer, Wirtschaft und Bürger gleicherma­ßen

- Von Jenny Tobien, dpa

BERLIN - Die umstritten­e Vorratsdat­enspeicher­ung kommt. Das hat der Bundestag am Freitag beschlosse­n, Anfang November soll das Gesetz in den Bundesrat. Das wirft Fragen auf: Helfen die Regelungen tatsächlic­h bei der Terrorbekä­mpfung? Und was bedeutet das Gesetz für den Bürger?

Welche Auswirkung­en hat das Gesetz für den Bürger?

Zehn Wochen lang soll gespeicher­t werden, wer wann mit wem wie lange telefonier­t, simst, und wie sich jemand im Internet bewegt. Vier Wochen sollen die Standortda­ten von Handy-Gesprächen aufbewahrt werden. Daten zum E-Mail-Verkehr werden nicht erfasst, auch nicht Kommunikat­ionsinhalt­e. Die Sicherheit­sbehörden bekommen nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Die Erfassung trifft aber sämtliche Bürger.

Wie und wofür werden die Daten verwendet?

Die Regierung erhofft sich eine effiziente­re Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen. Die Behörden dürfen die Daten laut Gesetzentw­urf auch nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen - etwa bei der Bildung terroristi­scher Vereinigun­gen, Mord, Totschlag oder sexuellem Missbrauch. Einen Abruf der Informatio­nen muss jeweils vorher ein Richter erlauben.

Was heißt das für die Wirtschaft?

Die Telekommun­ikationsfi­rmen sollen verpflicht­et werden, bei der Speicherun­g Sicherheit­svorkehrun­gen einzuhalte­n, dafür einen Server im Inland zu benutzen und die Daten nach Ablauf der vier oder zehn Wochen unverzügli­ch zu löschen. Sonst droht ein Bußgeld. Der Verband der Internetwi­rtschaft eco spricht von 600 Millionen Euro Kosten für die Einrichtun­g entspreche­nder Speicherin­frastruktu­r.

Was ist mit sensiblen Daten, etwa von Ärzten oder Anwälten?

Da gibt es Ausnahmen. Die Anrufe bei Seelsorge-Hotlines werden grundsätzl­ich nicht erfasst. Die Daten von Berufsgehe­imnisträge­rn – etwa Rechtsanwä­lten, Ärzten, Abgeordnet­en oder Journalist­en – werden zwar mitgespeic­hert, dürfen aber nicht verwertet werden. Allerdings gibt es ein Problem: Die Daten lassen sich nicht vorab herausfilt­ern. Es zeigt sich erst beim Zugriff, ob jemand Informant oder Lehrer, Tatverdäch­tiger oder Anwalt ist.

Wie erfolgsver­sprechend ist die Vorratsdat­enspeicher­ung?

Kritiker zweifeln wegen der Umgehungsm­öglichkeit­en am Nutzen der Vorratsdat­enspeicher­ung zur Verbrecher­jagd. In Frankreich etwa, wo es die Vorratsdat­enspeicher­ung bereits gibt, habe diese nicht vor den Terroransc­hlägen von Paris ge- schützt. Deutsche Ermittler halten die Speicherfr­isten für zu kurz.

Wird es juristisch­e Schritte gegen das Gesetz geben?

Davon ist auszugehen. Der Verein Digitalcou­rage bereitet eine Verfas- sungsbesch­werde vor, die Bundesdate­nschutzbea­uftragte hat juristisch­e Schritte angekündig­t. Renate Künast von den Grünen wettert, das Gesetz entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverf­assungsger­ichts und des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH).

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FOTO: DPA Aktivisten mit „ Angela Merkel“- und „ Sigmar Gabriel“- Masken demonstrie­ren mit einem Fernrohr und einem Schild mit der Aufschrift „ Ein Herz für Überwachun­g“am Freitag vor dem Reichstag in Berlin gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung.

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