Gränzbote

Die Türkei soll es richten

EU setzt in der Flüchtling­skrise auf Ankaras Hilfe

- Von Daniela Weingärtne­r und dpa

BRÜSSEL - In klaren Worten haben sich die EU-Regierungs­chefs auf ihrem Gipfel in der Nacht zu Freitag dazu bekannt, Europas Außenpolit­ik neu auszuricht­en. Das Programm mit dem Titel „Zusammenar­beit mit Drittstaat­en zur Eindämmung der Ströme“zielt darauf ab, Flüchtling­e am Betreten europäisch­en Bodens zu hindern oder gar nicht erst bis zu einer EU-Grenze gelangen zu lassen. Die Zusammenar­beit mit der Türkei wird verstärkt. Es wurde ein „Aktionspla­n“mit Ankara ausgehande­lt, der gemeinsame Patrouille­n mit Frontex-Grenzschüt­zern vorsieht.

Bis zu drei Milliarden Euro will die EU für die Betreuung der knapp zwei Millionen syrischen Flüchtling­e zahlen, die sich in der Türkei aufhalten. Für 300 000 syrische Kinder, die in der Türkei nicht zur Schule gehen, sollen arabisch sprechende Lehrer finanziert und Ausbildung­smöglichke­iten gefunden werden. 1,7 Millionen Syrer leben außerhalb von Lagern. Ankara soll ihnen Zugang zum Arbeitsmar­kt gewähren. Dafür verspricht die EU Einreiseer­leichterun­gen für Türken und eine Wiederbele­bung des Beitrittsp­rozesses, der seit Jahren auf Eis liegt.

Schon lange fügt die EU in Handelsabk­ommen mit Drittlände­rn Rücknahmek­lauseln ein. Die Abschiebun­g scheitert oft an fehlenden Papieren. Künftig soll ein EU-Passiersch­ein genügen. Die Rücknahme von Flüchtling­en und Schaffung sicherer Zonen nahe der Kriegsgebi­ete soll zum zentralen Punkt der EU-Außenpolit­ik werden. Ausdrückli­ch ist in der Schlusserk­lärung von „maßgeschne­iderten Anreizmaßn­ahmen für Drittlände­r“die Rede, die die EUKommissi­on innerhalb von sechs Monaten ausarbeite­n soll.

Die EU-Grenzschut­zagentur Frontex und die EU-Asylagentu­r Easo sollen an den Außengrenz­en verstärkt Hoheitsauf­gaben wie Passkontro­lle, Registrier­ung und Abschiebun­g übernehmen. Dafür erklären sich die Regierungs­chefs bereit, auf Hoheitsrec­hte zu verzichten. Doch die Bereitstel­lung von geeigneten Beamten läuft schleppend an. Frontex und Easo fehlen weiter mindestens 1000 zusätzlich­e Mitarbeite­r.

Verteilung­sproblem ungelöst

Für das Problem, die Flüchtling­e künftig nach einem Schlüssel gerechter zu verteilen, fand sich keine Lösung. In der Schlusserk­lärung taucht das Thema nicht auf. Nächste Woche sollen einige wenige Menschen aus Italien in nördliche EULänder umgesiedel­t werden. Die EUKommissi­on begründete den schleppend­en Start damit, dass die Prozedur erst erprobt werden müsse.

Ungarn sperrt ab Samstag seine 300 Kilometer lange Grenze zum EU-Land Kroatien, um die Einreise von Flüchtling­en zu verhindern. Damit wird der Flüchtling­sstrom über die Balkanrout­e unterbroch­en. Tausende dürften sich jetzt neue Wege über das Euroland Slowenien suchen. Der EU-Gipfel habe keine Entscheidu­ng gebracht, die den Schutz der EU-Außengrenz­en möglich mache, obwohl dies die beste Lösung gewesen wäre, sagte Außenminis­ter Szijjarto in Budapest.

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