Die Türkei soll es richten
EU setzt in der Flüchtlingskrise auf Ankaras Hilfe
BRÜSSEL - In klaren Worten haben sich die EU-Regierungschefs auf ihrem Gipfel in der Nacht zu Freitag dazu bekannt, Europas Außenpolitik neu auszurichten. Das Programm mit dem Titel „Zusammenarbeit mit Drittstaaten zur Eindämmung der Ströme“zielt darauf ab, Flüchtlinge am Betreten europäischen Bodens zu hindern oder gar nicht erst bis zu einer EU-Grenze gelangen zu lassen. Die Zusammenarbeit mit der Türkei wird verstärkt. Es wurde ein „Aktionsplan“mit Ankara ausgehandelt, der gemeinsame Patrouillen mit Frontex-Grenzschützern vorsieht.
Bis zu drei Milliarden Euro will die EU für die Betreuung der knapp zwei Millionen syrischen Flüchtlinge zahlen, die sich in der Türkei aufhalten. Für 300 000 syrische Kinder, die in der Türkei nicht zur Schule gehen, sollen arabisch sprechende Lehrer finanziert und Ausbildungsmöglichkeiten gefunden werden. 1,7 Millionen Syrer leben außerhalb von Lagern. Ankara soll ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. Dafür verspricht die EU Einreiseerleichterungen für Türken und eine Wiederbelebung des Beitrittsprozesses, der seit Jahren auf Eis liegt.
Schon lange fügt die EU in Handelsabkommen mit Drittländern Rücknahmeklauseln ein. Die Abschiebung scheitert oft an fehlenden Papieren. Künftig soll ein EU-Passierschein genügen. Die Rücknahme von Flüchtlingen und Schaffung sicherer Zonen nahe der Kriegsgebiete soll zum zentralen Punkt der EU-Außenpolitik werden. Ausdrücklich ist in der Schlusserklärung von „maßgeschneiderten Anreizmaßnahmen für Drittländer“die Rede, die die EUKommission innerhalb von sechs Monaten ausarbeiten soll.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die EU-Asylagentur Easo sollen an den Außengrenzen verstärkt Hoheitsaufgaben wie Passkontrolle, Registrierung und Abschiebung übernehmen. Dafür erklären sich die Regierungschefs bereit, auf Hoheitsrechte zu verzichten. Doch die Bereitstellung von geeigneten Beamten läuft schleppend an. Frontex und Easo fehlen weiter mindestens 1000 zusätzliche Mitarbeiter.
Verteilungsproblem ungelöst
Für das Problem, die Flüchtlinge künftig nach einem Schlüssel gerechter zu verteilen, fand sich keine Lösung. In der Schlusserklärung taucht das Thema nicht auf. Nächste Woche sollen einige wenige Menschen aus Italien in nördliche EULänder umgesiedelt werden. Die EUKommission begründete den schleppenden Start damit, dass die Prozedur erst erprobt werden müsse.
Ungarn sperrt ab Samstag seine 300 Kilometer lange Grenze zum EU-Land Kroatien, um die Einreise von Flüchtlingen zu verhindern. Damit wird der Flüchtlingsstrom über die Balkanroute unterbrochen. Tausende dürften sich jetzt neue Wege über das Euroland Slowenien suchen. Der EU-Gipfel habe keine Entscheidung gebracht, die den Schutz der EU-Außengrenzen möglich mache, obwohl dies die beste Lösung gewesen wäre, sagte Außenminister Szijjarto in Budapest.