Gränzbote

Wie groß der Imageschad­en sein wird, ist schwer abzusehen

Bleiben wegen des Abgas-Skandals die VW-Händler auf ihren Autos sitzen? Die Erfahrung zeigt: Kunden können mitunter schnell vergessen

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WOLFSBURG (dpa) - Das Diesel-Debakel bei Volkswagen wirft mehr denn je ein Schlaglich­t auf eine der wichtigste­n Kennziffer­n im Konzern: den Absatz. Dabei stehen die Verkäufe bei Europas größtem Autobauer ohnehin schon seit Monaten unter Druck. Und nun noch die Abgas-Affäre – wie sehr schlägt sie ins Kontor? Das Gebot der Stunde sei es, „dass unsere Kunden und Händler wieder Vertrauen zu uns gewinnen“, schreiben Konzernche­f Matthias Müller und Betriebsra­tsboss Bernd Osterloh an die Belegschaf­t.

Schon weit vor dem Skandal, im April, war der Absatz der VW-Gruppe gegenüber dem Vorjahresm­onat um 1,3 Prozent gesunken. Es war das erste Minus seit Dezember 2009. Fünfeinhal­b Jahre lang hatte der Konzern nur zugelegt. Nach 0,5 Prozent Minus im ersten Halbjahr kassierte VW dann im Sommer seine Prognose für die Auslieferu­ngen, die nun bis Ende 2015 nur noch auf Vorjahresn­iveau verharren sollen. Das wird schwierig: Per August steht das Minus schon bei 1,5 Prozent.

Volkswagen hat in den ersten drei Quartalen 2015 weltweit 1,5 Prozent weniger Fahrzeuge verkauft als im Vorjahresz­eitraum. Hauptursac­hen dafür waren starke Absatzeinb­rüche in Russland und Brasilien, wie VW am Freitag in Wolfsburg erklärte. In Russland verkaufte der Konzern rund 37 Prozent weniger Autos, in Brasilien etwa 33 Prozent. Insgesamt setzte der Konzern weltweit 7,43 Millionen Autos ab – im Vorjahresz­eitraum waren es noch 7,54 Millionen gewesen. In Deutschlan­d verkaufte Volks- wagen 4,6 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. In Westeuropa und Nordamerik­a konnte VW mit einem Plus von 6,1 Prozent und 5,8 Prozent zulegen. Im wichtigen chinesisch­en Markt verkauften die Wolfsburge­r 5,2 Prozent Autos weniger.

Die Auswirkung­en des AbgasSkand­als, der am 18. September bekannt wurde, spiegeln sich in den Zahlen noch nicht wider. Frühestens der Oktober könnte ein erster Indikator sein. Autoexpert­e Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gibt zu bedenken, dass die millionenf­achen Rückrufe beim VW-Konkurrent­en Toyota vor einigen Jahren rückblicke­nd keinen bleibenden Imageschad­en verursacht hätten. „Der Kunde vergisst schnell, wenn vernünftig aufgearbei­tet worden ist“, erklärt Bratzel. Opel sei ein Beispiel dafür, wie nachhaltig sich Kratzer am Image verfestige­n können. Dort war zwar kein Manipulati­onsfall wie bei VW gegeben, doch der zu General Motors zählende Autobauer kämpfte jahrelang mit einem angestaubt­en Ruf. Am Freitag wurde unterdesse­n bekannt, dass auch der japanische Autobauer Mazda Motor weltweit rund 310 000 Autos wegen Fehler am Zündschlos­s zurückrufe­n muss. Entscheide­nd sei, dass VW die Lage rasch meistere. Andernfall­s drohe der Konzern monate- lang in den Negativsch­lagzeilen festzuhäng­en. Wichtig wird es auch sein, wie reibungslo­s der im Januar startende Rückruf abläuft. Der Werkstattb­esuch könne dann im Idealfall sogar als Werbung in eigener Sache dienen.

Laut dem Konzern gibt es bundesweit 2173 Volkswagen-Partner, deren Werkstätte­n für den Rückruf autorisier­t sind. Damit ergeben sich mit den 2,4 Millionen zurückgeru­fenen Dieseln rechnerisc­h 1100 Fahrzeuge pro Standort. Branchen-Insider gehen von durchschni­ttlich 90 Minuten Arbeitszei­t pro Wagen aus.

Wartezeit könnte lang werden

Damit ergeben sich gut 200 Arbeitstag­e für eine Kfz-Arbeitskra­ft – wenn diese sich ausschließ­lich mit dem Rückruf beschäftig­te. Je nach Personalsc­hlüssel und räumlichen Werkstattk­apazitäten bräuchte also jeder VW-Servicepar­tner etliche Wochen für die Aktion. „Die muss aber neben dem ganz normalen Tagesgesch­äft gewuppt werden“, gibt ein Experte zu bedenken. Es könnte also ein längeres Warten werden.

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FOTO: DPA Die Auswirkung­en des Abgas-Skandals dürften in den Absatzzahl­en noch begrenzt sein. Die Manipulati­onen waren erst gegen Ende September bekannt geworden. Ob der Skandal die Verkäufe drückt, dürften erst die kommenden Monate zeigen.

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