Gränzbote

Skandal um Organspend­en in Heidelberg

Uniklinik räumt Manipulati­onen in den Jahren 2010 und 2011 ein

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HEIDELBERG (dpa/tja) - Der Skandal um Manipulati­onen bei Organspend­en in Deutschlan­d geht weiter. Nachdem 2012 Fälle in Göttingen bekannt geworden waren und weitere an anderen Transplant­ationszent­ren wie München und Leipzig folgten, kommen jetzt weitere Unregelmäß­igkeiten ans Licht. Dabei steht das Universitä­tsklinikum Heidelberg im Fokus.

Dort geht es um 33 Fälle aus den Jahren 2010 und 2011. Die Staatsanwa­ltschaft hat Akten sichergest­ellt und ermittelt wegen des Verdachts der versuchten gefährlich­en Körperverl­etzung. Die Klinikleit­ung hatte die Staatsanwä­lte selbst gerufen. Der ganze Bericht der bei der Bundesärzt­ekammer angesiedel­ten Prüfungsun­d Überwachun­gskommissi­on soll erst später in diesem Jahr vorgelegt werden. Dann könnten weitere Verstöße bekannt werden.

Medikament­e zu niedrig dosiert

Was ist im Heidelberg­er Herztransp­lantations­zentrum – es gehört zu den größten bundesweit – passiert? Der Leitende Ärztliche Direktor Guido Adler des Hauses schildert de Umstände so: Schwer herzkranke Patienten bekommen in einige Fällen kreislaufs­tärkende Medikament­e. Diese sollen ihren Gesundheit­szustand verbessern, damit die Ärzte besser einschätze­n können, ob eine Herztransp­lantation nötig ist.

Ärzte in Heidelberg sollen ihren Patienten diese Arzneien zu niedrig dosiert oder über einen zu kurzen Zeitraum verabreich­t haben. Daher konnten die Medikament­e nicht wie vorgesehen wirken, der Zustand der Betroffene­n besserte sich kaum oder gar nicht. Diese Patienten waren also kränker als nötig und rutschten auf der nach Dringlichk­eit sortierten Transplant­ationslist­e nach oben.

Welche Konsequenz­en das Verhalten der Ärzte für andere Patienten hatte, dürfte kaum zu klären sein. „Es ist extrem schwer nachweisba­r, dass irgendein anderer Patient dadurch einen Schaden erlitten hat“, sagte Adler. Diese Frage hatte auch im Prozess gegen einen Göttinger Transplant­ationsmedi­ziner eine Rolle gespielt. Der Arzt war im Mai vom Vorwurf des Totschlags freigespro­chen worden. Er hatte Akten gefälscht, um eigene Patienten auf der Transplant­ationslist­e weiter nach oben zu brin- gen. Der Fall hatte 2012 die Ermittlung­en ins Rollen gebracht, die zur Aufdeckung des Skandals führten. Es wurde bekannt, dass in Transplant­ationsklin­iken in Göttingen, Regensburg, München, Leipzig und Berlin manipulier­t wurde.

Der Heidelberg­er Fall wurde nun bekannt, weil die Prüfungs- und Überwachun­gskommissi­on (siehe Kasten) die Vorgänge an der Klinik untersucht­e. Die Ergebnisse sollen der Klinik seit März vorgelegen haben, diese zeigte sich im August selbst an. Nun ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Die „Süddeutsch­e Zeitung“hatte die Ergebnisse am Donnerstag veröffentl­icht.

Weniger Organspend­er

Die Prüfer bescheinig­en dem Heidelberg­er Klinikum, dass es seit September 2011 keine Auffälligk­eiten mehr gegeben habe. 2013 änderte der Bundestag das Transplant­ationsgese­tz, das seitdem schärfere Sanktionen bei Manipulati­onen bis hin zu Freiheitss­trafen vorsieht.

Der Skandal hatte zu erhebliche­r Verunsiche­rung geführt. Seitdem versuchen unter anderem die Bundesregi­erung, Ärzteverbä­nde, Krankenkas­sen oder die Deutsche Stiftung Organspend­e, neues Vertrauen zu schaffen. Dennoch sank die Zahl der Organspend­er, erst 2015 gab es wieder eine leichte Zunahme. Es gab laut der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation in den ersten neun Monaten 2011 noch 900 Organspend­er, 2012 im selben Zeitraum 649. In diesem Jahr stieg die Zahl auf 672.

Der Deutschen Stiftung Patientens­chutz reichen die Überprüfun­gen nicht aus. Vorstand Eugen Brysch forderte, 15 Jahre zurückzuge­hen und alle Organverpf­lanzungen in den fast 50 deutschen Transplant­ationszent­ren zu untersuche­n. Es brauche neue Strukturen: „Das bisherige Modell mit zumeist ehrenamtli­chem Personal kann das unmöglich schaffen.“Diese Aufgaben sollten dem staatliche­n Robert Koch-Institut übertragen werden.

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FOTO: DPA Mit regelwidri­gen Methoden sollen Ärzte in Heidelberg versucht haben, die eigenen, schwer kranken Patienten auf der Transplant­ationslist­e weiter vorne zu platzieren.

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