Villinger Bilanzskandal landet bei Gericht
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler
VILLINGEN-SCHWENNINGEN/ MANNHEIM (sbo) - Jetzt ist es also amtlich: Christoph Hess und Peter Ziegler, die beiden ehemaligen, im Bilanzskandal geschassten Vorstände des Villinger Leuchtenherstellers sind von der Staatsanwaltschaft Mannheim angeklagt worden.
Wie der Schwarzwälder Bote bereits Ende September berichtete, sollte die Anklageschrift bis Mitte Oktober fertig beziehungsweise zugestellt sein. Pünktlich zum 15. des Monats nun wandte sich Peter Lintz, Pressesprecher und Erster Staatsanwalt der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim, mit einer entsprechenden Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Es geht um Geld, viel Geld. Auf rund 70 Millionen Euro bezifferte der Insolvenzverwalter Volker Grub den entstandenen Schaden.
Die Anklage vor der Wirtschaftskammer gegen Hess und Ziegler lautet auf Untreue im besonders schweren Fall, sowie auf Verdacht der unrichtigen Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch beziehungsweise Aktiengesetz nebst Verletzung der Buchführungspflicht, des Kapitalanlagebetruges mit vorsätzlicher Marktmanipulation und des Kreditbetruges. Gerade der letztgenannte Anklagepunkt zielt darauf ab, die ehemaligen Hess-Chefs auch mit Blick auf deren Geschäfte mit Banken zur Rechenschaft zu ziehen. Drei Banken fühlen sich von ihnen geprellt und haben dem Unternehmen laut Anklage Darlehen in Höhe von 1,5 sowie drei und zehn Millionen Euro gewährt.
Die Taten sollen im Wesentlichen im Vorfeld des Börsengangs geschehen sein, der zum 24. Oktober 2012 erfolgt ist. Hess und Ziegler sollen die Umsätze der Firma Hess frisiert haben, indem nicht bestehende Umsatzerlöse in Höhe mehrerer Millionen ausgewiesen worden seien. Der Jahresabschluss 2011 sowie die Konzernzwischenabschlüsse zum 30. Juni und 30. September 2012 – also genau jene, die im Vorfeld eines Börsengangs eines Unternehmens eine möglichst gute Figur machen sollten, seien „zu positiv“dargestellt worden. Um das zu verschleiern, wird den ehemaligen Vorständen vorgeworfen, Rechnungen der Hess AG an andere Unternehmen gestellt und verbucht zu haben, obwohl in Wahrheit keine Leistungen erfolgt seien. Die Bezahlung soll indes nach einem bemerkenswerten Muster erfolgt sein: Vorher nämlich, sei den Rechnungsempfängern das nötige Kleingeld dafür zur Verfügung gestellt worden.
Zum Hess-Imperium zählte seinerzeit ein ganz unübersichtliches Konstrukt von mehreren Firmen, von welchen viele seit Bekanntwerden des Bilanzskandals in Insolvenz gingen. Dieses Firmenkonstrukt kommt auch ins Spiel, wenn es vor dem Landgericht Mannheim um den Vorwurf der Untreue gegen Hess und Ziegler gehen wird. Dabei steht auch ein Grundstücksdeal im Fokus, den die Angeklagten 2011 unerlaubt mit Firmengeldern eines Tochterunternehmens gemacht haben sollen. Sie sollen veranlasst haben, dass dieses ein Grundstück zu einem „überhöhten Kaufpreis“gekauft habe, eine halbe Million Euro soll zuviel bezahlt worden sein. Ferner hätten sie veranlasst, dass nicht zum Konzern gehörende Gesellschaften im Zuge des Börsengangs Aktien in Höhe von zwei Millionen Euro gezeichnet haben, um eine nicht vorhandene hohe Nachfrage vorzutäuschen.
Glaube an die gute Finanzlage
Doch es gab sie tatsächlich, jene Anleger, die im Glauben an die gute Finanzlage des Unternehmens in dieses investiert hatten, und sie dürften sich für den mit der Anklage angekündigten Wirtschaftsprozess besonders interessieren. Am Sitz des Unternehmens, sowohl in VillingenSchwenningen als auch im sächsischen Löbau hatten die Anleger über spezielle Deals mit örtlichen Geldinstituten sogar eine bevorrechtigte Zuteilung der Aktien erfahren. Doch die Freude über das Papier währte nicht lange: Bereits am 22. Januar 2013, also gerade einmal ein Vierteljahr später, platzte die Bombe. Die beiden Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler waren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung sofort entlassen worden.
Im Aufsichtsrat, der diesen Schritt abgesegnet hatte, saß damals auch Christoph Hess’ Vater Jürgen Hess, er fungierte zuletzt sogar als Vorsitzender des Aufsichtsrats. Und nun zählt auch er zu den von der Staatsanwaltschaft Beschuldigten. Wegen des Verdachts der unrichtigen Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch und der Beihilfe zur gemeinschaftlichen unrichtigen Darstellung soll auch der ehemalige Seniorchef vor den Kadi gezerrt werden, der zuletzt selbst juristisch tätig wurde und – wenngleich vergeblich – versuchte, sich Pensionsansprüche in Höhe von rund zweieinhalb Millionen Euro zu sichern. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Hess AG sowie zwei Geschäftsführer konzernfremder Gesellschaften machen den Reigen der Angeklagten komplett. Sie sollen als Gehilfen an den Manipulationen mitgewirkt haben.
Und wie geht es jetzt weiter? „Wir sind jetzt im Zwischenverfahren“, so Staatsanwalt Peter Lintz. Die Beschuldigten bekämen nun eine Frist zur Stellungnahme zur Anklage eingeräumt. Dann ist das Landgericht Mannheim an der Reihe: Es muss prüfen, ob der hinreichende Tatverdacht besteht, „den wir ja in der Anklage sehen“, so Lintz.