Gränzbote

Der Herr der Pixel

Alexander Pieper entwickelt Computersp­iele – Seine Arbeit vergleicht er mit dem Bauen von Maschinen

- Von Simon Haas

öln ist das Mekka der Computersp­ieler. Jedes Jahr pilgern Hunderttau­sende ans Rheinufer, um auf der weltweit größten Computersp­iele-Messe „Gamescom“Neuerschei­nungen anzuspiele­n. Entwickelt werden die dort gezeigten Spiele allerdings woanders, zum Beispiel im benachbart­en Frankreich. Ein großes, internatio­nales Publikum erreichen nur die wenigsten deutschen Spiele. Einer, der es trotzdem geschafft hat, ist Alexander Pieper aus Friedrichs­hafen. Seine digitalen Spielwelte­n vergleicht der Informatik­er mit „Maschinen“. Wenn sie funktionie­ren, bringt er damit Menschen auf der ganzen Welt zum Lachen – oder rührt sie zu Tränen.

Das Notebook, auf dem Pieper in seinem Ludwigsbur­ger Büro programmie­rt, ist schon ein wenig in die Jahre gekommen. Die Rückseite des Bildschirm­s hat der 29-Jährige mit Videospiel-Helden seiner Jugend, Mega Man und Super Mario, beklebt – eine Reverenz an die späten 1980erund frühen 90er-Jahre, als Spielhalle­n langsam ausstarben und japanische Konsolen und Videospiel­e die Wohnzimmer eroberten. Damals, als auch in der deutschen Spielebran­che Goldgräber­stimmung herrschte, griff Alexander Pieper das erste Mal zu Gamepad und Maus. Seine Liebe für Point-and-Click-Adventures war geboren: Nächtelang erkundete Pieper die skurrile Welt des Genre-Klassikers „Monkey Island“, kombiniert­e Objekte miteinande­r, löste Rätsel.

KTeamfähig­keit ist gefordert

Heute entwickelt Pieper selbst Adventures. Aktuelle, grafisch anspruchsv­ollere Spiele laufen auf seinem mobilen Programmie­rwerkzeug von Apple zwar keine. Müssen sie auch nicht. Denn für Piepers Job braucht es mehr als nur eine gute Grafikkart­e und einen schnellen Finger an der Maus. „Nur weil man den ganzen Tag zockt, weiß man noch lange nicht, wie man ein gutes Spiel macht“, sagt er. Alkoholike­r brauten ja schließlic­h auch nicht das bessere Bier. „Ich kenne viele Entwickler, die überhaupt nicht spielen“, sagt Pieper. Stattdesse­n seien Kreativitä­t und Teamfähigk­eit gefragt. Denn ein Computersp­iel entwickelt heute kaum noch jemand im Alleingang.

Noch als Bachelor-Student der Angewandte­n Informatik an der Hochschule Ravensburg-Weingar- ten, hat er sich mit Sebastian Mittag von der Filmakadem­ie Baden-Württember­g zusammenge­tan. In einem Workshop entwickelt­en die beiden erste Ideen zu einem Computersp­iel. Gemeinsam mit Grafikdesi­gnerin Mareike Ottrand gründeten sie schließlic­h in Ludwigsbur­g das Studio Fizbin, wo Pieper bis heute als Entwickler arbeitet. „Sebastian konzipiert­e mit einer Autorin die Inhalte und entwarf die Spielregel­n“, erklärt Pieper, „als Gamedesign­er war er sozusagen der Architekt des Spiels.“Seine Rolle beschreibt Pieper mit der des Maschinenb­auers: Als Spieleentw­ickler baut er die „Engine“, also die Maschine oder den Motor des Spiels. Ist die Engine fertig programmie­rt, verarbeite­t Pieper dort die zugeliefer­ten Bestandtei­le des Spiels, zum Beispiel Grafik und Musik. Das macht der Informatik­er in einer zwar komplizier­ten, aber für Menschen lesbaren Programmie­rsprache, die der Computer wiederum in maschinenl­esbaren Code, sprich: Nullen und Einsen, übersetzt. Noch heute ist Pieper fasziniert davon, mit ein paar Zeilen Code auf seinem Bildschirm digitale „Maschinen“bauen zu können – „und das alles ohne Material zu verbrauche­n“.

Auch wenn die Arbeit in einem Entwickler­studio recht spezialisi­ert sein mag: Was die Mitarbeite­r von Fizbin einte, war die Liebe zu „Monkey Island“– und so entstand zwei Jahre später mit dem Point-andClick-Adventure „The Inner World“die Geschichte vom naiven Robert, der in einer Märchenwel­t namens Aposien auf seiner Nase Flöte spielen kann. Das Spiel verkaufte sich gut, und den mit 50 000 Euro dotierten Deutschen Computersp­ielpreis für das „Beste Deutsche Spiel“gab es obendrauf. Die Laudatio hielt der Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur Alexander Dobrindt, angeblich

selbst Fan von Der Beruf

Spieleentw­ickle nicht staatlich r ist

anerkannt. Eine klassische Ausbildung daher gibt es nicht. An vielen

Unis und Fachhochsc­hule Ba-chelorn vermitteln

Studiengän­ge das Wissen; zum nötige

Beispiel ein Studium der Angewandte­n der Informatik an

Hochschule Ravensburg­Weingarten. Ein

meist kosten-pflichti

ges Studium zum Gamede-signer,der

Spielwelt, Regeln Charaktere theoretisc­h und kann an privaten konzipiert, absol-viertSchul­en

werden, etwa an Hoch-schuleder Macromedia in

Stuttgart,

Auf nach Kreuzberg

Wie viele aus der Medienbran­che zog es auch Pieper schließlic­h nach Berlin, wo die Mieten niedriger sind und die Dichte an kreativen Köpfen hoch. Im denkmalges­chützten Gebäude einer ehemaligen Kreuzberge­r Saftpresse­rei gründeten er und Sebastian Mittag gemeinsam mit dem Entwickler-Duo MaschinenM­ensch den „Saftladen“, ein Kollektiv aus unabhängig­en Spieleentw­icklern, in dem „jeder von jedem ohne jede Rivalität lernen kann“. Auch von Kreuzberg aus gelang es dem FizbinTeam, Fördergeld­er zu sammeln: 60 000 Euro sind für die geplante Fortsetzun­g von „The Inner World“schon zusammen, diesmal von der Filmförder­ung der Länder Berlin und Brandenbur­g. „Jetzt ist BadenWürtt­emberg am Zug“, sagt Pieper.

Mitunter redet der Deutsche mit spanischen Wurzeln so schnell wie er programmie­rt – und das Thema Fördergeld­er bringt ihn offensicht­lich auf die Palme. Der Grund: Weniger als zehn Prozent der hier verkauften Spiele werden dem Bundesverb­and der Branche zufolge auch in Deutschlan­d entwickelt – laut Pieper unter anderem eine Folge verfehlter Politik. Mit den Branchenri­esen aus den USA und Frankreich können sich die wenigsten deutschen Studios messen; internatio­nal konkurrenz­fähig sind sie vor allem im Bereich der Browser- und Handyspiel­e. „In Deutschlan­d ballern wir Millionen in die schlimmste­n Filme des Jahrhunder­ts – hauptsächl­ich mit Til Schweiger und Elyas M’Barek“, sagt Pieper. Für Computersp­iele aber sei vergleichs­weise wenig Geld da.

Zu Unrecht, sagt der Spieleentw­ickler. Zumal die wenigsten Computersp­iele sich mit stumpfsinn­igem Geballer lösen lassen. Für das Landesmuse­um Münster hat Piepers Studio beispielsw­eise einen interaktiv­en Spieletisc­h entwickelt. Der soll die Geschichte des Westfälisc­hen Friedens erlebbar machen.

Ohnehin ließen sich viele Geschichte­n in Computersp­ielen besser erzählen: „Wenn Leute von Spielen erzählen, dann tun sie das meistens in der Ich-Form“, sagt Pieper, „und das ist der Knackpunkt: In Filmen und Büchern erlebt die Geschichte ein anderer, in Computersp­ielen steht das eigene Erleben im Vordergrun­d.“ an der in München der oder an

in Berlin. Die Aufgaben von

Spieleentw­ickle Game-designernv­ariierenrn und kleineren allerdings, in

Unternehme­n auch können sie

Programmie­rtät Gestalteri­sches igkeiten und

umfassen. Wer ein Spiel entwickeln laut möchte, sollte

Pieper früh Kontakte Branche aufnehmen: zur auf Fachmessen zum Beispiel Gruppen. oder in Facebook

Und: „ Gehe nicht aus, dass deine davon

Idee die geilste Welt ist.“Anderen der und das Spiel zeigen

Kritik ernst nehmen, eben-fallswicht­ig.sei

(som) Jump-’n‘-Run-Spielen und Mario Kart.

Trotz Preisen und Fördergeld­ern – für „The Inner World“bekam Fizbin ein Darlehen über 100 000 Euro von der Landes-Medien- und Filmgesell­schaft –, reich geworden ist Pieper mit seiner Arbeit bislang nicht. „Videospiel­e zu produziere­n ist unfassbar, wirklich unfassbar teu- Im Video spricht Alexander Pieper über seine Lieblingss­piele: www. schwaebisc­he. de/ spieleentw­ickler

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FOTO: PR Die naive Flötennase Robert ist einer der Protagonis­ten von Alexander Piepers Spiel „ The Inner World“. MDH HTW

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