„Wir müssen die politische Debatte wieder beruhigen“
BERLIN - Unser Mitarbeiter Rasmus Buchsteiner hat mit Jörg Radek (Foto: oh), dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, über das Attentat gesprochen.
Welche Lehren muss die Politik aus diesem Anschlag ziehen?
Mich haben die spontane Demonstration am Samstagabend in Köln und der Schulterschluss aller Demokraten sehr beeindruckt. Das war ein wichtiges Signal, dass in der jetzigen Situation alle zusammenstehen müssen. Die Politiker haben eine riesige Verantwortung. Sie müssen den Menschen ihr Handeln in der Flüchtlingskrise noch besser erklären. Bestehende Ängste gilt es aufzunehmen und nicht zu verschweigen. Da geht es um Flüchtlinge, die sich in Deutschland nicht sicher fühlen, aber auch um die Sorgen vieler Bürger, die sich angesichts des Zustroms verunsichert fühlen. Wir müssen die politische Debatte wieder beruhigen. Sonst ist Gewalt von Nachahmungstätern nicht auszuschließen.
Hass, Hetze und Gewalt scheinen angesichts der Flüchtlingskrise zuzunehmen. Worauf führen Sie das zurück?
Wir sind glücklicherweise noch nicht da, wo wir Anfang der 1990-Jahre waren: Damals gab es diese schrecklichen Bilder eines wütenden und gewalttätigen Mobs, der wie in Rostock-Lichtenhagen Jagd auf Flüchtlinge gemacht hat. Die politische Klasse muss jetzt besonnen und entschlossen handeln. Pegida schürt seit einem Jahr Hass und Vorurteile, transportiert Ängste und ist zu einem Nährboden für Gewalttäter geworden. Alle Demokraten müssen intelligent dagegenhalten und die Argumente dieser rechten Rattenfänger entkräften. Hier muss intellektuell
Widerstand geleistet werden.
Im ganzen Land stehen Kommunalpolitiker in der Kritik, weil sie in der Flüchtlingskrise auch unpopuläre Entscheidungen treffen müssen. Müssen sie besser geschützt werden?
Man muss Drohungen sehr, sehr ernst nehmen und Kommunalpolitiker vor Gewalt schützen. Es sind gerade Bürgermeister und Landräte, die besonders unter Druck stehen, in der Organisation und bei der Unterbringung von Flüchtlingen jede Menge leisten. Es kann nicht sein, dass sie Angst um Leib und Leben haben müssen. Wir dürfen sie auf keinen Fall alleinlassen! Wenn ich sehe, dass bei Pegida-Demonstrationen ein Galgen gezeigt wird, macht mich das wütend. Solche Drohungen sind nicht mehr von der Meinungsfreiheit abgedeckt. Der Rechtsstaat muss hier mit aller Härte reagieren.