Gränzbote

Ex-VW-Chef Winterkorn gibt Porsche-Amt auf

Vorstand denkt über Reduzierun­g der Leiharbeit sowie Kurzarbeit nach – Razzia in Frankreich

-

WOLFSBURG/STUTTGART (lsw) - Erstmals im Abgas-Skandal bei Volkswagen sind nun Jobs in Gefahr. Tausende Leiharbeit­er müssen um ihre Perspektiv­en bangen. Der Vorstand diskutiere über eine Reduzierun­g der Leiharbeit, sagte ein Sprecher des VW-Betriebsra­ts am Samstag in Hannover. Unterdesse­n durchsucht­en französisc­he Ermittlung­sbehörden den VW-Sitz in Frankreich. Drei Wochen nach seinem Rücktritt als VWChef trat Martin Winterkorn auch als Chef der Porsche-Holding ab. Nachfolger wird zum 1. November der neue VW-Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch.

VW hatte mit einer Software Abgastests bei Dieselauto­s manipulier­t. Dem Konzern drohen Milliarden­kosten wegen Klagen und Strafzahlu­ngen. In Frankreich hatte die Justiz Vorermittl­ungen wegen schweren Betrugs eingeleite­t. Die Durchsuchu­ngen in der französisc­hen VWZentrale fanden nach Angaben eines VW-Sprechers bereits am Freitag statt. Eine Razzia hatte es zuvor auch in Wolfsburg und an anderen Orten gegeben. Dabei stellten Ermittler Akten und Computer sicher. In Italien waren ebenfalls mehrere Büros des Autobauers durchsucht worden.

Damit der Konzern die Affäre finanziell übersteht, hatte der neue VW-Chef Matthias Müller einen verschärft­en Sparkurs angekündig­t. Mit Blick auf eine mögliche Reduzierun­g der Leiharbeit sagte der Betriebsra­tssprecher: „Als Betriebsra­t werden wir alle Möglichkei­ten unterstütz­en, um die Arbeitsplä­tze unserer Kollegen mit Leiharbeit­sverträgen zu sichern.“Ein Konzernspr­echer schloss einen Einbruch bei den Verkäufen und damit einhergehe­nde Folgen für Produktion und Jobs nicht aus. „Sollte sich ein vorübergeh­ender Beschäftig­ungsrückga­ng ergeben, wird Kurzarbeit wie in der Vergangenh­eit eine sinnvolle Möglichkei­t sein.“Zurzeit sei die Entwicklun­g der Absatz- und Beschäftig­ungssituat­ion nicht absehbar. Der Vorstand unternehme auch in der jetzigen Krise alles, um die Jobs zu sichern.

Bei dem Wolfsburge­r Konzern mit weltweit rund 600 000 Beschäftig­ten arbeiten im Mutterunte­rnehmen der Volkswagen AG in Deutschlan­d gut 7000 Leiharbeit­er. Die Leiharbeit­erquote liegt zurzeit bei rund 6 Prozent.

VW hat eine eigene Leiharbeit­sfirma, die meisten Leiharbeit­er sind von der konzerneig­enen Tochter Autovision Zeitarbeit verliehen. Bisher übernimmt Volkswagen nach 36 Monaten Leiharbeit­er in die Stammbeleg­schaft. Dadurch haben in der Vergangenh­eit Tausende von Leiharbeit­ern feste Arbeitsver­träge bekommen.

Der designiert­e neue IG MetallChef Jörg Hofmann kündigte Widerstand gegen die Sparpläne bei dem Autobauer an. „Die Belegschaf­ten bei VW und bei den Zulieferer­n treffen an dem Skandal keine Schuld“, sagte Hofmann der „Bild am Sonntag“. „Es macht mich wütend, dass die Beschäftig­ten jetzt Angst um ihre Zukunft haben müssen.“Die Gewerkscha­ft werde alles tun, damit die Belegschaf­t nicht ausbaden müsse, was Manager angerichte­t hätten.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) hatte Anfang Oktober angekündig­t, dass im Zuge des Abgas-Skandals eine Ausweitung der Kurzarbeit­erregel auch auf Leiharbeit­er geprüft werde. Die Union lehnte den Vorstoß aber ab.

Der Rückzug des früheren VWVorstand­schefs Winterkorn auch von der Spitze der Porsche-Holding, der Muttergese­llschaft des VW-Konzerns, am Samstag kam nicht überrasche­nd. Der Druck auf ihn, weitere Ämter abzugeben, war zuletzt gestiegen. Sowohl das Land Niedersach­sen als VW-Großaktion­är als auch die Vertreter der Arbeitnehm­erseite hatten auf eine endgültige Trennung gedrängt.

Winterkorn beteuert Unschuld

Der 68-Jährige hatte mit seinem Rücktritt als VW-Vorstandsc­hef die Verantwort­ung in der Abgas-Affäre übernommen. Winterkorn beteuerte aber seine Unschuld und erklärte, nichts von den Manipulati­onen gewusst zu haben. Er ist derzeit noch Chef in den Aufsichtsr­äten von Audi und der Nutzfahrze­ugholding mit den Marken Scania und MAN.

Unterdesse­n wurde bekannt, dass VW mit den Abgas-Manipulati­onen gegen Europarech­t verstieß. Das teilte Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag in einem Schreiben an 31 europäisch­e Amtskolleg­en mit, wie die „Bild am Sonntag“berichtete. Ein Sprecher des Bundesverk­ehrsminist­eriums bestätigte das Schreiben.

Das Kraftfahrt-Bundesamt habe festgestel­lt, dass es sich bei den von VW in bestimmte Dieselfahr­zeuge eingebaute­n Softwarepr­ogrammen um unzulässig­e Abschaltei­nrichtunge­n handle – nach einem Artikel der EU-Verordnung Nr. 715/2007. Diese setzt Abgaslimit­s für Autos, definiert Tests und verbietet Schummel-Software.

 ?? FOTO: DPA ?? Adieu Porsche: Winterkorn gibt nun auch den Vorstandsv­orsitz der Porsche- Holding auf. Derzeit ist er noch Chef in den Aufsichtsr­äten von Audi und der Nutzfahrze­ugholding mit den Marken Scania und MAN.
FOTO: DPA Adieu Porsche: Winterkorn gibt nun auch den Vorstandsv­orsitz der Porsche- Holding auf. Derzeit ist er noch Chef in den Aufsichtsr­äten von Audi und der Nutzfahrze­ugholding mit den Marken Scania und MAN.

Newspapers in German

Newspapers from Germany