Gränzbote

Sarah Wiener is(s)t leidenscha­ftlich

Die bekannte Köchin reißt beim Literaturh­erbst in der Stadthalle alle mit

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TUTTLINGEN (dh) - So vielfältig wie ihre Küche, so unterschie­dlich wie ihre Bücher, so bunt gemischt kommt auch Sarah Wiener selbst daher. Zur Tonprobe am Samstagabe­nd stapft sie ein wenig zerzaust in die Stadthalle: lila Mantel, Schal um den Hals, sie war gerade an der Donau unterwegs. Zwei Stunden später gleitet sie, im hautengen Kleid, mit offenen Haaren und auf hochhackig­en Stiefeln, in ihren Sessel auf der Bühne im Kleinen Saal – willkommen zur dritten Lesung des Literaturh­erbsts.

Oder vielmehr zum geselligen Abend mit einer österreich­ischen (Fernseh-)Köchin, Bäuerin, Imkerin, Unternehme­rin und leidenscha­ftlichen Anwältin für mehr Essens-Be- wusstsein – von der Tierhaltun­g über die Zubereitun­g bis hin zum Genuss. Genau diese Wertschöpf­ungskette bildet Wiener in ihrem neuen Buch „Zukunftsme­nü“ab. Gemeinsam mit Moderatori­n und Gränzbote-Redakteuri­n Dorothea Hecht stellte sie es den 160 Besuchern vor.

Die erfuhren zum Beispiel, dass Wiener ihre Leidenscha­ft fürs Kochen nicht vererbt bekommen hat: „Meine Großmutter war eine ganz schrecklic­he Köchin“, erzählte sie. „Sie hat sogar die Margarine immer vom Brot gekratzt, damit ja nicht zuviel drauf ist.“Von den Kochkünste­n ihrer Mutter dagegen sei sie begeistert gewesen, aber erst im Restaurant ihres Vaters habe sie Kochen wirk- lich gelernt. Der Entschluss, Köchin zu werden, kam bei einem Asien-Urlaub: „Da hab ich mir überlegt, dass das einzige, was ich wirklich gut kann und auch mag, Kochen ist.“

Ohne Schulabsch­luss, mit einem ausrangier­ten Küchenpanz­erfahrzeug der Nationalen Volksarmee der DDR und kleinen Notlügen startete sie ihre Catering-Firma auf Filmsets: „Der Bank hab ich gesagt, dass ich den Kredit für meine Möbel kaufe.“Auftritte in Kochsendun­gen und schließlic­h ihre eigene Serie auf Arte folgten, und mit dem Kochen wurde das Bewusstsei­n für das, was bei ihr auf den Tisch kam, immer stärker. Schockiert von Massentier­haltung, verwirrt von Angaben in Fertigprod­ukten wie Hühnerbrüh­e („Was ist eigentlich ein Trockenhuh­n?“) und geprägt von dem Drang nach Neuem wollte sie mit dem Buch zur Aufklärung beitragen – „und da werde ich auch gerne politisch“, sagte sie.

Aber Wiener wäre nicht Wiener, wenn sie den Tuttlinger­n nicht noch ein paar praktische Koch-Tipps mitgegeben hätte: „Wenn Sie eins mitnehmen von heute Abend, dann dass Sie nur noch unbehandel­tes Salz kaufen. Was anderes kommt mir nicht ins Haus!“

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FOTO: D. HECHT Autogramms­tunde: Sarah Wiener gab sich publikumsn­ah.

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