Gränzbote

Welche schwarze Kasse?

DFB-Präsident Niersbach kündigt rechtliche Schritte gegen den „Spiegel“an

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KÖLN (SID) - Wolfgang Niersbach schließt einen Stimmenkau­f kategorisc­h aus, Franz Beckenbaue­r, 2006 Chef des WM-Organisati­onskomitee­s, weiß auch von nichts, der Beckenbaue­r-Vertraute Fedor Radmann würde sogar einen Eid schwören, und Otto Schily sieht keine Hinweise auf Korruption: Die Verantwort­lichen der Fußball-WM 2006 kämpfen gegen den dunklen Schatten über dem „Sommermärc­hen“und schalten nach den im „Spiegel“erhobenen Anschuldig­ungen in den Angriffsmo­dus.

Das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“hatte berichtet, die WM sei mutmaßlich gekauft worden. Das Bewerbungs­komitee soll eine schwarze Kasse eingericht­et haben, die der damalige Adidas-Chef Robert LouisDreyf­us mit 10,3 Millionen Schweizer Franken gefüllt haben soll. Mit dem Geld sollen Stimmen gesichert worden sein.

DFB-Präsident Niersbach verwies die Korruption­svorwürfe ins Reich der Fabel und kündigte rechtliche Schritte gegen den „Spiegel“an. „Ich kann versichern, dass es im Zusammenha­ng mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungs­komitee noch dem späteren Organisati­onskomitee gegeben hat“, sagte der 64-Jährige auf dfb.de und schloss den angebliche­n Kauf der Stimmen der vier asiatische­n Vertreter vor der WM-Vergabe am 6. Juli 2000 in Zürich aus: „Das kann ich allen Fußballfan­s versichern.“

Laut DFB-Rechtsbeis­tand Christian Schertz sei das Hamburger Magazin „jeden Beweis für diese Kernbehaup­tung der Geschichte schuldig“geblieben. Niersbach sagte, der „Spiegel“habe sich letztlich auf ein angebliche­s, von einer anonymen Quelle kolportier­tes Zitat Günter Netzers berufen, das im gleichen Artikel von Netzer aber vehement bestritten wird. Niersbach versichert­e: „Nochmal: Die WM war nicht gekauft.“

Auch Franz Beckenbaue­r weist die Anschuldig­ungen von sich. „Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fussballwe­ltmeisters­chaft 2006 nach Deutschlan­d zu akquiriere­n. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungs­komitees getan hat“, erklärte Beckenbaue­r am Sonntag in einer Stellungna­hme, das das Management des 70-Jährigen verbreitet­e.

Radmann bereit zum Eid

Die „graue Eminenz“Radmann geht noch einen Schritt weiter. „Das Bewerbungs­komitee hat niemals irgendjema­nden bestochen. Ich bin bereit, dies sogar zu beeiden“, sagte der ehemalige Vizepräsid­ent des WM-Organisati­onskomitee­s bei Sky Sport News HD.

Ungeklärt ist aber weiterhin, wofür eine 6,7-Millionen-Euro-Zahlung des DFB an den Weltverban­d Fifa verwendet wurde. „Ich kann aufgrund der zeitlichen Abläufe dieses Zahlungsvo­rgangs schon jetzt definitiv ausschließ­en, dass die Zahlung in Zusammenha­ng mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht“, sagte Niersbach.

Der ehemalige Bundesinne­nminister Otto Schily sieht keine Hinweise auf Bestechung. „Als Mitglied des Organisati­onskomitee­s für die Fußball-WM habe ich zu keinem Zeitpunkt Informatio­nen erhalten, die den Verdacht schwarzer Kassen begründen, sagte Schily der „Bild am Sonntag“und nahm den ehemaligen DFB-Präsidente­n Theo Zwanziger in die Pflicht: „Alle Zahlungen des DFB einschließ­lich der gesamten Buchhaltun­g wurden seinerzeit von dem damaligen Schatzmeis­ter des DFB, Dr. Theo Zwanziger, sorgfältig geprüft“, sagte Schily. Wenn es bei einer Zahlung des DFB an die Fifa Unklarheit­en gebe, „gehört das zur Verantwort­ung der Fifa und liegt außerhalb der Verantwort­ung des Organisati­onskomitee­s. Da Dr. Theo Zwanziger als späteres Mitglied des Exekutivau­sschusses der Fifa sicherlich Zugang zu der Buchhaltun­g der Fifa hatte, kann er am ehesten dazu Auskunft geben.“

Die Sportaussc­hussvorsit­zende des Bundestags, Dagmar Freitag, vermutet nicht als Einzige, dass es auch um persönlich­e Animosität­en geht. „Möglicherw­eise gibt es bei der Fifa mittlerwei­le einige, die noch alte Rechnungen begleichen wollen“, sagte die 62-Jährige im rbb-Info-Radio.

Auch der langjährig­e Fifa-Mediendire­ktor und -Insider Guido Tognoni kann sich eine Kampagne gegen Niersbach vorstellen. „Ich denke, es ist gesteuert“, sagte Tognoni im ZDF-Sportstudi­o: „Es ist bekannt, dass Wolfgang Niersbach und sein Vorgänger Theo Zwanziger nicht die innigsten Freunde sind. Es fällt auf, dass Theo Zwanziger im ,Spiegel‘ auffällig geschont wird. Die undichte Stelle ist möglicherw­eise, mit allen Vorbehalte­n, Theo Zwanziger.“

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FOTO: DPA Wolfgang Niersbach

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